Anzahl der Beiträge : 858 Anmeldedatum : 14.08.15 Alter : 60 Ort : Münster Nähe
Thema: Nicht ohne Deine Liebe Fr Aug 14, 2015 2:13 pm
Ich bin Student und habe mich mit meinem Freund Klaus zum Besuch einer Disko verabredet. Da ich den Führerschein habe, hole ich Klaus von zuhause ab. In seinem Zimmer zeigt er mir seine neueste Errungenschaft.
"Schau mal hierher. Weißt du, was das ist?"
"Ein neuer Receiver?"
Er lacht.
"Nein, ein CB-Funk-Gerät!"
Klaus schaltet es ein und dreht an einem Knopf. Ein Stimmengewirr ist zu hören. Auf allen Kanälen ist eine Menge los.
Ich bin interessiert und so schlägt er mir vor:
"Kauf dir doch ein Mobilgerät fürs Auto, dann können wir an Fuchsjagden teilnehmen. Das bringt eine Menge Spass und Abwechselung!"
Da ich ihn jetzt etwas verständnislos anschaue, erklärt mir Klaus:
"Es gibt hier im Ort seit kurzem einen CB-Funker-Verein, wie in den umliegenden Orten auch schon. Von Zeit zu Zeit veranstalten die Vereine untereinander Treffen, auf denen sich einzelne Funker in der Landschaft verstecken und ein Peilsignal senden. Die anderen müssen sie dann suchen. Komm doch am Freitag um 18 Uhr mit zu Kurt. Dort wird gerade eine Fuchsjagd vorbereitet!"
"Das kann ich mir gerne mal anhören. - Gut, aber jetzt müssen wir los."
Wir fahren kurz danach los. In der Disko treffen wir weitere Bekannte. Irgendwie kommt das Gespräch wieder auf die CB-Funkerei. Ich bemerke, dass sich allmählich eine Fachsprache entwickelt hat. Die letzten Wochen bin ich wohl etwas 'aus der Welt' geraten, weil eine Facharbeit meine ganze Aufmerksamkeit gefordert hat.
"Um nicht abseits zu stehen, sollte ich mir in den nächsten Tagen ein Taschenbuch besorgen, in dem die Q-Gruppen und anderes erklärt wird," sage ich mir im Stillen.
Ich schaue mich um. Die Tanzfläche ist dicht bevölkert, während ich mit den Anderen an der Bar stehe. Einer nach dem anderen wirft sich ins Gewühl, bis ich mit Klaus alleine bin. Uschi, die Schwester eines der Anderen kommt von der Tanzfläche auf uns zu. Sicher will sie sich an der Bar ein Getränk holen. Sie ist drei Jahre jünger als ich, hat hüftlange braune Haare und lustige braune Augen. Ich sehe sie kommen und spreche sie an:
"Hallo Uschi, wie gehts? Möchtest du ...?"
Sie nickt mir lächelnd zu. Also gehe ich mit ihr auf die Tanzfläche bis sie mich wieder zur Bar zieht. Ich bestelle nun zwei Cola und versuche mit ihr ein Gespräch zu beginnen. Klaus ist inzwischen ebenfalls auf der Tanzfläche. Uschi schaut mich jedoch flehend an, deutet zur Toilette und ist den Rest des Abends im Gewühl verschwunden. Ich fühle mich irgendwie 'in die Ecke gestellt', wäre am liebsten gegangen, aber ich muss bleiben, weil Klaus sonst nicht nach Hause kommt.
Nach der Disko fragen mich die anderen Jungs, die ich noch aus der Ausbildung vor dem Studium kenne, ob ich sie nach Hause bringen könnte.
Das wird eine Fahrt! Ein Glück, dass die Polizei diese Nacht anderweitig beschäftigt scheint. Ich setze mich natürlich auf dem Fahrersitz und klappe den Beifahrersitz nach vorn. Die hintere Sitzbank meines zweitürigen FIAT 850 ist für zwei Fahrgäste vorgesehen. Dort quetschen sich drei nebeneinander. Einer legt sich quer darüber. Ich rutsche mit meinem Sitz in die vorderste Position. Klaus setzt sich nun auf den Beifahrersitz und verändert auch seine Sitzposition. Der letzte unserer Bekannten setzt sich nun auf Klaus. Er und ich schließen nun die Wagentüren. Ich kann sich kaum bewegen und spüre Knie im Rücken.
"So geht das nicht," sage ich, nervös geworden. "Ich komme nicht an die Gangschaltung heran. Klaus, das klappt nur, wenn du auf Kommando schaltest, nachdem ich die Kupplung getreten habe."
"Das machen wir schon," versichert Klaus.
Diese Fahrt werde ich wohl so schnell nicht vergessen. Ich bin heilfroh zuhause anzukommen, ohne technische Probleme unterwegs und ohne Verkehrskontrolle. Beim Abstellen meines Autos zittern mir leicht die Knie.
Am nächsten Tag schaue ich mir beim Elektronikdiscounter die Mobilfunkgeräte an. Dort kaufe ich ein preiswertes Einbaugerät fürs Auto und dazu ein Feldstärkemessgerät, das die Stärke eines empfangenen Signals anzeigt. Eine spezielle Antenne ist dazu auch nötig.
