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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1Di Apr 09, 2024 8:46 am

Ich nicke. Es ist eine gute Idee gewesen, nach Nippon zu reisen. Genau das kenne ich von Sona, unserem Heimatplaneten. Shintô ist schon uralt, heißt es. Die Ursprünge der Religion lägen im Dunkel der menschlichen Geschichte. Hier scheint es einen Anknüpfungspunkt zu geben.

„Wie ist die Natur der Kami?“ frage ich weiter.

„Die Kami sind überall und sie sind uns nahe,“ erklärt der Kannushi. „Das Erste, was Sie wissen müssen, ist, das es Millionen Kami gibt. Sie sind zum Beispiel in der Natur zu finden: in Bäumen, Flüssen, Bergen, auf bestimmten Böden und Gebieten.“

„Ich habe gehört, dass Menschen auch Kami werden können,“ meine ich.

„Ja, in manchen Fällen können Menschen zu Kami werden,“ bestätigt er. „Es sind große Menschen, die viele Tugenden angesammelt haben.“

Ich nicke und frage weiter:
„Gibt es einen Kami, der wichtiger ist als alle anderen?“

Mein Gegenüber nickt und erklärt:
„Der wertvollste Kami heißt Amaterasu Omikami. Es ist der Kami der Sonne. Viele Nihhonjin -Japaner- haben ein Kamidana, einen Shinto-Altar, in ihren Häusern. Amaterasu Omikami wird in allen verehrt.“

Nun frage ich:
„Was ist Ihr Selbstverständnis als Shinto-Priester? Gibt es bestimmte Umgangsformen in Shinto-Schreinen, die normalen Menschen nicht so geläufig sind?“

Mein Gegenüber nickt:
„Viele Menschen scheinen sehr besorgt über die richtigen Gesten und Wege zu sein. Natürlich gibt es eine richtige Art, sich zu verbeugen und in die Hände zu klatschen, und auch eine richtige Reihenfolge, um Dinge zu tun. Wir Kannushi müssen die genauen Methoden befolgen, um Dinge zu tun, aber für Menschen, die beten, ist das Wichtigste Ihre Absicht. Manieren sind wichtig, aber die Absicht, die Kami zu respektieren, ist wichtiger. Das Wichtigste ist, vor dem Kami ruhig und demütig zu bleiben. Ich denke, Demut ist eine sehr wichtige Tugend der Nihhonjin -Japaner-.“

„Wie steht es mit Gefühlen?“ frage ich nun. „Ist es den Kannushi erlaubt, Gefühle zu zeigen, sich gar zu verlieben, zu heiraten?“

„Ja,“ bestätigt der Shinto-Priester. „Ich lebe zwar mein tägliches Leben als Kannushi und achte auf viele Dinge. Aber ich bin auch ein Mensch, also kann ich mich natürlich auch verlieben. Dennoch habe ich diese Tendenz, abstinent zu sein. Natürlich sage ich nicht, dass alle Kannushi wie ich sind. Es hängt von den Menschen ab. Ich habe mich sehr in eine Frau verliebt und mir wurde klar, dass sogar ich, der Kannushi, solche menschlichen Gefühle haben kann. Dadurch wurde jeder Tag zum Vergnügen. Am Ende ging meine Liebesgeschichte nicht gut aus, aber ich empfinde immer noch große Dankbarkeit für diese Person.“

„Das ist bemerkenswert,“ gebe ich zu und stelle nun die Frage, die mir schon seit langem auf der Seele brennt: „Von Ihnen kann ich doch sicher etwas über die Ursprünge des Shintô erfahren?“

„In den letzten Jahrhunderten hat es eine Angleichung gegeben. Vor Jahrtausenden noch, hat fast jeder Clan sein eigenes Shintô gepflegt. Die ältesten Mythen legen nahe, dass sich die religiösen Mythen auf Ehrfurcht-gebietende Naturerscheinungen, auf Nahrungsgottheiten und elementare Naturkräfte bezogen. Der sogenannte 'Ur-Shintō' bestand daher aus lokalen Traditionen, die wesentlich unterschiedlicher gewesen sein dürften, als dies heute der Fall ist. Vereinheitlicht wurde es mit der Errichtung des frühen japanischen Staatswesens.
Sie schildert die Weltentstehung und den Ursprung der Dynastie des Tennō: Ein Urgötterpaar -Izanagi und Izanami- kreiert die japanischen Inseln und alle übrigen Gottheiten. Amaterasu Omikami -Himmelsscheinende große Gottheit- ist die Wichtigste: Sie beherrscht die Takamanohara -himmlischen Gefilde- und wird mit der Sonne gleichgesetzt. In ihrem Auftrag steigt der Enkel des Schöpferpaares zur Erde herab, um hier die ewig andauernde Dynastie des Tennō-Geschlechts zu begründen.
Befürwortet wird eine Lebensführung in Übereinstimmung mit den Kami, die sich in der Verehrung und Dankbarkeit ihnen gegenüber, sowie allem voran im Streben nach einer auf gegenseitiger Hilfe beruhenden Harmonie äußert. Reinheit ist ein erstrebenswerter Zustand. Kegare -Beschmutzungen- sowohl physischer als auch spiritueller Natur gilt es zu vermeiden und regelmäßige Harai -Reinigungsrituale- abzuhalten.“
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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1Do Apr 11, 2024 10:16 am

Wir sitzen uns eine kurze Weile stumm gegenüber. Ich versuche Verbindungen zu unserer eigenen Philosophie zu finden. Dabei komme ich zu dem Ergebnis, dass unser Gyaata ka Salaah -Rat der Gyaan- sich damit befassen sollte. Mich daran erinnernd, dass unsere Gesellschaft in drei Schichten unterteilt ist, die jedoch nicht festgefügt sind, frage ich unseren Interviewpartner:

„Sie sprachen gerade die Errichtung des Staatswesens an. Wie ist es organisiert? Gibt es eine gesellschaftliche Pyramide, an deren Fuß Bauern und Handwerker stehen, die mit ihrer Hände Arbeit das Staatswesen am Leben halten. Stehen Soldaten und Adelige, als Gebietsherren bis hoch zum Shogun über ihnen, die die Entscheidungen treffen. Und sind die Kannushi -Schreinpriester- in der genannten Pyramide an der Spitze, weil sie die angesehensten Personen sind? Schließlich fungiert der Tennô -Kaiser- als Oberpriester.“

Der Kannushi nickt und meint:
„So in etwa kann man argumentieren, obwohl es nicht ganz so starr zu sehen ist.“

Ich lächele. Genau die letzte Aussage zeigt die Verbundenheit zu unserer eigenen Gesellschaftsordnung auf Sona. Nun frage ich nach dem Umfang der Tätigkeiten der Kannushi.

„Die Kannushi verstehen sich als Bindeglied zwischen den Kami und den Menschen. Kommen die Menschen auch mit anderen Problemen zu Ihnen? Sind Sie also ebenso, Heiler, Seher, Wissenschaftler, Literaten und Sänger?“

„Hm,“ macht der Schreinpriester da. „In vergangenen Zeiten mag das so gewesen sein. Heute aber hat sich die Wissenschaft abgekoppelt. So gibt es Mediziner, Mathematiker, Philosophen an den Universitäten und näher an den Menschen.“

„Ah, einen Sammelbegriff, wie ‚die Wissenden‘ findet man heute also nicht mehr?“ frage ich.
Der Mann hebt die rechte Hand und wedelt damit vor seiner unteren Gesichtshälfte. Die Nihhonjin -Japaner- sagen ungern ‚NEIN‘, um die Harmonie nicht zu stören. Dafür steht die Geste, die er mir gerade zeigt.

Wir verabschieden uns höflich voneinander, lassen eine Spende da und entfernen uns aus dem Bereich des Jinja -Schreins-. Die Nacht verbringen wir in einer Herberge. Dort nehme ich mit meinem Kommunikator Verbindung zu Aro-23 auf und übermittele eine Zusammenfassung meiner neuen Erkenntnisse auf dessen Speicher. Aro-23 erhält den Auftrag, die Datei an Kathor Parishram nach Sona zu senden. Danach schlafen wir erst einmal.



Zurück zu den Wurzeln

Wir schreiben auf Aitha zurzeit das Jahr 1873. Im Dai-Nihon Teikoku -japanischen Kaiserreich- ist es das Jahr 5 Meiji ishin -‚Erleuchtete Regierung‘. Bis 1867 nach amerikanischer Zählung hat ein Shogun das Land regiert. Danach ist es zu einem Bürgerkrieg gekommen, den der Shogun verloren hat. Die siegreichen Daimyo -Fürsten- haben den Tennô -himmlischer Herrscher- als ihr Oberhaupt eingesetzt, der zugleich auch oberster Schreinpriester des Kashihara-jingu am Fuß des Berges Unebi ist. In dieser Funktion wird er auch als Nachkomme (Sohn) der Sonnengöttin Amaterasu-O-kami bezeichnet.

Insgesamt sind 17 Jahre vergangen, seit wir uns von Aro-23 an der Küste von Zhôngguo -China- absetzen gelassen haben. Danach haben wir lange Zeit in einem Kloster verbracht, haben die Zhôngwén zìmû -chinesische Schrift- erlernt und durften alte Schriftrollen abschreiben, um sie vor dem Zerfall zu bewahren. Irgendwann haben wir einen kaiserlichen Beamten nach Bêijîng begleitet. In unserem Gepäck befindet sich eine wichtige Schriftrolle mit politisch-historischem Inhalt.

Wir haben unterwegs von einem weiteren Land erfahren, dessen Herrscher sich ‚Sohn der Sonne‘ nennt, ebenso wie der Herrscher von Zhôngguo in Bêijîng. Das Land liegt 4000 Li -etwa 1250 Meilen nach amerikanischer Zählung- im Nordosten auf einer Inselgruppe vor der Küste. Aro-23 hat uns von Bêijîng dorthin gebracht und wir haben als erstes einen Tempel aufgesucht, um uns von dem dortigen Priester über die Religion und das Wesen des Herrschers aufklären zu lassen.
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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1Sa Apr 13, 2024 9:12 am

In all den Jahren haben wir nach Resten der alten Ordnung gesucht, die zur Zeit der ‚Schläferschiffe‘ -Slêp Jahaaj- noch auf Aitha bestanden hat. Damals hat es einen planetenumspannenden Atomkrieg gegeben. Viele Menschen sind von Aitha geflüchtet, um auf anderen Planeten in der Galaxis eine neue Heimat zu finden.

Nach den Erzählungen des Priesters besteht die Religion des Shintô -Weg der Götter- seit mindestens 150.000 Jahren. Ihr Ursprung liegt im Dunkel der Geschichte. Diese Aussage hat uns gefesselt und wir haben uns alles über die Religion und die hiesige Gesellschaftsordnung berichten lassen.

Nun sind wir auf dem Weg nach Sona, um in vertrauter Umgebung eine dreimonatige Pause einzulegen. Danach wollen wir in Dai-Nihon-Taikoku -Kaiserreich Japan- weiterforschen. Nach einer Woche Flugzeit nähert sich Aro-23 unserem Raumhafen auf Pakshee, dem Mond von Sona, der Hauptwelt der modernen Menschheit und unserer Heimat.

Nach der Landung werden wir in einen Hangar geschoben. Dort wird man unser Raumschiff gründlich durchchecken bis wir in drei Monaten wieder starten. Mein Pragati -Fortgeschrittener- Vilo Ter und ich, sein Shikshak -Lehrer/Meister- Kee Gung gehen nach dem Verlassen von Aro-23 zum Shuttle-Hangar, setzen uns in eins dieser kleinen Raumschiffe und lassen uns nach Sona bringen. Unser Ziel dort ist Kathor Parishram, das Zentrum unseres Glaubens und der Sitz des Param Gyaata -Obersten Wissenden-.

Am Rande eines Bergpfades steigen wir aus und gehen auf das Kloster zu, während das Shuttle wieder abhebt und mithilfe seiner KI nach Pakshee zurückfliegt. Nach einer halben Stunde Fußweg betreten wir das Kloster auf der anderen Seite einer Brücke über einen reißenden Bergbach. Wir steigen eine Treppe hinauf und betreten einen Aufzug auf dieser Ebene. Damit fahren wir auf die oberste Ebene des Kathor Parishram.

Hier befinden wir uns in einem Vorraum. Ich melde uns bei dem Pragati an, der hier hinter einem Tresen sitzt. Dieser junge Mann nimmt einen Kameitetaar -Kommunikator- in die Hand und meldet uns an. Kurz darauf fährt die Tür vor uns zur Seite und wir können in den Raum sehen, in dem sich zurzeit zehn Gyaan in weißen Roben befinden. Einer der Männer, dessen Robe eine grüne Paspelierung aufweist, erhebt sich und kommt uns einen Schritt entgegen.

