Stehe wieder da, wo ich vorhin auch stand, jetzt allerdings mit ganz anderen Gedanken im Kopf und in der Schlange der Wartenden viel weiter hinten.
Als ich eben an den Weinbergen vorbei fuhr und manche Reben noch ihre Pracht trugen, da dachte ich an die Zeit zurück, als ich um diese Jahreszeit viel Geld verdiente. Morgens um halb acht ging es los. Man musste einen Eimer und eine Schere mitbringen und dem Wetter entsprechende Kleidung. Dann ging es los. Halb kniend, halb in der Hocke ging es an das Lesen. Warum das lesen und nicht ernten heißt? Man liest dabei das beste vom Rebstock. Es wird nicht alles verwendet. Die verfaulten Trauben bleiben für die Vögel.
Um 12 Uhr gab es immer Essen. Oft Suppe mit Wurst und Brötchen, am Nachmittag dann noch Kaffee und Teilchen. Die Stunde bekam man zwischen 6 und 7 Mark. Also die Leser, der Lelenträger bekam 2 Mark mehr, denn er hatte es wirklich schwer. Er war derjenige, der auf dem Rücken einen großen Behälter trug, in den die Eimer geleert wurden. Er prüfte auch nach, ob man das richtig machte und wehe, wenn nicht. ..
Die Zeiten sind vorbei. Heute wird fast nur noch mit der Maschine gelesen. Die fährt über die Reben und schüttelt sie und alles was abfällt wird verarbeitet. Man darf ganz offiziell nachlesen. Früher durfte man um diese Zeit gar nicht in die Weinberge. Man hätte ja was klauen können.
Heute ist das viel lockerer. Die eigentliche Arbeit ist im Weinkeller, denn nicht die Masse verkauft sich, sondern nur noch Qualität