In einer Buchhandlung entdecke ich das gewünschte Taschenbuch, ein kleiner sechzigseitiger Ratgeber. Am gleichen Abend habe ich es durchgelesen.
Einen Phantasienamen soll ich mir ausdenken, lese ich. Da im Kino gerade ein Truckerfilm mit Kris Kristofferson läuft, wähle ich "Rubberduck".
Tags darauf hilft mir Klaus das Gerät ins Auto einzubauen.
Am Freitagabend gehe ich mit ihm zum ersten Mal zu diesem CB-Funker-Treff. Es findet im Hobbykeller eines Einfamilienhauses statt. Dort herrscht eine freundliche Atmosphäre. Ich bin von alledem angenehm überrascht und fühle mich gleich gut.
Schnell kommt die Sprache auf die Fuchsjagd, die veranstaltet werden soll. Der Ablauf wird besprochen und wer welche Aufgabe übernimmt. Dann folgt der gesellige Teil und als ich zuhause im Bett liege ist es schon sehr spät geworden.
Drei Wochen später ist es soweit. Die CB-Funker stellen sich auf. Kurt lässt ein CO2 betriebenes Signalhorn ertönen. Wir fahren los. Von Zeit zu Zeit halte ich an, um das Funksignal anzupeilen und die Richtung zu bestimmen.
Dazu suche ich mir eine freie Kreuzung oder einen größeren Parkplatz, wo ich mit dem Auto einen Kreis fahren kann. Dann geht es weiter in die Richtung, in der Klaus die höchste Feldstärke zu erkennen glaubt. Nach etwa eineinhalb Stunden haben wir nach einigen Irrungen endlich den Peilsender entdeckt. Dort wird der Funkname und die Uhrzeit notiert und schließlich fahren wir zur Siegerehrung ins Lokal.
Der erste Entdecker erhält einen Pokal. Er hatte den Fuchs schon nach 50 Minuten entdeckt. Alle Teilnehmer gehen dann mit einer Urkunde als Erinnerung und der Überzeugung nach Hause, einen schönen Nachmittag verbracht zu haben.
Eine dieser Siegerehrungen, nach der Fuchsjagd eines Vereins aus der weiteren Nachbarschaft, findet im Saal einer Gastwirtschaft neben dem dortigen Vorortbahnhof statt. Ich finde einen freien Platz an einem der meterlangen dünnen Partytische. Mir schräg gegenüber sitzt ein Mädchen, das ich auf etwa 13 Jahre schätze.
Sie ist ein schlankes dunkelblondes Mädchen. Die Haare hat sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Vorne fallen sie als langer Pony bis zur Nasenwurzel. Dazwischen blitzen himmelblaue Augen schelmisch hervor. Der Mund öffnet sich zu einem breiten, gewinnenden Lächeln, als sich ihr und mein Blick treffen.
Ich beachte sie erst nicht weiter, aber da sie mich länger mustert, spreche ich sie schließlich doch an. Ich erfahre, dass sie mit ihrer Freundin im Wagen von deren Eltern an der Veranstaltung teilgenommen hat. Sie erzählt frei heraus, gar nicht schüchtern.
"Und - war die Suche aufregend?" frage ich lächelnd.
"Wir haben uns ein paarmal verfahren. Es wurde ganz schön hektisch, aber viel gebracht hat es wohl nicht. Wir haben sicher einen der letzten Plätze gemacht."
"Schade - aber dabei sein ist alles, sagt man. Wir waren auch nicht viel besser. Die Hauptsache ist das Teilnehmen und die Geselligkeit hinterher, sage ich mir. Übrigens, ich bin der Markus. Auf dem Band bin ich als "Rubberduck" zu hören. Vielleicht reden wir ja mal miteinander?" entgegne ich ihr mit sanfter Stimme.
Sie lächelt wieder und stellt sich vor:
"Ich heiße Rebecca. Ich bin das "Schlumpfinchen", falls du mich einmal hörst. Ich habe aber nur ein kleines Handfunkgerät, das nicht weit reicht."
Nach der Veranstaltung fahre ich mit Klaus nach Hause, der wieder mein Beifahrer war. Die Fahrt verläuft etwas einsilbig von meiner Seite her. Irgendwie geht mir die "Kleine" nicht mehr aus dem Kopf.
'Natürlich ist sie nicht die richtige Altersklasse: unter 16 noch und zehn Jahre Altersunterschied! Da hält der Staatsanwalt den Daumen drauf, sagt man dazu. Aber sie machte mit ihrer Mischung aus Schüchternheit und Forschheit einen starken Eindruck auf mich,' geht mir durch den Kopf.
Ich versuche ihren Nachnamen und ihre Adresse heraus zu bekommen. Dann aber meldet sie sich nicht mehr und ich habe nur noch wenig Freizeit.
*
Das Studium ist nun zu Ende und schließt mit dem "Betriebswirt, grad." ab.