Er hebt die Hand und begrüßt uns lächelnd:
„Khoob yijo aur shaanti -Lebet lang und in Frieden-.“

Der Param Gyaata macht eine Gedankenpause. Wir schauen ihn an. Er fährt schließlich fort:
„Die Aro-23 hat während eures durchaus aufschlussreichen Aufenthaltes auf Aitha Funknachrichten von dortigen Wissenschaftlern aufgefangen, die weitere Staatsgebilde entdeckt haben wollen, deren Souverän ein ‚Sohn der Sonne‘ sein soll.
Eines liegt an der Mündung eines großen Flusses in einen See zwischen einer Wüste und einem West-Ost-Gebirge der gleichen Landmasse, an deren östlichem Rand ihr bisher geforscht habt. Das andere liegt in mittleren Bereich einer schmalen Landmasse in Nord-Süd-Richtung.
Ich bitte euch, wenn ihr das nächste Mal Aitha anfliegt, nehmt zwei weitere Gyaan mit dorthin. Dieses Dai-Nihon-Taikoku -japanische Kaiserreich- solltet ihr weiterhin zu zweit erforschen. Zu den anderen Forschungsstätten kann sich je ein Gyaan begeben, der sich dem örtlichen Grabungsleiter unterordnet.
Aro-23 hört mit und schaut zu. Wenn es Probleme gibt, ist es zur Stelle.“

Ich, Shikshak Kee Gung, nicke und frage:
„Weisen Sie mir andere Shikshak für diese Forschungsstätten zu, die sich im Laufe der nächsten Wochen bei mir melden? Oder wird die Akademie mir geeignete Pragati zuweisen?“

Der Param Gyaata nickt lächelnd und erklärt:
„Ich denke, Pragati Ter möchte sich einmal anderweitig beschäftigen, nach so langer Zeit in Zhôngguo und Dai-Nihon-Taikoku. Er darf sich eine der Forschungsstätten auswählen. Für die andere finde ich einen weiteren langjährigen Pragati. Sie werden einen neuen Pragati erhalten, Gung Kêy!“

Nun verbeuge ich mich leicht und gebe ihm damit zu verstehen, dass ich mit der Regelung einverstanden bin. Der Param Gyaata verabschiedet sich nun von uns:

„Sleirep tumhare saath -Die Lebenskraft sei mit euch-!“

Wir geben diesen Abschiedsgruß respektvoll zurück und verlassen rückwärtsgehend den Tagungsraum des Gyaata ka Salaah -Rates der Gyaan- bis die Tür vor unseren Nasen zufährt. Anschließend fahren wir mit dem Aufzug abwärts, gehen die Treppe ins Erdgeschoß hinunter und betreten das Heiligtum. Dort bitten wir die Aatma -Seele- dieses Schreins um eine gute Zukunft und halten unsere Cash-Cards über das Lesegerät.
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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1Mo Apr 15, 2024 9:07 am

Danach verlassen wir das Kathor Parishram. An der Station der Agmos sheré -Einschienenbahn- verabschiede ich mich von Pragati Ter und fahre zu meiner Wohnung. Inzwischen bin ich nach der Zählung auf Aitha fast 74 Jahre alt, dass heißt für uns Sonaer, wir stehen in der Blüte unseres Lebens. Durch unsere Ernährung und die Medizin können wir noch einmal so alt werden, mit Glück sogar noch etwas älter. Das Forschen ist mir dabei wichtiger, als eine Familie zu gründen. Letzteres hat zu viele Probleme emotionaler Art zur Folge.

*

Nachdem meine Zeit in der Akademie vorbei ist, habe ich mich als Pita -Papas- rechte Hand nützlich gemacht. Er und Maan -Mama- wurden von der Hohen Dame Lyaar Yaalay vom Planeten Hathor zu ihren Mitarbeitern ernannt. Auf diese Weise lerne ich, Gorêiya Dil, den Galaktischen Rat kennen und wie das Hohe Gremium arbeitet.

Inzwischen bin ich zwanzig Jahre alt. Maan berichtet mir, dass ein Forschungsteam vom Planeten Aitha zurückgekehrt ist, um ein paar Monate auszuspannen. Das macht mich neugierig. Aitha ist der Stên se Men -Entstehungsort der Menschheit-. Von dort stammt Maan her. Ich gehe also mit meinem Kameitetaar -Kommunikator- ins Archiv und lese mir durch, was Shikshak Gung und der Pragati, der ihn seit Papas Rückzug begleitet, dort erlebt haben.

Nach vielen Tagen des Studiums im Archiv, Pita -Papa- hat sich schon gewundert, dass ich keine Zeit für kleinere Aufträge mehr gehabt habe, frage ich ihn schüchtern:

„Pita, ich habe gelesen, dass Shikshak Gung noch einen Pragati braucht, wenn er nach Aitha zurückfliegt…“

„Ja, das ist richtig,“ bestätigt er mir und schaut mich dabei prüfend an.

„Bitte, Pita, darf ich mit nach Aitha fliegen? Ich möchte sehen, wie es auf Maans Heimatplaneten aussieht. Ich möchte mit den Menschen dort reden und verstehen, warum du dich gerade in Maan verlieben konntest. Und schließlich bin ich Diplomatin und könnte Shikshak Gung gut ergänzen.“

Er nickt verstehend und antwortet:
„Es wäre sicher eine wichtige Erfahrung auf deinem Lebensweg, meine Große. Dabei solltest du aber auch bedenken, dass Maan, Daada und Daadima, die von Aitha stammen, Angst haben werden, dich aufgrund der großen Entfernung nicht mehr wiederzusehen!“

Maan -Mama- ist neugierig hinzugetreten. Ich schaue skeptisch zu ihr auf und erkläre ihr:
„Liebe Maan -Mama-, bitte lass mich als Shikshak Gungs Pragati nach Aitha reisen. Ich möchte den Planeten sehen und mit den Menschen dort sprechen, um meine Wurzeln zu verstehen. Als Diplomatin kann ich Shikshak Gung sicher gut ergänzen.“

Maan setzt sich zu mir, nimmt meine Hand in ihre und schaut mich lange an. Endlich antwortet sie mir:
„Bitte vergiss dort in der Ferne deine Eltern und Großeltern nicht. Versprich mir, dass du mir regelmäßig Nachrichten zukommen lässt, vielleicht sogar mit Bildern!“

„Bilder halte ich nicht für klug, liebste Petno!“ mischt sich Pita mit Falten auf der Stirn ein. „Sie könnten bei dir Heimweh nach Aitha auslösen.“

Ich versuche einen Kompromiss:
„Wenn Maan mich hin und wieder sehen möchte, verstehe ich das, lieber Pita! Lass mich ihr also Portraits senden, keine Landschafts- oder Architekturfotos.“

Pita nickt und gibt sein Einverständnis. Kurz darauf sende ich Gung Kêi meine Anfrage über meinen Kommunikator. Nachdem der ehrenwerte Shikshak auch mit meinen lieben Eltern gesprochen hat, gibt Pita sein Einverständnis.

Wochen später ist der Tag der Abreise gekommen. Ich habe ihn sehnlichst herbeigewünscht und die ehrenwerte Utche Gûen -Hohe Dame- Yaalay lässt es sich nicht nehmen, ein Fest zu meinen Ehren zu veranstalten. Vorher hat mein neuer Shikshak Kee Gung mir eine Datei mit der Sprache zugesandt, die man im Dai-Nihon Teikoku -japanischen Kaiserreich- spricht. Ich habe mich intensiv damit befasst, diese Sprache zu lernen.
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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1Mi Apr 17, 2024 10:05 am

Am Abreisetag begleiten mich meine Eltern und Großeltern zum Kathor Parishram, um im Heiligtum mit mir für eine gute Reise zu beten. Danach treffen wir Shikshak Kee Gung und seinen Pragati Vilo Ter. Ein weiterer Pragati im Alter von Ter Kêi gesellt sich zu uns. Auch er wird die Reise nach Aitha mitmachen.

Wie ich höre, teilen wir uns auf Aitha in drei Arbeitsgruppen auf. Der Gyaata ka Salaah -Rat der Gyaan- hat Shikshak Gung entsprechend beauftragt. Aro-23 wird aus der Umlaufbahn beobachten und eingreifen, wenn es nötig werden sollte.

Als der Shuttle kommt, steigen wir ein und fliegen zum Raumhafen auf Pakshee. Dort bezieht jeder von uns eine Kabine, während Aro-23 mit der künstlichen Intelligenz des Raumhafens die Startfreigabe aushandelt. Aro-23 erhält Zeitpunkt und Abflugrichtung. Als ich die Zentrale betrete befinden wir uns schon im freien Weltraum. Die beiden anderen Pragati haben es sich in ihren Kabinen gemütlich gemacht. Nur während der Essenszeiten treffe ich sie in der Jalapaan -Messe/Speiseraum-.
Shikshak Gung ist der Meinung, dass ich neben dem theoretischen Studium des Japanischen auch praktische Übung brauche. Aus diesem Grund sprechen wir Japanisch miteinander, wenn wir beide alleine sind. Er berichtet:

„Wir haben uns bei unserem ersten Besuch in Dai-Nihon Teikoku -japanischen Kaiserreich- als buddhistische Mönche aus Zhôngguo -China- ausgegeben. Wir waren auch so gekleidet, haben anfangs nur Mandarin gesprochen und konnten so unsere fremdklingenden Namen erklären. Wenn wir in ein paar Tagen zurück sind, brauchen wir für Sie eine neue Identität, Dil Gûen -Frau Dil-.“

Ich schaue meinen Lehrer interessiert an und frage:
„Was schlägt der ehrenwerte Gung Kêi vor?“

„Wir erzählen meinem Yûjin -Freund-, dem Kannushi -Shintô-Priester-, du seiest eine Waise, die sich mir angeschlossen hat, um zu lernen. Dein Name sei Shinzô Suzume. Das ist dein Name Gorêiya Dil ins Japanische übersetzt und in die hier übliche Reihenfolge gebracht. In China und Nippon -Japan- nennt man den Familiennamen zuerst.“

Ich nicke. Shinzô Suzume hört sich gut an.

Nach einer Gedankenpause schaut mich Gung Kêi skeptisch an und meint:
„Sie wissen, dass Sie in eine fremde Kultur eintauchen, Dil Gûen? Bei uns werden Frauen respektiert und geachtet. An unserem Ziel ist das ein wenig anders, daher ist es ganz gut, wenn man denkt, Sie wären so etwas wie meine Adoptivtochter. Wenn man sich in die andere Seite hineindenkt, käme man auf die Idee, dass Sie ein rechtloses Wesen wären, wie ein Stück Vieh. Sie haben zwar gelernt sich zu verteidigen, aber gegen eine Übermacht sind Sie auch hilflos.“

Als mein Shikshak davon spricht, an unserem Ziel wäre ich ein rechtloses Wesen, mache ich große Augen. Er nickt und meint:

„Das gilt übrigens nicht nur für das Dai-Nihon Teikoku -japanischen Kaiserreich-. Auf Aitha schreibt man in den fortschrittlicheren Regionen das Jahr 1873. Überall auf Aitha gilt die Frau als mehr oder weniger rechtlos. Doch zurück zu Nippon: Eine alleinreisende Frau wird bald überfallen und vergewaltigt. Sie befindet sich hier immer in Begleitung mindestens eines Mannes, entweder des Ehemannes oder eines, beziehungsweise mehrerer Leibwächter.“

„Oh, so schlimm?“ keuche ich.

Kee Gung, mein Lehrer, nickt mit ernstem Gesicht. Er berichtet weiter:
„Nehmen wir einmal an, Sie wären Tochter eines Samurai -Ritters-. Sie hätten eine erstklassige schulische Ausbildung erhalten. Ebenso hätten Sie Ausbildung an einer Waffe erhalten. Das hätte ihr Herr Vater angeregt, um aus Ihnen eine gute Partie für die Hochzeit zu machen. Diese Ausbildung hätte ihn eine Menge Geld gekostet. Ab der Pubertät wären Sie schließlich im heiratsfähigen Alter und ihr Herr Vater hätte sich auf die Suche nach einem geeigneten Heiratskandidaten gemacht, vorzugsweise unter anderen Samurais oder sogar Daimyos -Gebietsfürsten-.
Für die mögliche Hochzeit zählt, ob in der anderen Familie ein junger Mann in heiratsfähigem Alter lebt und wie vermögend die andere Familie ist. Dann kommen die beiden Väter zusammen und handeln einen Ehevertrag aus. Kommt es anschließend zur Hochzeit, werden jetzt zwei junge Menschen miteinander verbunden, die sich bis dahin noch nie gesehen haben. Glücklich kann sich schätzen, wenn der junge Mann Sympathie für seine Angetraute empfindet. Im anderen Fall ist sie für ihn nur eine bessere Magd, die zu gehorchen hat. Die sexuellen Zusammenkünfte haben dann den Charakter von Vergewaltigungen, denn die Frau hat keine Rechte.“
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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1Fr Apr 19, 2024 9:40 am

Ich muss mehrfach tief ein- und ausatmen bei der Schilderung meines Lehrers.

„Das gilt ohne Ausnahme?“ frage ich. „Auch in der Gesellschaftsschicht der Bauern und Arbeiter?“

Er nickt und bekräftigt:
„Ohne Ausnahme! Nur dass die Frauen der Unterschicht das Arbeiten gewohnt sind. Sie haben keine Dienstboten und auch meist keine Ausbildung. Eine Ausnahme gibt es wohl: In den Vergnügungsvierteln am Rande der Städte gibt es Oiran -Prostituierte- und Geishas -Künstlerinnen-. Letztere sollen die Männer unterhalten, damit sie warten bis die Oiran Zeit für sie hat. Die Geishas -Künstlerinnen- können auch außerhalb der Vergnügungsviertel für Feiern gebucht werden. Diese Frauen sind hochgeachtet und können mit ihrem Service viel Geld verdienen. Sie tragen Seide und fahren in Rikschas. Ihr Vermögen kann man als sehr hoch einschätzen.“

„Hm,“ mache ich.

Auch wenn die Männer viel Geld zahlen und diese Frauen ein großes Vermögen anhäufen können, ist das kein Leben für mich. Da bin ich doch gerne eine Waise, die die Schülerin eines buddhistischen Mönches geworden ist. Als wir Aitha erreichen, setzt Aro-23 einen der Pragati in einem Grasland in der Nähe einer Stadt ab. Den anderen Pragati setzt Aro-23 in der Nähe eines Flusses ab, der durch eine wüstenhafte Landschaft fließt. Beide haben entsprechende Kleidung angelegt.

Danach fliegt Aro-23 mit Shikshak Kee Gung und mir zu diesem Dai-Nihon Teikoku -japanischen Kaiserreich-. Mein Meister hat seine Mönchsrobe angelegt. Ich trage einen einfachen schmucklosen Kimono aus Baumwolle und darüber eine wollene Haori -Jacke-, die mir bis zu den Oberschenkeln reicht. Zori -Grassandalen- und eine Fellmütze vervollständigen das Bild einer jungen Frau aus der Unterschicht.

Aro-23 öffnet die Rampe und lässt uns in der Nähe einer Stadt aussteigen. Danach startet unser Raumschiff wieder, um in seine Warteposition in der Umlaufbahn um Aitha zu gehen. Wir wandern auf die Stadt zu. Dabei stützen wir uns auf Bou -Wanderstöcke- von 2,5m Länge.

Als wir die Bebauung erreichen erkenne ich, dass das bevorzugte Baumaterial hier Holz ist. Die Häuser sind auch nur zwei Stockwerke hoch und stehen dicht beieinander. So ist die Straße, auf der wir gehen auch nicht sehr breit und staubig. Nach einem Regen müssten wir hier wohl durch Schlamm waten. Im Moment haben wir kaltes und trockenes Wetter. Sicher ist jetzt gerade Winter.

Ich folge meinem Shikshak, den man hier mit ‚Sensei‘ anspricht, wobei man sich ehrerbietig verbeugt. Er geht unbeeindruckt die Straße entlang. Bald erkenne ich über den Dächern der Häuser ein höheres Dach. Wir nähern uns dem Gebäude und ich kann sehen, dass es sich dabei um ein größeres Bauwerk mit Schnitzereien handelt, über das sich ein mehrstöckiger Turm erhebt.