Schon während des Studiums habe ich eine Idee gehabt. Um diese zu vermarkten, brauche ich Geld. Also frage ich bei meiner Hausbank, was zur Kreditvergabe benötigt wird. Natürlich kommt die Sprache in erster Linie auf Sicherheiten. Doch was soll ich da als junger Mensch und Studienabgänger bieten?
Zusätzlich wird ein Geschäftsplan vorausgesetzt. Wie sieht so etwas aus? Ich soll erstens meine Geschäftsidee vorstellen; zweitens mich selbst vorstellen; drittens ausarbeiten, was für Marktchancen ich sehe und wer die möglichen Kunden sind; viertens überlegen, was ich in der Gründungsphase alles brauche und wieviel das kostet; fünftens: wieviel glaube ich verkaufen zu können und zu welchem Preis; welche laufenden Geschäftskosten werde ich haben, was bleibt als Gewinn übrig, wieviel Geld brauche ich für mich zum Leben, was bleibt als Investitionskapital, bzw. für die Abzahlung des Gründungskredites übrig.
Außerdem soll ich noch auf folgende Fragen überzeugende Antworten finden: Lohnt es sich, die Idee weiter zu verfolgen? Gibt es schon andere Firmen mit diesem Produkt, deren Konkurrent ich sein werde? Zu welchem Preis bieten sie das Produkt an? Wie sieht das Konkurrenzprodukt aus? Läßt es sich zur eigenen Vermarktung leicht verändern? Bedeutet die Veränderung eine Verbesserung aus der Sicht des Kunden?
Der Patentanwalt, zu dem ich gehe, sagt mir: "Wir beantragen kein Patent, sondern einen Gebrauchsmusterschutz! Ein Patent gibt es schon und ein Gebrauchsmusterschutz für ein leicht verändertes Produkt ist dann auch billiger."
Mit den Unterlagen geht es wieder zurück zur Hausbank. Der Bankberater zögert noch. Eine Freundin meiner Schwester hat Bankkauffrau gelernt.
'Das muß genutzt werden.' sage ich mir.
Ich frage sie also, woran es hakt. Es folgen leichte Veränderungen am Geschäftsplan und Vervielfältigung. Damit gehe ich zu drei Banken in der Umgebung. Bei der Sparkasse im Nachbarort habe ich dann Erfolg. Sie bietet eine Finanzierung an, bei der ein Bundesinstitut bürgt.
Endlich fließt Geld. Vorher durfte ich nichts unternehmen. Um leben zu können, habe ich bei einem Unfallwagenhändler den Telefondienst übernommen.
Zwischendurch gehe ich auf Lieferantensuche für mein eigenes Projekt. Das Produkt soll aus angelieferten handelsüblichen Einzelteilen nur noch zusammengesetzt werden. Es sollen faltbare Werbewände werden, an denen Werbebotschaften und Bilder großflächig befestigt werden können.
Ein halbes Jahr hat es allein gedauert von der Kontaktaufnahme bis zum Vertragsabschluss mit einem Spritzgussformenbauer. Ein weiteres Vierteljahr braucht es, um die Form zu konstruieren, zu bauen, erste Probeabgüsse herzustellen, zu ändern, weitere Abgüsse zu begutachten und dann die erste Lieferung von 1000 Kunststoffspritzgussteilen zu erhalten.
Noch einmal drei Monate vergehen, bis eine Vertragswerkstatt 300 Stück eines anderen Einzelteils liefern konnte. Angeblich war das georderte Aluminium noch unterwegs mit dem Schiff aus Italien.
Ein erster Zusammenbau der Faltwand verläuft nicht zufriedenstellend. Sie ist total verzogen, die Hälfte der eingebauten Kunststoffteile zerbricht. Änderungen im Lochabstand für die Schrauben werden nötig. Ich entwickele eine Lochschablone. Nach einem weiteren Vierteljahr erfolgt ein neuer Zusammenbau. Diesmal klappt es. Doch die zweite Faltwand wackelt stark. Was jetzt? Der billige Bohrständer hat zu großes Spiel, was beim ersten Zusammenbau nicht auffiel, jetzt beim Bohren mit Schablone aber schon. Die Bohrungen sind unsauber ausgeführt. Den Ständer fester schrauben, das Spiel verringern, bedeutet aber auch mehr Kraftaufwand beim Bohren.
Dennoch ein dritter Versuch. Es klappt. So kann man die Faltwand verkaufen.
Ich überlege, dass ich weitere Leistungen rund um die Faltwand verkaufen sollte, um den Interessenten ein Komplettpaket anbieten zu können.
Also frage ich mich: 'Wer färbt das Produkt in den Farben, die der Kunde wünscht? Wer näht Transporttaschen? Wer stellt das vom Kunden gewünschte Zubehör her?'
Auch stellt sich mir nun die Frage, wo ich die Faltwand herstellen soll, ohne dass es viel Miete kostet. Weitere Gespräche sind nötig.
Ich finde ein kleines Apartment mit dazu gehörendem großen Kellerraum in einem Altbau in der Stadt. Nacheinander entdecke ich weitere Lieferanten. Dann lasse ich ein Prospekt drucken, Telefonbücher und Messekataloge werden gewälzt und die Wählscheibe des Telefons gequält.
Ein paar Interessenten lassen sich Prospekte zusenden. Ein Präsentationstermin ist auch dabei. Der erste Umsatz ist ein Leasingvertrag. Das Produkt kommt nach einer Woche zurück. Nach einer kleinen Reparatur ist es wieder einsatzfähig.
Also biete ich nun auch Vermietung verstärkt an. Das Geschäft kommt in Gang. Zu dem Unfallwagenhändler gehe ich aus Zeitgründen nun nicht mehr. Trotzdem fehlt mir die Zeit, alle Kunden recht schnell zufrieden zu stellen.
Ich schaue mich daher im Bekanntenkreis nach einer Aushilfe um. Doch der Mann, den ich finde, sagt öfter aus Zeitmangel sein Kommen ab. Es hilft nichts, ein fester Mitarbeiter muss her.
Ein Herr Müller, Mitarbeiter der Malerei, die das Produkt für mich im Kundenauftrag einfärbt, erzählt mir eines Tages, dass seine Tochter aus der Schule kommt und eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich sucht.
Das weckt mein Interesse. Habe ich doch den Schein "Ausbildung der Ausbilder" in der Tasche. Ich biete ihm an, dass sie mir gerne eine Bewerbung zusenden könne.
Bald darauf kommt die Bewerbung herein. Ich nehme sie in die Hand und bin wie elektrisiert.
"Den Namen kenne ich doch! Hieß nicht die Kleine vor drei Jahren bei der Siegerehrung so? Zufall oder Fügung?"
Ungeduldig erwarte ich den Termin des Vorstellungsgespräches.
*
Ich bin nervös. Es fällt mir heute schwer, unbeteiligt zu wirken.
Es klingelt. Ich öffne und da steht sie vor mir. Was ich sehe, macht mich sprachlos.
Rebecca ist inzwischen zu einer sehr hübschen jungen Frau herangewachsen. Das lange dunkelblonde Haar hat sie seitlich über den Ohren gerafft und die Partien hinten mit einer Spange zusammen gesteckt. Sie trägt einen modischen Hosenanzug und lächelt mich an.
"Hallo, ich bin Rebecca Müller," beginnt sie das Gespräch. "Ich komme zum Vorstellungstermin. Sie sind Herr Peters?"
Ich nicke. Ich rufe mich innerlich zur Ruhe. Lächelnd begrüße ich nun Rebecca:
"Guten Tag, Fräulein Müller, bitte kommen Sie herein."
Im Apartment habe ich ein Büro mit zwei Bildschirmarbeitsplätzen und einem Besprechungstisch eingerichtet. Dorthin führe ich sie.
"Setzen Sie sich doch," sage ich freundlich zu ihr. "Sie möchten im Herbst eine Ausbildung zur Bürokauffrau beginnen?"
Während Rebecca Platz nimmt antwortet sie:
"Ja, Herr Peters. Mein Vater sagt, Sie seien ein guter Kunde von ihm und möchten sich vergrößern. Darum suchten Sie Verstärkung."
"Das ist richtig. Das Geschäft läuft gut. Sie könnten mich dann nach Ihrer Ausbildung im Büro entlasten. Sie lernen hier durch die Bank alles, was man in einer kleinen Firma wissen muss. Das wird sehr abwechslungsreich und später würde ich Sie übernehmen. Sie hätten dann große Handlungsfreiheit und Entscheidungsbefugnis, da Sie oft alleine im Büro sind, bis neue Mitarbeiter dazu stoßen. - Je nach Umsatzentwicklung!"
"Was stellen Sie eigentlich her?" fragt sie mich.
Ich bin erfreut über ihr Interesse und gebe bereitwillig Auskunft:
"Es sind mobile Präsentationswände, Fräulein Müller. Sie bestehen aus Alustangen mit Plastikgelenken und sind zusammenfaltbar. Daran kann man Großfotos und Werbewände befestigen und das ganze in Schaufenster stellen, in Ladenlokale und Büros, in Kino- und Firmenentrees. Man kann mehrere davon zu Messeständen zusammensetzen..."
Das weitere Vorstellungsgespräch verläuft durchaus positiv. Anscheinend erkennt sie mich nicht wieder. Dann aber ist Funkstille. Kein weiterer Kontakt kommt zustande.
In der Zwischenzeit finde ich einen geeigneten Werkstattmitarbeiter. Jemand, der "produktive" Arbeit leistet, ist im Augenblick auch wichtiger.
Durch die Erweiterung auf nun zwei Betriebsangehörige werden versicherungstechnische Fragen drängend, die ich aus Kostengründen bisher vor mir her geschoben habe. Dazu spreche ich Stefan König an, einen Stubenkameraden aus der Bundeswehrzeit, der inzwischen bei einer Versicherung arbeitet.
Es wird ein längeres Gespräch, da wir uns nun einige Jahre nicht mehr gesehen haben. Dabei erfahre ich, dass Stefan nebenbei für den Bundeswehrverband tätig ist.
Zwei Monate später berichtet der Maler auf meine Frage hin, dass seine Tochter bei der Stadt eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten begonnen hat.
"Krisenfester Job," antworte ich ihm. "Glückwunsch!"