Gung Sensei strebt auf dieses Gebäude zu. Bevor wir es erreichen durchschreiten wir ein rotes Torii -Torbogen-. Danach steigen wir eine kurze Treppe hinauf und betreten den Jingu -Tempel-, der auch Jinja -Schrein- genannt wird.

Gung Sensei hat mich während der fünftägigen Weltraumfahrt grob über den Shintô -Weg der Götter- aufgeklärt. Dabei habe ich viele Parallelen zu unserer heimischen Philosophie feststellen können. Auch wir glauben, dass alles um uns herum – auch wir selbst natürlich – beseelt sind. Genau wie in unserem Heiligtum Kathor Parishram, wird auch hier im Schrein eine bestimmte Aatma -Seele- verehrt. So verwundert es mich nicht, dass Gung Sensei auf den Shintai -Reliquienschrein- zugeht, dort kurz verharrt und anschließend laut sagt:

„Bitte, lass Suzume lange leben.“

Danach klatscht er in die Hände, greift ein dickes Seil aus geflochtenem Stroh und zieht leicht daran. In diesem Moment ertönt über uns ein Glöckchen. Nun wendet er sich einem Schränkchen zu, das nur oben einen schmalen Schlitz aufweist. In diesen Schlitz lässt er ein paar der Geldscheine fallen, die uns Aro-23 hergestellt hat, als die KI auch unsere Ausrüstung gefertigt hat.

Anschließend wendet sich Gung Sensei um und spricht unter einer Verbeugung eine junge Frau an. Sie trägt eine weite knöchellange rote Faltenhose, die Hakama, und ein weißes Oberteil und sieht darin weit besser aus, als ich in meiner groben Kleidung. Er erklärt ihr, dass er den hiesigen Kannushi -Schreinpriester- kennt und ihn gerne besuchen möchte, um ihm unter Freunden seine Aufwartung zu machen.
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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1So Apr 21, 2024 10:19 am

Sie verbeugt sich nun vor ihm und fragt:
„Wen darf ich dem ehrenwerten Sensei -Lehrer- melden?“

Mein Shikshak erklärt es ihr und sie fordert uns auf, ihr zu folgen. Wir steigen eine Treppe hinauf, die sicher in den Turm des Gebäudes führt. Irgendwann heißt sie uns warten und verschwindet hinter einer Schiebetür. Kurz darauf kommt sie wieder hervor und weist mit dem ganzen Arm in den Raum. Dabei verbeugt sie sich wieder.

Gung Sensei betritt an ihr vorbei den Raum und ich folge ihm. In dem Raum befindet sich ein Mann, vielleicht nicht ganz doppelt so alt wie ich. Er trägt eine weiße Robe mit einem schwarzen Hut ohne Krempe. Nachdem sich die junge Frau unter einer Verbeugung zurückgezogen hat, sind wir mit dem Mann allein. Er lächelt uns entgegen, verbeugt sich ebenfalls und bietet uns Platz auf den Tatami -Reisstrohmatten- an. Kurz darauf ist die junge Frau zurück und serviert uns Tee. Gung Sensei und der Kannushi begrüßen sich respektvoll.

Danach fragt der Priester Gung Sensei, nachdem er mich kurz angeschaut hat:
„Was kann ich heute für Sie tun, Gung Sensei?“

„Ich habe meinem Mündel schon viel über den Shintô -Weg der Götter- lehren können, da Sie in der Vergangenheit so freundlich waren mich darüber aufzuklären,“ erklärt mein Shikshak lächelnd. „Nun hat Shinzô-chan die Miko-San im Jinja gesehen und mir Fragen gestellt, die auch mir noch neu sind. Darf sie Ihnen ihre Fragen zu dem Komplex stellen?“

„Yoro konde -Gerne-,“ antwortet der Schreinpriester lächelnd und wendet sich mir zu.

Ich verbeuge mich respektvoll und wende mich an den Kannushi:
„Was kann ich mir unter einer Miko-San -Schreinmagd- vorstellen, ehrwürdiger Shinshoku –‚die für die Kami arbeiten‘-?“

„Wenn du den Miko-San heute beim Dienst zuschaust, stellst du fest, dass sie als Verkäuferinnen von Amuletten und anderen religiösen Gegenständen arbeiten. Daneben assistieren sie dem Kannushi bei religiösen Zeremonien, wie Hochzeiten und anderen. Auf religiösen Festen führen sie den Miko-Mai vor, einen Tanz zu Ehren der Kami. Zu anderen Zeiten reinigen sie den Jinja und helfen bei der Verwaltung des Schreins.“

Der Kannushi -Schreinpriester- macht eine kleine Pause und beobachtet mich. Ich nicke und frage:
„Ja, das habe ich gesehen. Sie fungieren wohl auch als Führerin, beziehungsweise direkte Ansprechpartnerin für die Gläubigen. Aber ist das schon immer so gewesen?“

Der Kannushi hebt seine rechte Hand und wedelt damit kurz vor seiner unteren Gesichtshälfte. Die Gestik der Leute hier muss ich mir unbedingt einprägen, um sie zu verstehen. Mein Gegenüber erklärt mir nun:

„Die Miko -Gotteskind- hat im Laufe der Jahrtausende einen Bedeutungswandel erfahren. Zuerst ist sie die Schamanin eines Clans gewesen. Sie hat sich in Trance versetzt und ihren Clanmitgliedern Antworten auf Fragen des täglichen Lebens gegeben. Nachdem man damit begonnen hat erste Schreine zu bauen, hat man die Miko als Schreinpriesterin eingesetzt. Von dieser Zeit an bildeten sich mehr und mehr die heutigen Aufgaben der Miko heraus, als Schrein-Mitarbeiterin. Die Miko rekrutieren sich hauptsächlich von den Töchtern der Schreinpriester oder interessierte junge Frauen, die für kurze Zeit Miko sein möchten.“
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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1Di Apr 23, 2024 10:17 am

„Also könnte auch ich mein Interesse bekunden und ein paar Jahre als Miko arbeiten?“ frage ich interessiert.

Der Kannushi nickt lächelnd und bestätigt:
„Hai, hai -Ja, ja-!“

Nun schaue ich zu Gung Sensei. Er lächelt mich an und fragt:
„Du möchtest diese Erfahrung machen, Shinzô-chan?“

Nun beuge ich meinen Oberkörper in seine Richtung. Gung Sensei schaut den Kannushi an und fragt:
„Eine Miko-San genießt den Respekt auch der waffentragenden Bevölkerung? Sie bleibt während ihres Dienstes als Miko -Schreinmagd- körperlich unversehrt?“

Der Kannushi nickt und erklärt:
„Ein Mann, der es gegenüber einer Miko an Achtung und Respekt vermissen lässt, begeht eine Sünde vor den Göttern!“

Gung Sensei sagt daraufhin:
„Gut, dann soll Shinzô-chan gerne ein paar Jahre dem Kami dieses Schreins dienen dürfen.“

*

Ich habe eine Initiation mitgemacht und man hat mir die Kleidung einer Miko -Gotteskind- zum Ankleiden gegeben. Mein schönes langes Haar habe ich zu einem Pferdeschwanz gebunden und rote und weiße Bänder hineingearbeitet. Anschließend hat man mir einen Reisigbesen gegeben, bestehend aus einem Bambusstab und vielen dünnen biegsamen Zweigen daran. Damit soll ich den Außen- und Innenbereich des Jinja grob sauber halten.

Wenige Monate später nähert sich ein hohes Fest im Shintô. Der Schrein erwartet eine hohe Besucherzahl. Jetzt werde ich dazu eingeteilt, den Miko-Mai zu üben, damit ich den Tanz zu Ehren der Kami beherrsche, wenn wir ihn auf dem Fest mehrmals aufführen.

Eines Tages hat mich die Miko, die die Aufsicht führt, mit einer anderen Miko zum Markt gesandt Lebensmittel und Ton einzukaufen. Sie hat uns einen Beutel Ryô -alte Währungseinheit- mitgegeben. Wir ziehen einen zweirädrigen Wagen und passieren auf unserem Weg einen ehrwürdigen alten Mann, der am Straßenrand sitzt. Wir verbeugen uns respektvoll im Vorbeigehen.

Der alte Mann erhebt sich lächelnd und verbeugt sich ebenfalls. Danach spricht er uns an:
„Ohayo gozaimaso -Guten Morgen-, junge Priesterinnen. Wo wollt ihr denn hin?“

„Wir müssen zum Markt,“ antworte ich. „Lebensmittel einkaufen für unseren Schrein.“

„Aha, ich bin froh, dass ihr Priester noch Geld für Lebensmittel habt in diesen schlechten Zeiten!“ antwortet er. „Aber ich habe vorhin gehört, dass an der Hauptstraße Banditen lauern. Tja, es wäre vielleicht besser, wenn ihr die Nebenstraße nehmen würdet.“

Ich verbeuge mich und erwidere:

„Danke, Ehrwürdiger. Wir werden Ihren Rat befolgen.“

Während er sich wieder an den Straßenrand setzt, lacht er. Wir nehmen die Deichseln auf und ziehen den Wagen weiter. Dieser Weg führt durch ein Buschwerk. Plötzlich sind wir von fünf Banditen umringt, die auf uns einschlagen. Ich drücke auf meinen ‚Taschen-Projektor‘, den ich wie ein Amulett um den Hals trage und rufe:

„Aufhören! Aufhören, wir sind aus dem Jinja -Schrein-!“

Damit wird ein Notruf ausgelöst, der Aro-23 erreicht. Dort im Raum hinter der Rampe steht ein Roboter bereit, der mit einer Samurai-Rüstung verkleidet worden ist. Während sich meine Dôriô -Kollegin- angstvoll niederkauert und die Hände über den Kopf hält, will ich unsere Haut so teuer wie möglich verkaufen.
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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1Do Apr 25, 2024 9:49 am

Ich schaffe es mittels unserer Selbstverteidigungstechnik gerade, zwei der Angreifer zu entwaffnen und zurückzuwerfen, als alle Fünf nun über mich kommen. In diesem Moment ist Aro-23 heran. Unser Raumschiff beherzigt die Maßgabe, nicht selbst in Erscheinung zu treten. Es hat den Roboter hinter einem Sichtschutz ausgeladen und ist wieder aufgestiegen.

Der Roboter in seiner Verkleidung als Samurai ist heran und befreit uns von den Banditen. Alle Männer liegen bewusstlos am Boden. Einige haben tiefe Fleischwunden von dem kurzen Kampf davongetragen. Wir versorgen die Wunden der Angreifer und ziehen den Wagen danach weiter auf den Markt zu, um unseren Auftrag auszuführen, während der Roboter an unserer Seite bleibt. Die Leute verbeugen sich respektvoll vor dem ‚Samurai‘.

Auf dem Weg zurück zum Jinja begleitet uns der Samurai-Roboter noch eine Weile. Wir behalten den üblichen Weg über die Hauptstraße bei. Der alte Mann, der uns den falschen Rat gegeben hat, ist verschwunden. Hier verlässt uns der Roboter-Samurai ebenfalls. Ich bedanke mich mit einer Verbeugung bei ihm:

„Subete ni kasha shimasu, Okyaku-Sama. Soshite korekara mo ganbatte kudasai -Vielen Dank für alles, hoher Herr. Und viel Glück auf Ihrem weiteren Weg-!“

Als wir alleine sind, kann meine Dôriô -Kollegin- nicht mehr an sich halten. Ihr Herz läuft über, so dass sie mich fragt:

„Was ist eigentlich alles geschehen heute? Wir sind überfallen worden. Während ich am liebsten vor Angst im Boden versinken wollte, hast du uns verteidigt. Aber es waren zu viele Banditen! Da taucht rechtzeitig ein hoher Herr auf und kämpft die Banditen für uns nieder. Anschließend hast du deren Wunden versorgt und dann sind wir weitergegangen, als wäre nichts passiert!“

Ich lächele sie an und antworte ihr:
„Der ehrenwerte Gung Sensei hat mir in den vergangenen Jahren die waffenlose Selbstverteidigung beigebracht. Leider waren es tatsächlich zu viele Banditen! Aber wir hatten ja Glück, dass ein hoher Herr des Weges kam. Er hat sicher das Kampfgetümmel gehört und blitzartig erfasst, dass sich zwei Frauen gegen fünf bewaffnete Männer erwehren mussten. Also hat er sich auf unsere Seite gestellt und die Männer besiegt. Ich werde den hohen Herrn in mein Gebet zum Kami einbeziehen!“

Sie nickt. Bald darauf erreichen wir den Jinja und sollen unsere schmutzige Kleidung austauschen.
Als Wochen später eine andere Miko krank wird, darf ich bei einer Shintô-Hochzeit assistieren. Im Warteraum sind mehrere Paare und deren Elternpaare anwesend. Ich habe die Paare nach dem Familiennamen des Mannes gefragt und in der Reihenfolge ihres Eintreffens in eine Liste eingetragen.

Dann darf ich die Hochzeiter der Reihenfolge nach aufrufen und zum Kannushi führen. Dieser führt alles Weitere mit den Paaren durch. Dazwischen bin ich bei mehreren Feuerbestattungen nach Shintô-Ritus dabei. Darüber sind mehrere Jahre auf Aitha vergangen. Gung-Sensei hält den Kontakt zu mir, indem er mich regelmäßig im Jinja besucht. Ich spreche dann Tondateien auf meinen Kameitetaar -Kommunikator- die Aro-23 je nachdem an das Archiv der Gyaan sendet oder an Maan -Mama-.

Schließlich diene ich schon mehr als drei Jahre als Miko im Schrein. Gung Sensei hat Aro-23 beauftragt, allein nach Pakshee zurückzufliegen, dort eine Anzahl Kräuterpflanzen aufzunehmen und nach Aitha zu bringen. Ich habe mich entschlossen, nach dem Ende meiner Zeit im Jinja, mein grobes Gewand wieder anzuziehen und eine Parzelle Land zu erwerben.