Meine Enttäuschung lasse ich mir jetzt nicht anmerken.
"Was habe ich letztens bloß falsch gemacht?" grübele ich. "Egal, über ihren Vater werde ich Kontakt halten und mal sehen - mein Moment wird sicher noch kommen."
Ein Jahr vergeht.
Die Firma platzt aus allen Nähten. Es wird Zeit, den Kellerraum zu verlassen. Mehr Platz ist dringend nötig. Da auch vom Umsatz her nichts dagegen spricht sich zu vergrößern, entschließe ich mich, mit der Firma umzuziehen.
Es findet sich ein kleines Geschäftslokal mit Lager und Werkstatt im Hinterhof.
Immer öfter muss ich aber in der Werkstatt mitarbeiten und auch die Wochenenden alleine dort verbringen, um die Kundenwünsche zeitlich erfüllen zu können. Ein zweiter Werkstattmitarbeiter wird nötig. Aber auch vorne im Büro wird es eng. Ich muss ja auch noch der Außendienst bewältigen.
Ich finde schließlich eine ältere Dame, die stundenweise im Büro mitarbeitet.
*
Bei der Anlieferung eines Produktes zum Färben, spreche ich den Maler noch einmal auf seine Tochter an.
"Im Sommer kommt ihre Tochter schon ins zweite Ausbildungsjahr. Wie macht sie sich da? Wie geht es ihr?"
"Ja, wissen Sie, das ist ein Problem."
In Herrn Müller's Stimme schwingen Sorgen um die Zukunft mit.
"Am liebsten würde meine Tochter die Brocken hinwerfen. Ich schaffe es gerade noch, sie davon abzuhalten."
"Wieso? Hat sie Probleme mit den Sachbearbeitern im Amt?" frage ich in mitfühlendem Tonfall. Dabei sporne ich mich gedanklich an: 'Jetzt, jetzt heißt es zufassen!'
"Wie man's nimmt," antwortet derweil Herr Müller. "Immer nur kopieren, Post verteilen, Verordnungen studieren! Es ist ihr dort zu langweilig!"
"Sie ist schon fast ein Jahr dabei. Ein Abbruch ist immer schlecht. Sie sollte wirklich die Ausbildung zu einem guten Ende bringen und kann sich dann gerne anders orientieren."
"Das habe ich ihr auch gesagt, aber als Verwaltungsfachangestellte kann sie nur im öffentlichen Dienst oder bei gemeinnützigen Organisationen Arbeit finden. Vielleicht noch bei Anwälten und Notaren."
"Das ist doch ein weites Feld!" stelle ich fest.
Herr Müller nickt, antwortet aber:
"Meine Tochter sagt, sie möchte heraus aus der Arbeit zwischen verstaubten Aktendeckeln. Abwechslungsreiche Arbeit wäre viel interessanter."
Ich bebe innerlich und biete Herrn Müller einen Ausweg an:
"Wenn sie sich gar nicht mehr halten lässt, kann sie mich gerne noch einmal ansprechen. Mein Angebot von letztem Jahr besteht weiterhin. Ich würde mich freuen und in meiner kleinen Firma wird ihr sicher nicht langweilig. Sie kann je nach Eignung schnell Verantwortung übertragen bekommen."
Zwei Wochen nach dem Gespräch klingelt das Telefon in meinem Büro. Frau Ludwig, meine Bürokraft, nimmt das Gespräch an, weil ich gerade einen Präsentationstermin wahrnehme. Da Frau Ludwig nur morgens in der Firma ist, schreibt sie eine Telefonnotiz.
Als ich gegen halb drei Uhr in die Firma komme, gehe ich zuerst in die Werkstatt und erkundige mich dort über den Fortgang der Arbeiten. Danach schaue ich im Büro die Post durch und bearbeite den neuen Auftrag, den ich mit der Präsentation heute herein geholt habe, am Computer. Dabei entdecke ich die Telefonnotiz:
"09:35 Uhr, Anruf Frl. Müller, Telefon ... Die junge Dame bittet um Rückruf. Es geht um die Bewerbungsunterlagen von vor zirka einem Jahr."
Mein Herz schlägt schneller. Ich lächele erwartungsfroh. Die Unterlagen habe ich damals zurück geschickt, nicht ohne mir zuvor davon Kopien herzustellen und eine provisorische Personalakte anzulegen. Ich warte noch bis halb fünf Uhr und rufe dann an.
"Müller."
"Guten Tag, Herr Müller. Hier ist Peters. Ihre Tochter hat heute morgen hier in der Firma angerufen. Ist sie zufällig zuhause?"
"Ah, guten Tag, Herr Peters. Meine Tochter ist eben erst nach Hause gekommen. Einen Moment, bitte."
Nach einer kleinen Pause meldet sich Rebecca.
"Herr Peters? Hallo. Rebecca Müller hier. Ich wollte Sie fragen, ob die Stelle als Auszubildende noch frei ist und ob Sie meine Bewerbung noch einmal brauchen?"