Dort will ich Bambus anbauen, um die Bambussprossen als Nahrungsmittel für den Markt zu gewinnen. Gleichzeitig will ich versuchen, die Kräuterpflanzen an die Bedingungen auf Aitha anzupassen und sie zu Mahlzeiten hinzu zu geben. Auch lasse ich die hohen Bambuspflanzen fällen, wenn die Zwischenräume eine Elle lang geworden sind. Aus den Knoten lasse ich Tiegel fertigen, die mit Wachspapier verschlossen werden können und der Rest wird gespalten und zu Dachschindeln verarbeitet. Dazu habe ich Landarbeiter angeworben, die ich vom erwirtschafteten Geld auch bezahlen muss.
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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1Sa Apr 27, 2024 10:12 am

Ich bringe auf diese Weise eine Menge unterschiedlicher Ware auf den Markt. Für die Tiegel stelle ich mit Fett und den Kräutern eine Paste her, die wir Frauen auf Sona zur Glättung der Haut verwenden. Ich verschenke meine ersten Versuche an die älteren Marktfrauen und sehe bald, dass sie um Jahre jünger aussehen. Meine Rezeptur funktioniert also auch mit Inhaltsstoffen von Aitha.

Schließlich eröffne ich auch noch eine Garküche auf dem Markt. Hier verkaufe ich gesunde Speisen nach Rezepten von Sona. Die Marktfrauen werden bald meine Freundinnen und wir unterhalten uns noch auf Jahre hinaus über alles Mögliche. Sie erreichen im Laufe ihres Lebens sämtlich die 100 Lebensjahre. Einige meiner Freundinnen werden sogar noch älter – und dank meiner Salbe sieht man ihnen ihr Alter nur selten an.

Gung Sensei ist weiterhin als Wandermönch unterwegs. Immer wieder besucht er den Jinja, kehrt aber auch bei mir ein. Etwa zehn Jahre nach meinem Beginn als Bäuerin auf Aitha begegnet mir ein Mann, kaum jünger als ich, zu dem ich sogleich Sympathie fühle. Er arbeitet als Landarbeiter auf dem Hof seiner Eltern, den ein älterer Bruder irgendwann erben wird.

Tanaka-San -Herr ‚Reisfeld Mitte‘- scheint mich auch zu mögen. Wir prüfen uns zwei Jahre lang. Ich will schon die Verbindung lösen, als er mir endlich die entscheidende Frage stellt:

„Anata no na o oshiete moraemasu ka -Darf ich deinen Vornamen erfahren-?“

Das kommt in Nippon einem Heiratsantrag gleich. Ich nicke erfreut, stelle ihm jedoch eine Bedingung:
„Versprichst du mir, dein ganzes Leben lang auf mich zu achten und mich mit aller Kraft zu beschützen?“

Er atmet erleichtert aus und verspricht es mir beim Kami seiner Familie. Nun antworte ich ihm:
„Watashi ha Suzume desu -Mein Name ist Suzume-.“

Damit habe ich seinen Antrag bestätigt. Nun nennt er mir auch seinen Vornamen. Er heißt Kuro -neunter Sohn-. Ich informiere auch Gung Sensei über den Stand der Dinge. Danach gehen wir zur Yuino, der Verlobungszeremonie, zu seinen Eltern. Tanaka-San und Gung-Sensei sind sich bald einig und einige Wochen später wird die Shinto kekkonshiki -Shinto-Hochzeit- gefeiert.

Nun heiße ich Tanaka Suzume. Die Knechte auf meinem Bauernhof haben einen neuen Herrn, nämlich Tanaka Kuro, aber in meiner Hand laufen die finanziellen Fäden zusammen. Tanaka Kuro lässt mich gewähren, denn des Abends bin ich nicht mehr die Chefin des Bauernhofes, sondern seine liebende Ehefrau. Ich biete ihm Entspannung nach einem stressigen Arbeitstag.

Durch die Arbeit auf dem Bauernhof bei der Kreation neuer Tinkturen und Rezepten und den Verkauf auf dem Markt, habe ich wenig Zeit mich um die große Politik zu kümmern. Obwohl mein Steckenpferd immer noch die Diplomatie ist. So bekomme ich nur am Rande durch die Gespräche mit den anderen Marktfrauen mit, dass das Kaiserreich expandiert. Königreiche und Provinzen eines anderen Kaiserreiches werden zu Provinzen Nippons.

Als ein großer Krieg ausbricht, bin ich 51 Jahre alt. Er endet vier Jahre später als ich 55 Jahre alt bin. Die Zeiten in der großen Politik bleiben unruhig. Wieder bricht ein weltumspannender Krieg aus. Da bin ich 82 Jahre alt. Gung Sensei ist in diesem Jahr 145 Jahre alt und schwach geworden. Ich sende ihn mit Aro-23 nach Sona zurück, damit er in der Heimat sterben kann. Seine beiden Pragati -Fortgeschrittenen- sind bei einem ihrer Urlaube in der Heimat inzwischen zu Shikshak ernannt worden. Sie sind auch schon um die 90 Jahre alt und begleiten Gung Sensei auf der Aro-23 nachhause.

Dieser zweite planetenumspannende Krieg tobt sechs Jahre lang und fordert hunderte von Millionen Todesopfern. Ab dem dritten Kriegsjahr wendet sich für das Dai-Nihon Teikoku -japanische Kaiserreich- das Kriegsglück und wir müssen uns gegen fremde Flugzeuge schützen. Im sechsten Kriegsjahr wirft der Gegner zwei mokushiroku-tekina Bakudan -apokalyptische Bomben- über Nippon -Japan- ab. Danach ist der Krieg vorbei. Das kaiserliche Militär kapituliert.
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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1Mo Apr 29, 2024 9:47 am

Das Ereignis erinnert mich sogleich an die Geschichte Aithas vor 200.000 Jahren. So etwas darf sich nicht wiederholen! Zum Glück hat der Gegner selbst Skrupel, als sie die verheerende Wirkung der Sprengkörper vor Augen haben.

Nun bin ich 86 Jahre alt. Ich habe ein erfülltes Leben geführt. Mehrere Kinder und zwei Hände voll Enkel bilden meine Familie. Tanaka Kuro ist zu Beginn des großen Krieges im Alter von 87 Jahren verstorben. Ich lege den Anbau der Bambuspflanzen und die Herstellung der Dachschindeln und Creme-Tiegel in die Hände meines ältesten Sohnes. Die Garküche und den großen Fundus an Rezepten erhält der zweitälteste in seine Verantwortung und die Produktion der Hautcremes der drittälteste.

Da wir immer sparsam gelebt haben, verfüge ich über eine große Menge finanzieller Mittel. Damit reise ich in die USA. Meine Enkelin, die 22jährige Tanaka Sakura -Kirschblüte- begleitet mich auf dem Flug über den großen Ozean mit Zwischenstopp auf Hawaii. Ich will in den USA studieren und meinen Doctor in Politics machen, um dann in die Hauptstadt zu gehen.

Als ich endlich soweit bin, habe ich mein 93. Lebensjahr erreicht. In der Zwischenzeit haben die Staaten auf Aitha in der Stadt New York die Vereinten Nationen gegründet. Also gehe ich dorthin und bewerbe mich für eine Position in dieser Organisation. Sakura-chan erklärt mir, ich solle mich für die Bewerbung um vierzig Jahre jünger machen. Also ändere ich meinen Lebenslauf so, dass ich 53 Jahre alt bin. Im Vergleich mit vielen Amerikanerinnen dieses Alters kann ich durchaus mithalten und niemand muss wissen, dass ich von außerhalb komme.

In diese Zeit schicken die USA und die UdSSR Satelliten in die Umlaufbahn um Aitha. Die Menschen bauen Weltraumteleskope, um die nähere Umgebung von Aitha zu beobachten. Also sende ich Aro-23 zwischen die Trojaner, das sind kleinere Asteroiden auf der Erdumlaufbahn. Dort kann es sich ganz gut verstecken.

Während des letzten Besuches auf Sona, als Gung Kêi und seine beiden Pragati dorthin zurückgeflogen sind, haben sie Aro-23 einen Anstrich auftragen lassen, der das Raumschiff gegen RADAR unsichtbar macht. Die auftreffenden RADAR-Strahlen werden gestreut, statt zum Sender zurückgeworfen zu werden.

Nun habe ich meine Enkelin Tanaka Sakura beauftragt:
„Packe diesmal auch einen Koffer für dich, Dârin -Liebes-!“

Sie schaut mich interessiert an. Ich nicke ihr lächelnd zu und erkläre ihr:
„Ich möchte dir deine Wurzeln zeigen, damit du weißt, warum ich im hohen Alter noch einmal studiert habe.“

Wir lassen uns am Abend mit einem Cab aus New York herausfahren. Als die Felder beginnen bedeute ich dem Fahrer anzuhalten. Er hilft uns mit den Koffern, wendet auf der Straße und fährt in die Stadt zurück.

Sakura-chan schaut sich um und fragt verständnisheischend:
„Was machen wir hier? Hier ist doch weit und breit keine Farm…“

Der Mond steht bleich am Himmel. Ich fordere Sakura-chan auf, sich ein wenig in Geduld zu üben. Plötzlich erhebt sich ein Wind. Ich weiß, dass es der Fahrtwind von Aro-23 ist, der in unserer Nähe gestoppt hat. Die Atmosphärenteilchen haben allerdings ein gewisses Beharrungsmoment, und das stellen wir als Fahrtwind fest.

Dann entsteht über dem Gras am Straßenrand ein Lichtspalt, der schnell breiter wird. Eine Rampe wird erkennbar. Ich lächele Sakura-chan an und fordere sie auf, mir zu folgen. Dann steige ich die schräge Fläche hinauf. Meine Enkelin folgt mir schnell und greift nach meinem Koffer, damit ich nicht mit der Last stolpere und mich verletze.

Oben angekommen schaut sich Sakura-chan skeptisch um, als sich die Rampe schließt. Ich nicke ihr aufmunternd zu und fordere sie auf:

„Lass die Koffer hier stehen! Wir holen sie später ab.“
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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1Mi Mai 01, 2024 11:20 am

Danach führe ich meine Enkelin in die Zentrale. Wie von Zauberhand öffnen sich vor uns Schiebetüren. Dann stehen wir in einem Raum, an dessen Stirnwand sich Monitore befinden, vor denen ein Pult mit vielen Knöpfen und Schaltern befestigt ist. Vier Sessel stehen im Raum.

Ich gehe nach vorne zu den Sesseln des Piloten und Copiloten. Dort fordere ich Sakura-chan auf sich neben mich zu setzen, während ich auf dem Sessel des Kommandanten Platz nehme. In diesem Moment ertönt eine Stimme im Raum:

„Uêrais Dil Guên -Verehrte Frau Dil-, welches ist ihr Ziel?“

„Der Raumhafen auf Pakshee!“

„Verstanden!“

Nun bewegt sich das Bild auf den Monitoren. Bald kann man den halben Planeten erkennen, da Sâu -Sonne- beinahe in einem rechten Winkel zur Flugrichtung steht.

„Was ist das?“ fragt meine Enkelin mit Falten auf der Stirn.

Ich wende mich zu ihr und antworte mit Verständnisfragen:
„Du weißt doch, was Flugzeuge sind? Und du hast sicher schon von Raketen gehört, die Satelliten in die Erdumlaufbahn bringen?“

„Ja?“ antwortet sie fragend.

„Nun stelle dir einmal vor, es gäbe schon Raketen, die bemannte Raumschiffe in den Weltraum bringen…“

„Du willst damit sagen, dass wir Außerirdische sind?“ fragt Sakura-chan atemlos.

Statt ihr zu antworten, sage ich in den Raum:
„Aro-23.“

„Kommandant?“

„Spiele uns die Tondatei aus deinem Archiv vor, die von der Flucht von der Erde handelt!“

Die künstliche Stimme des Bordrechners ertönt nun aus den Lautsprechern des Monitors vor uns und Bilder werden gezeigt, die schon sehr alt sein müssen. Aro-23 ersetzt beim Vortrag die Namen der Himmelskörper gegen die heute auf Aitha gebräuchlichen:

„Vor 204.242 Jahren ist es zu einer großen Flucht von der Erde gekommen. Kurz vorher haben sich die Herrscher über die einzelnen Kontinente in einem planetenumspannenden Krieg über Jahrzehnte bekämpft. Jeder wollte der Oberste Herrscher sein. Als einer der Kriegsherren eine Atomrakete abgeschossen hat, haben die anderen dies ebenfalls getan. Dafür war ja nur ein Knopfdruck nötig.
Alle fünf Hauptstädte verwandelten sich in strahlende Trümmerwüsten. Die Menschen, die entfernt von den Hauptstädten lebten, haben sich in einer großen Anzahl Raumschiffen auf den Weg gemacht andere Planeten in der Galaxis zu finden und zu besiedeln. Die damaligen Raumschiffe wurden ‚Schläferschiffe‘ genannt, weil die Passagiere für die Dauer des Fluges in einen Stillstand aller Körperfunktionen versetzt wurden. Solch ein Flug mit Unterlichtgeschwindigkeit konnte mehrere hundert Jahre in Anspruch nehmen.
Sie erreichten und kolonisierten fünf Planeten, von wo sich die Menschheit über die Galaxis verbreitete und mit anderen Zivilisationen Handel und Wissenstransfer betrieb. Darüber vergaß die Menschheit ihre Herkunft von der Erde.
Doch zuvor musste erst der Überlicht-Antrieb entwickelt werden. Vor 31.888 Jahren war es endlich soweit. Auf Sona wurde ein Antrieb entwickelt, der das Raumschiff in einer Blase durch den Weltraum zog, indem er hinter dem Raumschiff eine Stauwelle der Raumzeit erzeugte. Zuerst kam man damit schnell innerhalb des Systems voran. Verbesserungen wurden nötig.
Vor 25.874 Jahren gelang der erste Überlichtflug. Infolgedessen begegneten die Menschen noch anderen raumfahrenden Spezies in der Galaxis. Den Raumschiffen der ‚Wissenden‘ gelang es, immer wieder friedliche Kontakte zu knüpfen, Streit frühzeitig zu schlichten und fruchtbaren Handel miteinander zu fördern. Für menschliche Besiedelung geeignete Planeten wurden entdeckt und der Mensch verbreitete sich weiter.“

Wir sitzen mehrere Minuten stumm da. Ich lasse Sakura-chan das Gehörte gedanklich verarbeiten. Dann lege ich meine Hand auf ihre und erkläre:

„So gesehen sind wir Außerirdische, wenn wir auch Erbanlagen von zwei Planeten in uns tragen. Wir sind zur Hälfte heutige Menschen von der Erde und zur anderen Hälfte Nachkommen von Menschen, die früher einmal auf der Erde gelebt haben, aber vor dem nuklearen Inferno geflohen sind. Wir Außerirdische haben nicht geglaubt, dass ein Mensch die nuklearen Explosionen überlebt haben konnte. Darum ist die Erde, seit ihrer zufälligen Wiederentdeckung, ein interessantes Forschungsobjekt für uns.“
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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1Fr Mai 03, 2024 9:51 am

Aro-23 unterbricht mich:
„Kommandant, ich schalte jetzt den Warp-Antrieb hinzu. Kurs Sona liegt an!“

„Okay!“ bestätige ich.