"Guten Tag, Fräulein Müller. Ich nehme an, dass sich an ihrem Lebenslauf und den Zeugnissen nichts wesentliches geändert hat. Die Stelle ist noch frei. Sie könnten also im August anfangen. Ich biete Ihnen eine Verkürzung der Ausbildung auf zweieinhalb Jahre an, weil ich das vergangene Jahr als Praktikum werte, wenn wir einen Ausbildungsvertrag abschließen. Dazu müssten sie allerdings noch einmal herkommen. Bringen Sie Ihren Vater oder Ihre Mutter mit, wenn Sie möchten, denn ich brauche auch von einem Elternteil eine Unterschrift. Wäre Ihnen Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag gegen fünf Uhr nachmittags recht?"
"Entschuldigen Sie bitte, Herr Peters. Ich frage mal."
Eine kleine Pause entsteht, dann meldet sich Rebecca wieder.
"Wir könnten Mittwoch fünf Uhr festmachen!"
"Also bis dann. Auf Wiedersehen."
"Wiedersehen, Herr Peters - und vielen Dank!"
Wenige Tage später sitzt Rebecca in Begleitung ihrer Mutter mir gegenüber und unterschreibt den Ausbildungsvertrag.
Da ihre Mutter mitkommt, habe ich das Büro vorher gründlich gereinigt, Staub gewischt und noch eine Vase mit Blumen auf den Besprechungstisch gestellt.
Tatsächlich bemerke ich, dass Frau Müller das Büro beim Eintreten prüfend anschaut und mehrfach verhalten nickt. Diese erste Hürde habe ich also genommen.
*
Nachdem dann das Ausbildungsverhältnis bei der Stadt gelöst ist, beginne ich meine Ausbildung nach der Sommerpause in Herrn Peters Firma. Ich habe großes Glück! Sicher liegt das daran, dass Papa ein gutes Wort für mich bei Herrn Peters eingelegt hat und dieser ein guter Kunde in Papas Firma ist.
Gegen neun Uhr an diesem schönen Morgen im August setze ich mich in die Straßenbahn. Ich muss einmal umsteigen und habe am ersten Tag ausnahmsweise um zehn Uhr Arbeitsbeginn.
Ich habe meinen Hosenanzug angezogen, da ich die Kleiderordnung in der neuen Firma noch nicht kenne. Ich bin sehr aufgeregt. Tausend Gedankenfetzen schwirren mir während der Fahrt im Kopf herum:
"Was erwartet mich dort wohl? - Ich habe doch sicher alles richtig gemacht? - Hoffentlich stehe ich nicht den ganzen Tag am Kopierer. - Wie komme ich mit den Mitarbeitern zurecht? - Der Chef ..., der Chef ist manchmal so süss unsicher, wenn er privat wird. - Was werde ich heute wohl machen müssen?"
Vor dem Ladenlokal angekommen, stockt mein Schritt. Da balgen sich tatsächlich zwei Spatzen auf dem Bürgersteig vor meinen Füßen. Ein richtiger kleiner Ringkampf. Mal ist der eine oben, mal der andere.
Ich mache einen Schritt auf die beiden komischen Vögel zu. Da trennen sie sich. Einer der beiden fliegt laut schimpfend in Bodennähe davon. Der Andere nimmt lautlos die entgegengesetzte Richtung.
Entschlossen drücke ich die Tür auf und betrete das Büro. Eine Dame, so um die vierzig oder so, schaut von einem Schreibtisch auf und winkt mir, mich zu setzen. Sie beendet das Telefongespräch und fragt mich dann:
"Guten Tag, was kann ich für Sie tun?"
"Guten Tag," erwidere ich. "Mein Name ist Rebecca Müller. Ich beginne heute hier meine Ausbildung."
Die Dame reicht mir lächelnd ihre Hand über den Schreibtisch.
"Ach ja, Herr Peters sprach davon. Herzlich willkommen an ihrem neuen Arbeitsplatz. Ich heiße Liesel Ludwig. Alle nennen mich Lielu. Du hast schon im Büro gearbeitet?"
"Ja, ich habe meine Ausbildung bei der Stadt aber abgebrochen. Zu viele Vorschriften! Ich glaube, die Sachbearbeiter kennen sie selbst nicht alle. Und dann ist alles so öde: Kopieren, verteilen, sortieren."
"Nun, das muss auch hier gemacht werden. Wenn auch nicht in diesen Mengen, wie in den Ämtern. Es bleibt genügend Zeit für anspruchsvollere Tätigkeiten. Ich sage schon mal Herrn Peters Bescheid."
Sie spricht es aus und rauscht durch die hintere Tür. Kurz darauf steht Herr Peters in der Tür und lächelt mich an.
"Guten Tag, Rebecca. Wie fühlt man sich am ersten Tag?"
"Guuut, Herr Peters," dehne ich die Antwort etwas.
Herr Peters macht einen Schritt zur Seite und sagt:
"Fein, dann komm' mal herein."
Er lässt mich an sich vorbei in sein Büro gehen. Auf dem Besprechungstisch steht eine Schachtel mit einem Plätzchenmix, eine Thermoskanne, drei Tassen und drei Sektkelche, die Herr Peters jetzt füllt.
"Wieviel darf ich dir einschenken, Rebecca?" fragt er dabei.