Die Lichtpunkte auf dem Bildschirm vor uns bewegen sich in großer Geschwindigkeit zum Bildschirmrand. Neue Lichtpunkte tauchen in der Bildschirmmitte auf und machen die Bewegung mit.

„Wir fliegen jetzt also zu deinem Heimatplaneten, wo ebenfalls Menschen siedeln,“ resümiert Sakura-chan. „Aber wer fliegt denn nun das Raumschiff?“

„Das ist der Bordcomputer, Dârin -Liebes-. Daher könnte jedes Kleinkind so ein Raumschiff fliegen, wenn der Computer nur die richtigen Befehle erhält.“

„Hm,“ macht sie.

Ich nicke ihr aufmunternd zu und meine:
„Komm, wir kümmern uns erst einmal um unsere Koffer. Hier in der Zentrale werden wir nicht gebraucht.“

Nun erhebe ich mich aus dem Sessel und mache einen Schritt zurück. Sakura-chan macht ein skeptisches Gesicht, steht aber ebenfalls auf und folgt mir aus der Zentrale. Wir gehen dorthin, wo wir unsere Koffer zurückgelassen haben und danach zeige ich ihr die Kabinen.

Vor einer Kabine angekommen, drücke ich auf eine markierte Fläche neben der Tür. Sie fährt auf und gibt den Blick ins Innere frei. Ich trete ein und Sakura-chan folgt mir mit den Koffern. Rechter Hand erkennt sie eine Reihe von Schiebetüren wie in Nippon. Links ist ein Bett eingebaut und dahinter gibt es eine weitere Schiebetür in der Seitenwand. An der hinteren Wand hängt ein großer Monitor und davor steht ein fahrbarer Sessel.

Nun drücke ich sanft mit der Hand an eine der rechten Schiebetüren. Sie fährt zur Seite und gibt eine Kleiderstange mit Kleiderbügeln frei. Ich wende mich an meine Enkelin:

„Wenn du magst, ist dies hier deine Kabine. Die Kabinen sehen an Bord alle gleich aus.“

Sie lächelt und nickt mir zu. Danach hebt sie ihren Koffer auf das Bett, öffnet ihn und runzelt die Stirn. Sie fragt mich:

„Wo soll ich meine Dessous hinlegen?“

„Die kannst du hier platzieren,“ erkläre ich ihr und öffne die nächste Schranktür.

Statt Regale und Schubläden präsentieren sich ihr dahinter Körbe, die an der Rückwand befestigt sind. Ich erkläre ihr:

„Während du schläfst, werden die Körbe und Kleiderstangen eine Ebene unter uns verbracht. Dort wird die Kleidung gewaschen, getrocknet und gebügelt, wenn nötig. Am Morgen nachdem du aufgewacht bist, hast du immer saubere Kleidung. Aber bitte, geh nie neugierig in den Schrank und zieh die Tür hinter dir zu. Das könnte zu Verletzungen führen!“

Als sie den Inhalt ihres Koffers in den Schrank geräumt hat, zeige ich ihr noch, wohin die Tür in der gegenüberliegenden Kabinenwand führt. Ich öffne sie und fordere sie auf:

„Schau mal, Dârin -Liebes-.“

Nun zeige ich ihr den Hygiene-Raum und erkläre ihr die Funktionen der vielen Tasten an der Toilette. Danach verlasse ich die Kabine und öffne der Einfachheit halber die Kabine direkt daneben. Sakura-chan folgt mir, meinen Koffer schiebend. Ich öffne die Schranktüren und meine Enkelin hilft mir, den Inhalt meines Koffers in den Schrank zu räumen. Bei einem Kleidungsstück stutzt sie.

„Trägt man das in deiner Heimat?“ fragt sie.

Sie hat meine Robe in der Hand, die mich als Gyaan -Wissende- ausweist. Ich nicke ihr lächelnd zu und erkläre ihr:

„Das ist mein Zeremonialgewand, das mich als ‚Wissende‘ ausweist.“

Sie meint: „Okay.“

Als wir meinen Koffer ausgeräumt haben, fordere ich sie auf:
„Setz dich, Dârin.“

Danach erkläre ich ihr:
„In meiner Heimat verteilen sich die Menschen auf drei Bevölkerungsschichten. Die Unterste ist die der Bauern und Arbeiter. Darüber stehen die Händler, Firmenchefs und Politiker. Und an oberster Stelle, was das Ansehen angeht, stehen die Gyaan -Wissenden-. Die Wissenden halten sich allerdings aus dem Tagesgeschäft heraus, es sei denn sie werden um einen Rat gefragt. Das ist allerdings nicht zementiert, wie die Kasten auf dem indischen Subkontinent, sondern jeder aus den unteren Bevölkerungsschichten hat die Möglichkeit aufzusteigen.“

„Oh,“ macht sie und schaut mich mit großen Augen an. „Bin ich dann auch eine… Wie hast du das gesagt?... Eine Gyaan?“
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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1So Mai 05, 2024 10:50 am

Ich lächele sie milde an und antworte:
„Deine Urgroßmutter wurde erst durch Heirat eine Gyaan. Bis dahin gehörte sie, wie auch ihre Eltern, der untersten Bevölkerungsschicht an. Sie und ihre Eltern sind auf der Erde geboren, oder wie wir sagen ‚auf Aitha‘. Aufgrund deines Hintergrundes aus dem Dai-Nihon Teikoku -japanischen Kaiserreich-, ordne ich dich in die mittlere Bevölkerungsschicht ein, die der Händler.“

„Und wie ist ein Mitglied dieser Bevölkerungsschicht gekleidet?“ fragt sie mich nun.

Dann aber fällt ihr etwas auf und sie fragt mit großen Augen:
„Meine Urgroßmutter, also deine Mutter, und deren Eltern stammen auch von der Erde?“

Ich nicke lächelnd und korrigiere sie mit sanfter Stimme:
„Von Aitha! Ja, dein Urgroßvater, ein Gyaan von Sona, hat deine Urgroßmutter bei seinem ersten Einsatz auf Aitha kennen und lieben gelernt. Aus dieser Verbindung bin ich entstanden. Ich bin also gewissermaßen ein Mischling.“

Sie nickt nur und sieht sehr nachdenklich aus. Ich lasse sie die Information eine Weile verarbeiten, dann erkläre ich:

„Du siehst also, Außerirdische müssen nicht zwangsläufig Monster sein, die den Menschen auf der Erde gegenüber feindlich gesinnt sind.“

Noch einmal nickt sie und schaut mich dann direkt an. Sie fragt:
„Wo fliegen wir eigentlich hin? Wo liegt dieses Sona und wie lange sind wir dorthin unterwegs?“

„Wir überbrücken etwa 8400 Lichtjahre und brauchen dafür mit unserem heutigen Antrieb fünf Tage. In dieser Zeit kannst du Filme auf dem Monitor schauen oder E-Books lesen. Wir speisen gut und lassen es uns ganz allgemein gut gehen.“

Ich zeige Sakura-chan, wie man die Fernbedienung für den Monitor bedient und sich Filme aus dem Archiv auswählt. Dann nehme ich ein E-Book vom Regal am Kopfende des Bettes, starte es und scrolle die Titelliste entlang, während ich ihr erkläre was ich mache.

Dabei sage ich wieder „Aro-23“ in den Raum. Die künstliche Intelligenz meldet sich sofort:
„Kommandant?“

„Du wirst alle angewählten Filme und E-Books auf Japanisch übersetzen, bevor du sie Tanaka Sakura anzeigst!“

„Wird gemacht, Kommandant!“

Ich wende mich wieder meiner Enkelin zu und meine:
„Es wäre sicher nicht schlecht, wenn du einen Teil deiner Zeit mit dem Studium von Meroiti verbringst. Fünf Tage sind dafür wohl ein wenig kurz. Aber bestimmte wiederkehrende Sätze auf Meroiti könntest du dir schon einmal einprägen, Dârin -Liebes-.“

„Meroiti ist die Sprache, die man in Sona spricht?“ fragt sie zurück.

Ich nicke und antworte:
„Diese Sprache spricht man galaxisweit unter den Menschen, auch wenn auf den Planeten hier und da ein anderes Idiom gesprochen wird.“

„Oh!“ macht sie nun.

„So,“ sage ich nach einer weiteren Gedankenpause. „Du hast sicher auch Hunger. Wir werden also schauen, was der Speiseraum bietet.“

Während ich das sage, erhebe ich mich und strecke Sakura-chan meine Hände entgegen. Sie steht aus dem Sessel auf und folgt mir aus der Kabine. Ich führe meine Enkelin nun geradewegs in den Speiseraum des Raumschiffes. Dort zeige ich ihr die Automatik und erkläre ihr:

„Dies ist die Küchenautomatik. In Abhängigkeit zu den Vorräten zeigt sie uns mögliche Speisen an.“

Ich führe Sakura-chan näher an den Glaskasten mit dem Bedienfeld im unteren Bereich heran. Von der Automatik lasse ich mir nun die Speisen anzeigen, die sie mit den vorhandenen Vorräten herstellen kann. Während ich über den Bildschirm scrolle, frage ich meine Enkelin:

„Was magst du heute essen?“

Sie lässt mich eine Weile scrollen, dann fragt sie:
„Kannst du bitte ein Stück zurückscrollen?“
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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1Di Mai 07, 2024 10:50 am

Ich antworte ihr „Gerne“ und lasse die Anzeige ein Stück zurücklaufen. Sakura-chan sagt irgendwo „Stop!“

Ich markiere das Menü zweimal und markiere noch zwei Glas Tee. Danach starte ich die Automatik und fordere meine Enkelin auf:

„Komm, nehmen wir schon einmal Platz.“

Wir gehen zu den Tischen und setzen uns. Ich erkläre ihr:
„Wenn die Küchenautomatik die Zubereitung abgeschlossen hat, hören wir einen hellen Ton und wir können uns die fertigen Menüs holen gehen. Diese Küchenautomatik ist Standard auf Sona. Man muss sie halt von Zeit zu Zeit mit neuen Lebensmitteln auffüllen.“

„Das kann ich verstehen,“ antwortet sie mir.

Nachdem wir etwa eine Viertelstunde gewartet haben, hören wir ein ‚Ping‘. Ich erhebe mich und Sakura-chan folgt mir neugierig. An der Automatik hebe ich die Glastür an und will das Tablett mit den beiden Schalen und den Gläsern in die Hand nehmen. Meine Enkelin meint:

„Bitte lass mich, yuisyo aru sobo -ehrwürdige Großmutter-.“

Also mache ich ein Schritt zur Seite, lasse Sakura-chan das Tablett aufnehmen und zum Tisch balancieren. Hinter ihr fährt die Scheibe vor der Automatik selbsttätig wieder herunter.

Am Tisch verteilt sie die Menüs und Getränke, und wünscht mir „Guten Appetit“. Wir setzen uns und ich hebe die Stäbchen von der Abdeckung der Schalen. Danach hebe ich die Abdeckung ab und stelle meine Schale darauf. Nun beginne ich zu essen. Sakura-chan macht mich nach und fragt dann interessiert:

„Wird in Sona auch mit Stäbchen gegessen?“  

Ich lächele und erkläre ihr:
„Vor Hunderttausenden von Jahren hat man noch mit den Händen gegessen und hat sich für Flüssigkeiten Löffel geschnitzt. Im Laufe der Zeit ist vom Löffel nur noch der Stiel übriggeblieben. Er hat an einem Ende drei kleine Zinken bekommen, um damit Nahrungsbrocken aufzuspießen. Zwei dieser ‚Stiele‘ werden ganz genauso benutzt wie Essstäbchen auf Aitha heute. Warme Flüssigkeiten werden geschlürft. Also im Grunde alles genauso, wie du es von klein auf gewohnt bist, Dârin -Liebes-. Du wirst im Alltag auf Sona noch mehr Parallelen feststellen können!“

Nach dem Essen führe ich Sakura-chan in die Kleiderkammer. Ich erkläre ihr, dass wir dort ein Outfit für sie zusammenstellen wollen und dass sie sich dafür von der Automatik der Kleiderkammer mit einem Infrarotstrahl vermessen lassen muss. Diese Technik ist auf Aitha noch nicht bekannt. Daher fürchtet sich meine Enkelin zuerst noch vor dem roten Strahl in der Luft, der sie berührt.

Danach zeige ich ihr auf dem Bildschirm der Automatik eine Sammlung von Kleidungsstücken, die unter Händlern auf Sona üblich sind. Sie lässt sich von mir beraten und bald haben wir für Sakura-chan eine Anzahl von Kleidungsstücken in den Farben, die sie mag, von der Unterkleidung bis zur Oberbekleidung für die unterschiedlichsten Gelegenheiten beisammen.

„Wäre es nicht besser, wenn wir jetzt schon in der Kleidung herumgehen würden?“ fragt sie mich. „Dann gewöhne ich mich schneller daran.“

Ich schmunzele und bestätige es. Also kleidet sie sich schon hier in der Kleiderkammer am ersten Tag unserer Reise um. Wir lassen ihr auch Nachtwäsche ausgeben, damit sie auch etwas für das Bett hat. Danach verlassen wir die Kleiderkammer, um den Speiseraum fürs Nachtessen aufzusuchen.

*
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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1Do Mai 09, 2024 9:36 am

Nach der fünftägigen Reise landen wir wie üblich im Raumhafen auf Pakshee. Ich führe Sakura-chan zum Hangar der Shuttle und wir besteigen ein freies Fluggerät, das uns nach Sona bringt. Als Zielort gebe ich ‚Kathor Parishram‘ an. Nach der Startfreigabe durch die KI des Raumhafens überbrücken wir die kurze Strecke und landen neben dem Bergpfad zum Hauptheiligtum unseres Glaubens.

Nachdem wir ausgestiegen sind, schieben wir unsere Koffer auf ‚Kathor Parishram‘ zu. Bald machen wir die Brücke aus, die über den Wildbach führt. Nicht lange danach überqueren wir sie und betreten das Kloster der Gyaan. Ich wende mich in den Zeremonienraum und gehe bis zum Schrein, der die Reliquien enthält, die der hier verehrten Aatma -Seele- als Heimstatt dienen. Es sind uralte Gegenstände aus der Zeit der ersten Besiedelung von Sona.

Vor dem Schrein steht ein Kartenlesegerät. Ich wünsche mir laut:
„Verehrte Aatma -Seele-, lass uns bitte noch eine schöne Zeit mit den Verwandten erleben!“

Danach halte ich meine Cash-Card über das Lesegerät und buche darüber eine Spende von meinem Konto ab. Nun wende ich mich zu Sakura-chan um, die ein erstauntes Gesicht macht. Sie fragt:

„Lebt ihr hier nach dem Shintô -Weg der Götter-?“

Ich lächele sie an und meine:
„Man kennt den Ursprung des Shintô nicht. Man sagt, er liegt im Dunkel der Geschichte verborgen. Entsprechend gibt es viele Theorien darüber, ob der Shintô nun 2000 Jahre alt ist, oder 10.000 oder gar 150.000 Jahre. Hier siehst du, der Shintô ist noch um einiges älter. Aber komm jetzt! Wir wollen den ‚Obersten Wissenden‘ nicht warten lassen.“

Wir verlassen das Heiligtum, steigen eine Treppe hinauf und wenden uns zu den Aufzügen. Ich habe mein weißes Zeremoniengewand angelegt, an dem jeder mich hier als Gyaan erkennen kann. Sakura-chan trägt das schönste Kleid ihres neuen Outfits. So fahren wir in die Ebene, in der sich der Tagungsraum des Rates der Gyaan befindet.

Im Vorraum angekommen gebe ich dem Pragati -Fortgeschrittenen-, der dort sitzt, meine ID-Card. Der junge Mann informiert jemanden im Tagungsraum von unserem Eintreffen. Kurz darauf fährt die Tür zur Seite und gibt den Blick in den Tagungsraum frei. Der Gyaata ka Salaah -Rat der Wissenden- ist dort versammelt. Der Param Gyaata -Oberste Wissende- erhebt sich und winkt uns lächelnd näher.

Ich neige den Kopf, hebe die rechte Hand und grüße die anwesenden hohen Herren:
„Khoob jiyo aur shaanti -Lebet lang und in Frieden-!“

Der Param Gyaata grüßt in gleicher Art zurück. Ich wende mich ihm zu. Er erklärt mir:
„Pragati Dil, wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass Sie ab sofort den Titel eines Shikshak tragen sollten. Sie haben über eine lange Zeit eine Menge Daten zur aktuellen Situation auf Aitha gesammelt, so dass wir denken, dass Sie des Titels würdig sind!“

Ich gehe vor ihm in die Knie. Er legt mir die Halskette mit dem Symbol der Gyaan um den Hals, fordert mich danach auf „Erhebe dich!“ und schüttelt mir lächelnd die Hand.

Anschließend meint er:
„Ich denke, die Familie Dil dürfte nach so vielen Jahren der Trennung großen Redebedarf haben. Deshalb würde ich Sie gerne verabschieden. Sleirep tumhare saath -Die Lebenskraft sei mit euch-!“

Wir erwidern den Gruß und wollen uns Schritt für Schritt rückwärts aus dem Raum zurückziehen, als sich der Param Gyaata noch einmal vernehmen lässt:

„Dil Guên, Sie kennen die Wohnung, die ihre Großeltern, die ehrenwerten Eheleute Li bewohnt haben? Dort finden Sie inzwischen ihre verehrten Eltern.“
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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1Sa Mai 11, 2024 10:09 am

„Oh, großen Dank, ehrwürdiger Herr,“ sage ich mit einer tiefen Verbeugung.

Ein Schritt noch, dann fährt die Tür vor unseren Nasen zu. Ich habe die Übersetzerfunktion meines Kameitetaar -Kommunikators- eingeschaltet gehabt, so dass Sakura-chan das Gespräch mitverfolgt hat. Nun wende ich mich an den Pragati hinter dem Tresen, verabschiede mich auch von ihm und fahre mit meiner Enkelin im Aufzug zum Eingang des Kathor Parishram hinunter.

Anschließend verlassen wir das Kloster und wandern auf dem Bergpfad, bis wir nach einer Stunde Fußweg die Station der Einschienenbahn erreichen. Dort steigen wir in den nächsten Zug, der uns in die Hauptstadt bringt. An der Akademie der Gyaan verlassen wir den Zug und ich wende mich zu dem Appartementhaus für Studenten der Akademie.

Dort haben meine Eltern gewohnt bis sie mit mir zum Appartementhaus der Delegierten des Galaktischen Rates umgezogen sind. Möglicherweise wird statt der Dame Yaalay inzwischen ein anderer Delegierter den Planeten Hathor vertreten. Deshalb dürften meine Eltern wieder hierher umgezogen sein.

Ich weiß, wo meine Großeltern Li ihr Appartement gehabt haben, also wende ich mich nun dorthin. Die junge Frau im Foyer erkennt mich nicht. Sie schaut kurz auf und fragt:

„Guten Tag, die edlen Damen. Darf ich bitte ihre ID-Cards sehen?“

Ich lächele und wir nähern uns ihrem Tresen. Dort gebe ich ihr meine ID-Card und erkläre:
„Meine Begleiterin kommt von einem fremden Planeten. Daher hat sie noch keine ID-Card. Das werden wir aber in den nächsten Tagen nachholen!“

Sie ist mit der Auskunft zufrieden. Sicher wird sie sich eine entsprechende Notiz machen, sobald sich die Aufzugtür hinter uns geschlossen hat.

Wir fahren in die Etage, in der meine Großeltern gewohnt haben, gehen den Gang bis zur Tür mit der bekannten Appartementnummer entlang und ich betätige den Summer am Eingang. Als sich die Tür öffnet, steht dort meine Maan -Mama-. Sie lächelt freudig und breitet die Arme aus. Ich mache einen Schritt auf sie zu und wir liegen uns sekundenlang in den Armen, während sie den üblichen Gruß ausspricht. Dann tritt sie einen halben Schritt zurück, schaut mich von oben bis unten an und meint:

„Lass dich einmal anschauen, Liebes. Wie ist es dir in der letzten Zeit ergangen?“

Ich schmunzele und antworte:
„Lass uns erst einmal hereinkommen, Maan, dann kann ich dir eine Menge berichten.“

„Oh, natürlich. Du hast jemand mitgebracht!“

„Genau, auch darüber möchte ich dir erzählen, Maan -Mama-. Sakura-chan ist unserer Sprache noch nicht mächtig.“

Sie nickt und wendet sich in die Wohnung. Dabei sagt sie:
„Okay, dann kommt herein!“

Ich schlüpfe aus meinen Schuhen und nehme mir ein Paar Pantoffeln aus dem seitlichen Regal. Meine Enkelin wechselt ebenfalls ihr Schuhwerk. Dann sage ich laut:

„Egh steu abhee -Ich störe jetzt-!“

Sakura-chan wiederholt mich flüsternd. Danach gehen wir ins Wohnzimmer und setzen uns an den Couchtisch. Mama ist zur Essensausgabe gegangen und kommt nun mit drei Tassen Tee und etwas Knabbergebäck auf einem Tablett an den Tisch. Sakura-chan hat mit wachen Augen alles beobachtet. Als sie sieht, wie sich Mama mit dem Tablett nähert, ist sie mit einem Ruck aufgestanden und hat sich ihr genähert. Sie verbeugt sich tief und bedeutet ihr, dass sie das Tablett abgeben möge.

Mama lässt es zu, dass Sakura-chan das Tablett zum Couchtisch trägt. Sie folgt ihrer Urenkelin und setzt sich uns gegenüber auf die Couch, während Sakura-chan die Tassen und Kännchen auf dem Tisch verteilt. Mama ist jetzt 119 Jahre alt nach der Zählung auf Aitha. So gebrechlich sieht sie aber gar nicht aus.

Die gesunden Lebensmittel und Tinkturen, die es auf Sona zu kaufen gibt, haben ihr sehr gutgetan. Während meiner Überlegungen verkrampft sich mein Herz. Was wäre geschehen, wenn ich bei meiner Ankunft von Papa gehört hätte, dass Mama inzwischen von uns gegangen wäre.
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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1Mo Mai 13, 2024 9:51 am

Nach ihm frage ich Mama nun. Sie erklärt, dass er in der Akademie einen Kurs betreut und nebenbei die Daten aufarbeitet, die Aro-23 in den letzten Jahrzehnten an das Archiv gesandt hat. So ist er immer aktuell über meine Erlebnisse auf Aitha informiert gewesen und hat ihr berichtet. Natürlich hat er sich auch um die Daten gekümmert, die die anderen Pragati in Mittelamerika, im Nildelta und an den Ufern des Euphrat erhoben haben.

Meine Großeltern Li sind vor ein paar Jahrzehnten schon verstorben, berichtet sie weiter und regt an, dass wir in den nächsten Tagen meine Großeltern Dil besuchen. Ich bin darüber erfreut. Mama dämpft meine Wiedersehensfreude aber und sagt:

„Dein Vater und ich möchten in der nächsten Zeit zu deinen Großeltern ziehen. Sie sind beide schon über 150Jahre alt nach der Zählung auf Aitha. Das heißt, sie haben nicht mehr lange zu leben. Sie brauchen Zuwendung und Pflege.“

Ich nicke und antworte, ihr zuzwinkernd:
„Das verstehe ich. Wenn möglich, würde ich gerne mit euch dort einziehen. Ihr seid ja auch nicht mehr die Jüngsten.“

Mama lächelt und weist nun auf Sakura-chan.

„Du hast mir deine junge Begleiterin noch gar nicht vorgestellt!“

„Oh, entschuldige. Aber möglicherweise hat Papa ja schon von ihr gesprochen, wenn er meine Daten aufarbeitet. Dies ist meine liebe Enkelin Tanaka Sakura. Sie hat mich begleitet, weil sie auf ihre ‚gebrechliche Großmutter‘ achten will. Es könnte ja sein, dass ich stürze, da ich inzwischen schon 94 Jahre alt bin!“

Bei den letzten Sätzen schmunzele ich und drücke Sakura-chans Hand.

*

Rippana Obâ-San -ehrenwerte Großmutter- hat Chichi -Papa- und meine beiden Ozi -Onkel- zu sich gerufen. Es hat ein längeres Gespräch gegeben in dessen Verlauf Obâ-San ihre Firma auf ihre drei Söhne aufgeteilt hat. Sie wünscht ihnen Glück und erklärt, dass sie hofft, dass die Brüder das Familienvermögen weiter mehren werden.

Das ganze Gespräch hat etwas endgültiges, als ob sie ihren nahen Tod fühlen würde. Tatsächlich ist Oma inzwischen 86 Jahre alt, obwohl man ihr das Alter wirklich nicht ansieht. Sie könnte ohne weiteres um die 50 Jahre alt sein. Opa ist vor wenigen Monaten gestorben und so fehlt das Oberhaupt. Mit diesem Gespräch hat Oma nun Klarheit geschaffen.

Aber statt sich zurückzuziehen, eröffnet sie der Familie, dass sie die finanziellen Mittel auf den Bankkonten weiterhin beansprucht. Sie möchte in die USA übersiedeln und auf der renommierten MIT-Universität Politikwissenschaften studieren. Chichi -Papa- fragt mich nun, ob ich bereit wäre mit Oma in die USA zu gehen. Ich soll ihr den Haushalt führen und auf ihre Gesundheit achten, da sie doch schon im fortgeschrittenen Alter ist.

Ich erkläre mich dazu bereit und Oma akzeptiert meine Begleitung. Die Familie verabschiedet uns am Flughafen Tôkyô-Haneda. Mama hat Tränen in den Augen. Wir überfliegen den Pazifik und machen auf Hawaii einen kurzen Zwischenstopp.

In den USA erklärt Oma, dass sie während der Wirren des letzten Krieges ihre Personalpapiere verloren hat. Der Einreise-Beamte akzeptiert ihre Altersangabe von 46 Jahren. Neue Papiere kosten eine Menge Geld, aber dann ist das geschehen und Oma meldet sich auf der Universität an. Dazu mietet sie eine kleine Wohnung für uns beide.

Sieben Jahre später hat Oma als älteste Studentin der Universität ihren Abschluss ‚Doctor in Politics‘ in der Tasche. Sie ist nun 93 Jahre alt. Währenddessen haben die Staaten der Erde die Vereinten Nationen gegründet und New York zu ihrem Tagungsort erkoren.
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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1Mi Mai 15, 2024 10:10 am

Nun bewirbt sich Oma für das diplomatische Corps der UNO. Dafür schreibt sie in ihrem Lebenslauf, sie sei erst 53 Jahre alt. Ich bestärke sie darin, denn im Vergleich zum Aussehen vieler Amerikanerinnen dieses Alters kann die ehrenwerte Großmutter durchaus mithalten.

Oma wird eingestellt und anfangs mit einigen leichten Aufgaben betraut. In dieser Zeit beginnen sich die Menschen für den Weltraum zu interessieren. Die USA und die UdSSR beginnen einen Wettlauf ins All.

In diese Zeit der Orientierung am neuen Arbeitsplatz fällt ein besonderes Ereignis. Oma beginnt einen mehrwöchigen Urlaub. Dazu packen wir unsere Koffer und Oma lässt uns gegen Abend von einem Cab aus New York herausfahren. Dazu macht sie eine geheimnisvolle Ankündigung. Vor der Stadt angekommen und ausgestiegen, schaue ich mich um und frage Oma:

„Was machen wir hier? Hier ist doch weit und breit keine Farm…“

Oma fordert mich auf gelassener zu sein und mich ein wenig in Geduld zu üben. Ja, der ‚american Way of Life‘ hat in den letzten Jahren mehr und mehr von mir Besitz ergriffen. Plötzlich wird es windig und ich muss meinen Damenhut festhalten.