"Bitte nur halbvoll, Herr Peters!"
Ich schaue ihn flehendlich an. Herr Peters reicht Frau Ludwig und mir ein Glas und sagt:
"Na denn, Prost. Auf unsere neue Mitarbeiterin! Rebecca, nicht dass du denkst: Wo bin ich denn hier hin geraten? Der Sekt ist nur besonderen Anlässen vorbehalten. - So, setzen wir uns."
Herr Peters stellt sein Glas ab und setzt sich an den Schreibtisch. Er gießt die Kaffeetassen voll, schiebt Milch und Zucker herüber und beginnt:
"Heute, an deinem ersten Tag bei uns, sollst du erst einmal Frau Ludwig über die Schulter schauen. Quetsch' sie über alles aus, was du ungewöhnlich findest, aber lass sie leben. Sie geht Montags nachmittags immer noch ins Fitness - Studio. Mittags lassen wir uns etwas zu essen kommen. Danach kannst du mir über die Schulter schauen. Scheue dich nicht, mir auch anscheinend dumme Fragen zu stellen! Merke dir für die Zukunft: Es gibt keine dummen Fragen, nur manchmal vielleicht dumme Antworten."
Er grinst dabei. Dann fährt Herr Peters fort:
"Morgen ist dein erster Berufsschultag. Mittwoch und Donnerstag bist du dann schon um 8:30 Uhr hier, wie besprochen. Dann übernimmst du die Telefonzentrale und das Faxgerät. Einlaufende Faxe kopierst du und heftest sie ab. Die Kopien gibst du bitte an Frau Ludwig weiter. Am Freitag ist dann wieder Berufsschule und schon hast du deine erste Woche hinter dir. Was sagst du?"
"Ich freue mich auf meine Ausbildung bei Ihnen und bin gespannt, was mich erwartet, Herr Peters," antworte ich ihm zurückhaltend.
"Ich bin sicher, dass du eine gute Wahl getroffen hast. Du wirst das schon schaffen, Rebecca, und langweilig wird es dir bei uns ganz bestimmt nicht, glaube mir. Wie geht es deinen Eltern?"
"Gut," sage ich stirnrunzelnd.
"Du hast noch Geschwister?" fragt Herr Peters weiter.
"Einen Bruder," sage ich vorsichtiger werdend. Die Konversation wird mir zu intim.
Herr Peters fragt jedoch weiter: "Wie alt, wenn ich fragen darf?"
"Zwei Jahre jünger als ich." antworte ich zögernd.
Herr Peters lächelt mich an und sagt:
"Dann könnte er ja auch bald bei uns anfangen!"
"Ich weiß nicht ...," antworte ich ihm gedehnt. Das wäre mir gar nicht recht.
Herr Peters lenkt ein:
"Naja, wie dem auch sei. Dann beginnen wir mal mit deiner Ausbildung."
Er steht auf. Frau Ludwig erhebt sich ebenfalls, also stehe ich auch auf. Wir beide gehen nach vorn in ihr Büro, während Herr Peters das Geschirr in die Miniküche bringt.
Die nächsten Tage vergehen für mein Gefühl wie im Flug. Schnell hat die zweite Woche angefangen und Frau Ludwig überträgt mir zusätzlich den Postdienst.
Die darin befindlichen Ein- und Ausgangsrechnungen soll ich schriftlich in je einem Kunden- und Lieferantenbuch verbuchen, damit man neben den Computerdateien auch auf schriftliche Dokumentation zurückgreifen kann. So kann ein möglicher Computerabsturz leicht überbrückt werden, erklärt mir Frau Ludwig.
Im darauffolgenden Monat erhalte ich dann eine Einweisung in die Terminierung und führe dann den Chefterminkalender mit Unterstützung von Frau Ludwig, die sich auf die Auftragsbearbeitung, die Lagerverwaltung und den Einkauf zurückzieht und in Herrn Peters Abwesenheit meine Arbeit beaufsichtigt.
*
Mittlerweile habe ich erfahren, dass Rebecca einen Freund hat. Natürlich kann ich nicht erwarten, dass die Mädchen warten, bis sie ihren "Traumprinzen" treffen. Ich muss ihr das gleiche Recht zubilligen wie mir selbst, sich umzuschauen und die eigene Wirkung auf das andere Geschlecht auszuprobieren. Also lasse ich mich nichts anmerken. Ich beschließe, die weitere Entwicklung abzuwarten.
*
Als die Fragen nach dem "Wie" und "Warum" nach einer dreimonatigen Einarbeitungszeit seltener werden, bitte ich Rebecca zu mir ins Büro:
"Wie ich sehe, kommst du mit dem Tagesgeschäft schon ganz gut klar, Rebecca. Das freut mich!" lobe ich sie. "Dennoch sollte während deiner Ausbildung keine Routine aufkommen. Es gibt genug Tätigkeitsfelder, die du alle nacheinander kennenlernen wirst. Wenn diese Arbeit, an der du gerade sitzt, beendet ist, kommst du bitte in mein Büro!"
*
"Gerne, bis gleich, Herr Peters," antworte ich ihm. Mein Gesicht fühlt sich warm an, ist sicher leicht gerötet.