Dann sehe ich einen breiten Lichtspalt neben der Straße, der schnell breiter wird. Eine Rampe wird erkennbar. Oma weist darauf und fordert mich lächelnd auf, ihr dort hinein zu folgen. Ich folge ihr schnell und greife nach ihrem Koffer, damit sie nicht mit der Last stolpert. Oben angekommen schaue ich mich skeptisch um. Hinter uns schließt sich die Rampe. Oma nickt und fordert mich lächelnd auf:

„Lass die Koffer hier stehen! Wir holen sie später ab.“

Sie entfernt sich. Also muss ich ihr folgen, um mich bei ihr aufzuhalten, damit ich auf sie achten kann. Türen öffnen sich auf unserem Weg wie von Zauberhand. Schließlich stehen wir in einem Raum, dessen eine Seite von Monitoren ausgefüllt wird. Vor ihnen stehen Sessel und unter den Monitoren gibt es ein Pult mit vielen Schaltern und Knöpfen.

Oma setzt sich in einen Sessel und bietet mir mit einer Geste den Sessel neben ihr an. In diesem Moment ertönt eine Stimme, die etwas sagt und Oma antwortet ihr. Leider kann ich nichts verstehen, denn die Sprache ist weder Japanisch noch Englisch.

Das Bild auf den Monitoren beginnt sich nun zu bewegen. Bald kann ich eine halbmondförmige Lichtquelle erkennen. Ich frage Oma, was ich jetzt dort sehe. Sie dreht sich zu mir, lächelt mich zuversichtlich an und erklärt mir, dass wir gerade in den Weltraum fliegen. Aber das gibt es doch noch gar nicht! Ich protestiere. Daraufhin sagt Oma wieder etwas in der fremden Sprache. Jemand antwortet ihr.

Nun folgt eine Geschichtsstunde mit Bildern auf einem Monitor untermalt. Die fremde Stimme erklärt die gezeigten Bilder und Videosequenzen auf Japanisch. Sie sagt, dass vor ungefähr 200.000 Jahren schon einmal eine hochentwickelte Zivilisation auf der Erde gelebt hat, die Raketen in den Weltraum senden konnte, mit denen Menschen den Weltraum erreicht haben. Diese Zivilisation ist also weiter entwickelt gewesen als unsere heutige. Aber sie haben miteinander Krieg geführt um die Vorherrschaft auf der Erde.

Dann ist es zum Einsatz von Atomraketen gekommen. Die streitenden Herrscher haben sich gegenseitig ausgelöscht. Die Menschen haben vor einer globalen radioaktiven Verseuchung Angst bekommen. Es kam zu einem Exodus. Raumschiffe sind gestartet und haben die Menschen in jahrelangen Raumflügen zu anderen Planeten gebracht, während sie geschlafen haben.

Sie haben andere Planeten erreicht und in den folgenden Zehntausenden von Jahren weitere Planeten besiedelt. Darüber haben sie ihre Herkunft von der Erde vergessen, bis ein Forschungsraumschiff der ‚Wissenden‘ durch Zufall die Erde wiederentdeckt hat. Nun wurde die Erde und die irdischen Menschen zum Forschungsobjekt. Man versucht, ein Bindeglied zu der früheren Zivilisation zu finden.

Nachdem die Stimme geendet hat, erklärt mir Oma, dass sie und andere Menschen strenggenommen ‚Außerirdische‘ sind, aber wie man sieht, keine Monster, wie die Medien auf der Erde uns weismachen wollen.
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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1Fr Mai 17, 2024 9:40 am

Nachdem sich die Stimme wieder in der fremden Sprache gemeldet und Oma kurz antwortet, beginnen die Sterne auf dem mittleren Monitor zu Strichen zu werden, ausgehend vom Mittelpunkt. Ich will schon die ganze Zeit wissen, mit wem sich die liebe Oma in der fremden Sprache unterhält. Sie erklärt mir, dass es sich dabei um den Bordcomputer handelt. Dieses Gerät fliegt unsere Rakete vollautomatisch, oder darf ich unser Gefährt ein Raumschiff nennen?

Oma holt mich aus meinem Grübeln, indem sie mich auffordert:
„Komm, wir kümmern uns erst einmal um unsere Koffer. Hier in der Zentrale werden wir nicht gebraucht.“

Wir erheben uns und Oma führt mich zu den Kabinen. Also ist unser Flugzeug doch eher ein Raumschiff als eine Rakete. Wir beziehen zwei nebeneinanderliegende Kabinen und räumen den Inhalt unserer Koffer in die Schränke.

Ein aufwendig gearbeitetes Kleid in der Art, wie man es weder in Japan noch in den USA trägt, lässt mich Oma fragen:

„Trägt man das in deiner Heimat?“

Sie erklärt mir lächelnd:
„Das ist mein Zeremonialgewand, das mich als ‚Wissende‘ ausweist.“

Ich meine dazu: „Okay.“

Oma spürt, dass mich ihre Antwort nicht zufriedenstellt und erklärt mir, dass sich die Menschen in ihrer Heimat in drei Bevölkerungsschichten aufteilen, die allerdings durchlässig sind, nicht festgefügt wie die indischen Kasten. Oma gehört der obersten Bevölkerungsschicht an, den ‚Wissenden‘.

Ich mache große Augen und frage sie:
„Bin ich dann auch eine… Wie hast du das gesagt?... Eine Gyaan?“

Sie nimmt mich lächelnd in den Arm und erklärt mir:
„Deine Urgroßmutter wurde erst durch Heirat eine Gyaan. Bis dahin gehörte sie, wie auch ihre Eltern, der untersten Bevölkerungsschicht an. Sie und ihre Eltern sind auf der Erde geboren, oder wie wir sagen ‚auf Aitha‘. Aufgrund deines Hintergrundes aus dem Dai-Nihon Teikoku -japanischen Kaiserreich-, ordne ich dich in die mittlere Bevölkerungsschicht ein, die der Händler.“

Anschließend führt sie mich in den Speiseraum des Raumschiffes. Ich erlebe, wie eine Küchenautomatik selbsttätig Speisen herstellt. Wir essen uns satt, nachdem ich Oma bedient habe. Sie hat doch tatsächlich das schwere Tablett mit den Speisen zum Tisch tragen wollen! Dabei fällt mir als erstes auf, dass die Küchenautomatik Essstäbchen statt Besteck herausgibt. Das ist eine Parallele zwischen Omas Heimat und der asiatischen Welt auf der Erde!

Danach führt die ehrwürdige Großmutter mich in die Kleiderkammer des Raumschiffes. Dort kann ich mir ein neues Outfit aussuchen für den Aufenthalt in Omas Heimat. Ich rege an, dass wir uns jetzt schon kleiden, wie in Omas Heimat üblich, damit ich mich daran gewöhne.

Um die Zeit bis zur Ankunft zu überbrücken, immerhin fast eine Woche, erklärt mir Oma die Funktion des Monitors in meiner Kabine. Darüber kann ich Movies schauen. Genauso erklärt sie mir die Funktion des kleinen Bilderrahmens, der mir neben Bildern auch Texte anzeigt und vorliest. So kann ich abends vor dem Einschlafen noch Bücher lesen oder mir vorlesen lassen.

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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1Sa Mai 18, 2024 9:20 am

Fünf Tage reisen wir nun schon durch den Weltraum. Plötzlich schaltet sich der große Monitor an der Wand ein. Oma hat am Morgen schon empfohlen, dass wir unsere Koffer packen, damit wir das Raumschiff nach der Ankunft sogleich verlassen können. Oma trägt ihre weiße Robe. Ich habe das schönste Kleid meines neuen Outfits angelegt.  Jetzt sitzen wir gerade im Speiseraum und lassen uns das Lunch -Mittagessen- schmecken.

Zuerst habe ich gar nicht mitbekommen, dass sich auf dem Monitor etwas tut. Die ehrenwerte Großmutter macht mich lächelnd darauf aufmerksam. Ich wende den Kopf und schaue mit großen Augen auf den Monitor. Er zeigt einen großen gelben Lichtpunkt in der unteren Ecke und einen blaugrünen Punkt in der Mitte. Rechts daneben macht sich ein grauer Lichtpunkt bemerkbar, der schnell größer wird. Oma deutet darauf und erklärt mir:

„Der graue Punkt ist unser Ziel. Wir nennen ihn Pakshee. Er hat seinen Namen von einer Erzählung, die ‚Raat ka Pakshee‘ heißt, was auf Englisch ‚Vogel der Nacht‘ bedeutet. Der Blaugrüne Punkt ist ‚Sona‘, meine Heimat.“

Ich starre auf den Monitor und vergesse darüber mein Essen. Oma legt ihre Hand auf meine, um meine Aufmerksamkeit vom Monitor abzulenken. Widerwillig schaue ich zu ihr über den Tisch. Sie sagt mit sanfter Stimme:

„Der Flug ist gleich zu Ende. Wir machen in der Werft fest. Daher sollten wir uns ein wenig mit dem Essen beeilen.“

Ich nicke und beschäftige mich wieder mit dem Essen. Dennoch kann ich nicht verhindern, dass ich immer wieder zu dem Monitor hochschaue. Das Grau der Mondoberfläche wird immer mehr zu einem Braun. Nach der Landung werden wir durch ein riesiges Tor in eine noch größere Halle geschoben. Oma erhebt sich, bringt das Geschirr zur Küchenautomatik und wendet sich zu mir um.

Ich bin Oma gefolgt und verräume nun auch mein Geschirr. Dann folge ich Oma zu unseren Kabinen. Wir nehmen unsere Koffer auf. Wieder übernehme ich auch Omas Koffer und folge ihr zur Rampe. Sie steht schon offen. Also verlassen wir das Raumschiff. Am Fuß der Rampe angekommen, wende ich mich neugierig um. Das Raumschiff hat überhaupt keine Ähnlichkeit mit den Raketen, die seit kurzem Satelliten in die Erdumlaufbahn schießen. Es sieht eher aus wie ein riesiges Stück Seife mit seinen abgerundeten Kanten.

„Komm, Sakura-chan!“ fordert mich Oma auf.

Nun gehen wir durch einen langen Gang in eine Halle und von dort durch einen anderen Gang zu einem kleinen Fahrzeug, das entfernt an eine Dampflokomotive erinnert. Eine Außentür ist hochgeklappt. Oma betritt das Fahrzeug, also folge ich ihr mit den Koffern hinein. Drinnen setzen wir uns in ähnliche Sessel, wie sie in der Zentrale des Raumschiffes stehen, das wir eben verlassen haben.

Wieder kommt es zu einem kurzen Dialog in der fremden Sprache zwischen Oma und einem unsichtbaren Gesprächspartner. Danach kann ich auf dem Monitor vor uns mitverfolgen, dass wir uns nach draußen in die wüstenhafte Landschaft bewegen.

Dann kommt es mir so vor, als entfernen wir uns von der Oberfläche und befinden uns kurz darauf wieder im Weltraum. Aber nur kurze Zeit später kommt die blaugrüne Kugel ins Sichtfeld, von der Oma sagt, es sei ihre Heimat. Wir nähern uns ihr immer mehr und bald kommt ein Gebirgszug in den Blick. Auf einer Ebene davor stehen viele Hochhäuser, viel höher noch als in New York.

Aber das Ziel unseres kleinen Raumfahrzeugs ist der Gebirgszug. Dort scheint es zu landen. Schließlich hört die Bewegung auf dem Monitor auf. Oma erhebt sich und holt mich damit in die Wirklichkeit zurück. Ich stehe ebenfalls auf und kümmere mich als erstes um unsere Koffer. In dieser Zeit hat sich die Tür wieder hochgeklappt und eine schmale Rampe führt auf einen Weg hinaus.

Nachdem wir ausgestiegen sind und uns ein Stück auf dem Weg von dem kleinen Raumfahrzeug entfernt haben, steigt es auf und ist bald meinem Blick entschwunden. Oma führt mich auf dem Bergpfad weiter auf ein Gebäude zu. Wir sind nicht die einzigen Menschen auf dem Weg. Alle Menschen, die uns begegnen, verbeugen sich respektvoll vor Oma.

Je näher wir dem Gebäude kommen, desto neugieriger werde ich. Bald kann ich eine Felsspalte entdecken, durch die ein Gebirgsbach wie Wildwasser mit großer Geschwindigkeit rauscht. Zu dem weitläufigen Gebäude auf der anderen Seite des Gebirgsbaches führt eine Brücke.

Oma führt mich darüber hinweg und betritt das Gebäude. Sie wendet sich seitlich zum Eingang einer Halle an deren Stirnseite ein Behälter steht, den ich sofort als Behälter des Shintai -Reliquie- identifiziere, in dem ein Kami wohnt. Unwillkürlich bleibe ich stehen. Das ist wohl das Letzte, das ich hier erwartet hätte!
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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1So Mai 19, 2024 10:36 am

Oma schaut sich zu mir um und meint lächelnd:
„Komm ruhig näher, Sakura-chan. Du brauchst dich vor der hier verehrten Aatma -Seele- nicht zu fürchten!“

Im Weitergehen frage ich:
„Ist die Aatma vergleichbar mit einem Kami?“

Die ehrenwerte Großmutter nickt lächelnd und antwortet:
„Du hast Recht! Aatma -Seele- und Kami sind nur verschiedene Begriffe für ein und dasselbe.“

Vor dem Behälter steht ein schmales Möbel mit schräger Oberkante. Oma hält ihren Bilderrahmen darüber und drückt eine Taste. Dabei spricht sie einen Satz in der fremden Sprache. Jetzt muss ich noch einmal nachhaken:

„Lebt ihr hier nach dem Shintô -Weg der Götter-, liebe Oma?“

Sie lächelt mich an und erklärt mir:
„Man kennt den Ursprung des Shintô nicht. Man sagt, er liegt im Dunkel der Geschichte verborgen. Entsprechend gibt es viele Theorien darüber, ob der Shintô nun 2000 Jahre alt ist, oder 10.000 oder gar 150.000 Jahre. Hier siehst du, der Shintô ist noch um einiges älter. Aber komm jetzt! Wir wollen den ‚Obersten Wissenden‘ nicht warten lassen.“

Wir verlassen das Heiligtum, steigen eine Treppe hinauf und fahren mit einem Aufzug auf eine höhere Ebene. Als wir aus dem Aufzug steigen, befinden wir uns in einem Foyer. Ein junger Mann sitzt dort hinter einem Tresen. Oma geht auf ihn zu und übergibt ihm eine Karte. Der junge Mann nimmt nun seinerseits einen Bilderrahmen in die Hand und spricht in der fremden Sprache hinein. Dann erhält Oma ihre Karte zurück.

Kurz darauf fährt eine Tür zur Seite und gibt den Blick in einen Tagungsraum frei. Dort tagt der ‚Rat der Wissenden‘, hat Oma mir unterwegs erzählt. Ein Mann erhebt sich und winkt uns lächelnd näher. Oma neigt ihren Kopf respektvoll, hebt die rechte Hand und grüßt die anwesenden Herren. Im Aufzug hat Oma ihren Bilderrahmen in die Hand genommen und eine Einstellung vorgenommen. Nun höre ich aus dem Bilderrahmen die Worte:

„Lebet lang und in Frieden!“ während Oma weiterhin die fremde Sprache spricht.

Der Mann, der sich bei unserem Eintritt erhoben hat, grüßt in der gleichen Art zurück. Dann spricht er:

„Pragati Dil, wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass Sie ab sofort den Titel eines Shikshak tragen sollten. Sie haben über eine lange Zeit eine Menge Daten zur aktuellen Situation auf Aitha gesammelt, so dass wir denken, dass Sie des Titels würdig sind!“

Oma geht ergriffen vor ihm in die Knie. Er legt ihr eine Halskette um, fordert sie auf „Erhebe dich!“ und schüttelt ihr lächelnd die Hand.

Danach meint er:
„Ich denke, die Familie Dil dürfte nach so vielen Jahren der Trennung großen Redebedarf haben. Deshalb würde ich Sie gerne verabschieden. Die Lebenskraft sei mit euch!“

Oma erwidert den Gruß und wir ziehen uns Schritt für Schritt rückwärts aus dem Raum zurück. Bevor sich die Tür schließt erklärt der Mann:

„Frau Dil, Sie kennen die Wohnung, die ihre Großeltern, die ehrenwerten Eheleute Li bewohnt haben? Dort finden Sie inzwischen ihre verehrten Eltern.“

„Oh, großen Dank, ehrwürdiger Herr,“ entgegnet Oma ihm mit einer tiefen Verbeugung.

Sie verabschiedet sich nun von dem jungen Mann hinter dem Tresen und führt mich zum Aufzug. Kurz darauf stehen wir vor dem Jinja -Schrein- und entfernen uns von ihm über den Bergpfad. Ich meine, die Menschen, die uns entgegenkommen, benehmen sich noch eine Spur respektvoller vor Oma, seit sie die Halskette trägt.

Ich folge Oma etwa eine Stunde den Bergpfad entlang bis wir einen kleinen Turm mit einer breiten Plattform erreichen. Eine schmale Schiene führt in der Höhe zu ihm hin und von ihm weg. Wir steigen eine Treppe hinauf zu der Plattform. Hier kann ich sehen, dass es sich um eine Haltestelle handelt. Nach einer Weile kommt ein Zug heran, der nur diese eine Schiene braucht. Dort steigen wir ein und fahren ein paar Minuten.
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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1Mo Mai 20, 2024 9:22 am

Oma macht mich auf unsere Zielstation aufmerksam und wir verlassen die dortige Haltestelle diszipliniert und respektvoll gegenüber den anderen Passanten.

Nun führt mich Oma durch Häuserschluchten mit himmelhohen Wohnhäusern. Nach ungefähr zehn Minuten betritt sie mit mir das Foyer eines der Hochhäuser. Die Frau hinter dem Tresen dort schaut kurz auf und sagt etwas in der fremden Sprache. Oma nähert sich ihr, zeigt ihre Karte vor und antwortet ihr irgendetwas. Die Frau scheint zufrieden und wir gehen zu den Aufzügen.

Wir fahren in irgendein Stockwerk und gehen einen Gang entlang mit vielen Türen. Die ehrwürdige Großmutter bleibt vor einer Tür stehen und betätigt den Summer daneben. Kurz darauf öffnet sich die Tür und eine ältere Frau von undefinierbarem Lebensalter steht da. Sie schaut zuerst interessiert. Dann ändert sich ihre Miene zu freudigem Erkennen. Sie breitet die Arme aus. Oma macht einen Schritt auf sie zu und beide ältere Frauen liegen sich sekundenlang in den Armen. Die Wohnungsinhaberin spricht den üblichen Gruß aus. Dann tritt sie einen halben Schritt zurück, schaut Oma von oben bis unten an und meint:

„Lass dich einmal anschauen, Liebes. Wie ist es dir in der letzten Zeit ergangen?“

Ich höre das aus dem Bilderrahmen in Omas Robe. Sie antwortet lächelnd:
„Lass uns erst einmal hereinkommen, Mama, dann kann ich dir eine Menge berichten.“

„Oh, natürlich. Du hast jemand mitgebracht!“

„Genau, auch darüber möchte ich dir erzählen, Mama. Sakura-chan ist unserer Sprache noch nicht mächtig.“

Die Wohnungsinhaberin nickt und wendet sich in die Wohnung um. Dabei sagt sie:
„Okay, dann kommt herein!“

Oma schlüpft aus ihren Schuhen und nimmt sich ein Paar Pantoffeln aus dem seitlichen Regal. Ich denke, ich erlebe ein Dèja-vú. Das ist die gleiche Geste, die ich aus Nippon gewohnt bin! Ich lasse die Koffer los und wechsele ebenfalls mein Schuhwerk. Dann sagt Oma laut:

„Ich störe jetzt!“

Ich wiederhole den Gruß an die Kami leise. Danach folge ich Oma ins Wohnzimmer und setze mich neben sie an den Couchtisch. Die Wohnungsinhaberin ist zur Essensausgabe gegangen und kommt nun mit drei Tassen Tee und etwas Knabbergebäck auf einem Tablett an den Tisch zurück.

Ich habe alles mit wachen Augen beobachtet. Nun springe ich auf, verbeuge mich tief vor der älteren Frau und strecke die Hände nach dem Tablett aus. Die Wohnungsinhaberin übergibt es mir lächelnd. Ich trage das Tablett zum Couchtisch und verteile dort die Teetassen und das Teegebäck.

Oma fragt nun nach dem Mann unserer Gastgeberin und erhält die Auskunft, dass dieser zurzeit auf der Akademie arbeitet. Es gälte, die Daten aufzuarbeiten, die Oma in der letzten Zeit übermittelt hat. Ich bin erstaunt und frage mich, wie alt der Mann wohl sein wird und wann man hier in Sona in Rente geht.
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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1Di Mai 21, 2024 9:17 am

Im Teegespräch werden kurz Omas Großeltern angesprochen. Die verehrte Großmutter erfährt, dass sie schon vor Jahrzehnten verstorben sind. Nur die Großeltern Dil würden noch leben, wären allerdings so gebrechlich, dass es sicher langsam mit ihnen zu Ende geht. Sie bräuchten Zuwendung und Pflege. Deshalb stünde in naher Zukunft ein Umzug an.

Oma bietet an, dass sie mit zu ihren Großeltern zieht. Nun weist unsere Gastgeberin lächelnd auf mich und erklärt:

„Du hast mir deine junge Begleiterin noch gar nicht vorgestellt!“

Oma wendet sich mir zu und antwortet ihr:
„Oh, entschuldige. Aber möglicherweise hat Papa ja schon von ihr gesprochen, wenn er meine Daten aufarbeitet. Dies ist meine liebe Enkelin Tanaka Sakura. Sie hat mich begleitet, weil sie auf ihre ‚gebrechliche Großmutter‘ achten will. Es könnte ja sein, dass ich stürze, da ich inzwischen schon 94 Jahre alt bin!“

Sie schmunzelt mich an und drückt mir die Hand.

Nach dem Tee beziehen wir ein freies Zimmer in der Wohnung. Am Abend kommt der Ehemann unserer Gastgeberin hinzu. Die liebe Oma hat mich in der Zwischenzeit aufgeklärt, dass die alten Herrschaften, bei denen wir jetzt wohnen, meine Ur-Ur-Großeltern sind. Ich kann das kaum glauben. Deshalb frage ich:

„Wie alt sind sie denn?“

„Nun, dein Ur-Ur-Großvater ist 124 Jahre alt, nach irdischer Zeitrechnung. Und deine Ur-Ur-Großmutter ist 119 Jahre alt.“

Ich mache große Augen. Für ihr Alter sind sie noch recht rüstig, muss man schon sagen. Jetzt will ich es genau wissen und frage:

„Ihre Eltern sind gebrechlich, wurde beim Tee heute Nachmittag gesagt. Wie alt sind denn meine… Ur-Ur-Ur-Großeltern?“

Oma nickt verstehend und erklärt:
„Im gleichen Zeitmaß sind MEINE Ur-Großeltern jetzt 152 und 146 Jahre alt.“

Die Luft anhaltend frage ich Oma:
„Wie alt wird man denn im Allgemeinen in Sona?“

Sie antwortet:
„Beide haben die durchschnittliche Lebenserwartung in etwa erreicht. Deshalb achten wir sehr auf sie.“


Die Gyaata

Wir betreten das Kathor Parishram und gehen zu den Aufzügen. Shikshak Kee Gungs Augen leuchten. Mein Name ist Vilo Ter. Ich habe mit dem Shikshak -Lehrer, Meister- viele Jahre den Planeten erforscht, den er vor einer Ewigkeit mit einem früheren Pragati -Fortgeschrittenen- entdeckt hat.

Dann ist er mit zwei weiteren Pragati nach einer Erholungsphase auf den Planeten zurückgekehrt, den die Künstliche Intelligenz unseres Forschungsschiffes als Aitha, den Stên se Men -Entstehungsort der Menschheit- identifiziert hat.

Nun hat der ehrenwerte Shikshak das stolze Alter von 161 Jahren erreicht. Das schaffen nur wenige Sonaer! Deshalb hat uns der Param Gyaata -oberste Wissende- von Aitha zurückbeordert. Wir betreten einen Aufzug und fahren damit in die Ebene, in der sich der Tagungsraum des Rates befindet.

Unterwegs frage ich ihn:
„Was werden Sie in Zukunft tun, ehrenwerter Shikshak?“

Er lächelt mich an und erklärt:
„Wenn Suei Kailekâi -Seine Heiligkeit- mich auf mein Altenteil setzt, habe ich viel Zeit, meine Memoiren zu schreiben!“

Im Vorraum zum Tagungsraum angekommen geben wir dem Pragati -Fortgeschrittenen-, der dort Dienst tut, unsere ID-Cards. Der junge Mann informiert mit seinem Kameitetaar -Kommunikator- jemanden im Gyaata ka Salaah -Rat der Wissenden- von unserem Eintreffen. Wenig später fährt die Tür zur Seite und gibt den Blick in den Tagungsraum frei.
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BeitragThema: Re: Wiege der Menschheit   Wiege der Menschheit - Seite 5 Icon_minitime1Mi Mai 22, 2024 10:50 am

Eine Handvoll Wissende sind zurzeit dort versammelt. Der Param Gyaata -Oberste Wissende- erhebt sich und winkt uns lächelnd näher. Wir neigen unsere Köpfe und grüßen die anwesenden hohen Herren:

„Khoob jiyo aur shaanti -Lebe lang und in Frieden-!“

Der Param Gyaata grüßt in gleicher Art zurück und hebt die Hand. Wir schauen ihn an. Er erklärt nun:

„Shikshak Gung, wir freuen uns, Sie gesund wiederzusehen. Bitte lassen Sie sich von Shikshak Ter zu einer Seniorenresidenz führen. Ter Kêi, wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass Sie ab sofort den Titel eines Shikshak tragen sollen. Sie haben bei ihrem letzten Einsatz auf Aitha bewiesen, dass Sie des Titels würdig sind!“

Ich habe Suei Kailekâi -Seine Heiligkeit bei der Nennung des Titels Shikshak erstaunt angesehen. Nun gehe ich vor ihm in die Knie. Er legt mir die Halskette mit dem Symbol der Gyaan um den Hals und fordert mich danach auf:

„Erhebe dich!“

Lächelnd schüttelt er mir jetzt die Hand. Danach meint er:
„Begleiten Sie umgehend ihren bisherigen Shikshak zu der Seniorenresidenz, Ter Kêi. Sleirep tumhare saath -Die Lebenskraft sei mit euch-!“

Wir geben diesen Abschiedsgruß zurück und verlassen rückwärtsgehend den Tagungsraum bis die Tür vor unseren Nasen zufährt. Nun fahren wir mit einem Aufzug ins Erdgeschoss und betreten das Heiligtum. Wir bitten die Aatma -Seele- dieses Schreins beide um eine glückliche Zukunft. Anschließend halten wir unsere Bhugtaan-Naksha -Cash-Cards- über das Lesegerät und spenden je 100 Baath.

Danach verlassen wir das Kloster. Ich begleite Shikshak Gung und übergebe ihn dem Personal der Seniorenresidenz am Rande eines wunderschönen Parks. Dort verabschiedet er sich von mir und meint:

„Hier trennen sich wohl unsere Wege, Shikshak Ter. Nun können Sie sich einen frisch zum Pragati beförderten ehemaligen Tiddee auswählen, der von Ihnen lernt.“

Zum Abschied umarme ich meinen Shikshak und wünsche ihm:
„Sleirep tumhare saath -Die Lebenskraft sei mit dir-!“

Ich begebe mich zur nächstgelegenen Station der Einschienenbahn und fahre zu meinen Eltern. Es gibt ein schönes Wiedersehen. Während des Essens fragt mich mein Vater:

„Wie stellst du dir deine Zukunft vor, Vilo?“

Darüber habe ich mir schon Gedanken gemacht und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ich mich bei der Raumflotte von Sona melde. Auf jedem Raumschiff fliegt dort ein Gyaan mit und steht dem Kommandanten mit seinem Rat zur Seite. Ich antworte also:

„Ich werde mich bei der Raumflotte von Sona melden.“

Mein Vater nickt und meint dazu:
„Das ist eine gute Entscheidung, Vilo.“

*

Bald darauf habe ich mich beim Obersten Flottenkommando auf Pakshee beworben und man hat mich für den ersten Einsatz eines Expeditionsschiffes eingeteilt. Wenig später fliege ich mit einem Shuttle zu unserem Raumhafen auf Pakshee. Dort beansprucht die Flotte ein eigenes Areal. Beim Betreten muss ich mich ausweisen. Die Wache nimmt Rücksprache und kurze Zeit später stellt sich mir ein junger Flottenangehöriger vor.

„Ter Kêi?“ fragt er mich.

Ich bestätige es ihm. Nun grüßt er mich mit einer angedeuteten Verbeugung:
„Khoob jiyo aur shaanti -Lebe lang und in Frieden-! Würden Sie mir bitte folgen, ehrenwerter Shikshak?“
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