'Was das wohl sein wird?' frage ich mich gespannt.
Eine dreiviertel Stunde später klopfe ich erwartungsvoll an Herrn Peters Bürotür.
Herr Peters ruft mich herein und spricht mich an:
"Setz' dich, Rebecca. Den Telefondienst beherrschst du inzwischen, wie ich weiß! Aufbauend darauf möchte ich dir in der nächsten Zeit die Telefonakquise übertragen. Bisher hast du am Telefon reagiert, jetzt sollst du agieren! Dazu brauchst du dreierlei: Einen Gesprächsleitfaden. Hier hast du meinen. scheue dich nicht, das Skript zu verändern und deinem Stil anzupassen! Dann einen Report. Dazu haben wir hier diese Formulare. Und schließlich diese Argumentationshilfen, die du mit eigenen Einfällen zum Thema erweitern kannst."
Er übergibt mir die angesprochenen Papiere und deutet dann neben sich.
"Dort oben rechts im Regal findest du die Adressensammlungen, die du abtelefonieren solltest."
Aufgeregt frage ich ihn:
"Das sind weder Kunden- noch Lieferantenadressen, nehme ich an. Das Ergebnis meiner Telefonate sollten also Präsentationstermine für Sie sein, Herr Peters?"
*
Ich lächele, erfreut über ihre gute Auffassungsgabe und antworte:
"Genau richtig, Rebecca. Viele werden sich aber erstmal vorab informieren wollen. Diese Leute erhalten ein Prospekt. Nach einer Woche haken wir dann telefonisch nach. Die meisten werden jedoch abblocken. Lass' dich davon nicht entmutigen! Dann hast du eben beim nächsten oder übernächsten Telefonat mehr Glück! Setz' dich nun einfach an deinen Platz und los geht's. Heute nachmittag besprechen wir dann den Ablauf und das Ergebnis des Tages!"
Rebecca nimmt die Formulare und ein Buch mit Firmenadressen und geht damit zurück an ihren Schreibtisch. Sie liest sich den Leitfaden und die Argumentationshilfen durch, legt sich den Stapel Reporte zurecht und tippt die Telefonnummer der ersten Firma aus der Adressensammlung ins Telefon.
Nach ein paar holperigen Telefonaten wird ihre Gesprächsführung immer flüssiger. Dreieinhalb Stunden und 47 Telefonate später lasse ich mir die Reporte geben und wir besprechen den Ablauf der Telefonate.
Rebeccas Tagesergebnis kann sich sehen lassen:
Ein Präsentationstermin und elf Prospektanforderungen sind die Ausbeute des Tages. Diese zwölf Adressen tippt Rebecca auf meine Anweisung hin in eine Datenbank und kuvertiert die angeforderten Prospekte, um sie später auf dem Heimweg in einen Postkasten zu werfen.
Ich sehe mit Genugtuung, dass ihr diese Arbeit Spaß macht. Es scheint sogar, dass Rebecca mehr Termine macht, als es mir in einem vergleichbaren Zeitraum gelungen ist. An mir liegt es nun, daraus Geschäftsabschlüsse zu machen.
*
In Rebecca's zweitem Ausbildungsjahr steht ein Messebesuch an. Etwa eine Woche Frankfurt hat Rebecca in meinem Auftrag gebucht. Nach anfänglichem Zögern stimmen die Müllers der Teilnahme ihrer Tochter zu.
Nachdem wir am ersten Messetag zehn Stunden den Messestand besetzten und Interessenten angesprochen hatten, organisiere ich eine Sightseeing-Tour im Taxi. Ich frage sie nach ihren Interessen und wir überlegen zusammen das abendliche Programm für die folgenden Tage, übernachten aber natürlich getrennt in zwei Hotelzimmern. Das war die Vorbedingung, unter der Rebecca's Eltern ihr Einverständnis für die Woche in Frankfurt gaben.
Im Laufe der Woche erhält Rebecca während der Messezeit einen Anruf auf ihrem Handy. Sie schaut mich danach flehend an.
"Herr Peters, kann ich mal kurz weg? Ich muss dringend meinen Freund sprechen!"
Sie erscheint mir vollkommen aufgeregt.
"Rebecca," sage ich zu ihr. "Du weißt, dass sich Privates und Arbeit nicht gut miteinander vertragen! Ist es denn so lebenswichtig? Verträgt es keinen Aufschub, zum Beispiel bis heute Abend?"
"Bitte, Herr Peters, ich nehme dann jetzt meine Pause und bin danach den ganzen Tag am Stand!"
Diesem Tonfall und diesem Blick kann ich einfach nicht widerstehen! Also entscheide ich:
"Gut, Rebecca, das ist ein Wort."
Sie entfernt sich, kommt aber schon nach wenigen Minuten zurück.
"Ist alles klar, Rebecca?" frage ich.
"Ja, Herr Peters. Sie können gleich ruhig essen gehen. Ich bin dann hier."
Sie macht auf mich einen fahrigen, niedergeschlagenen, leicht abwesenden Eindruck.
'Unter diesen Umständen kann ich sie schlecht alleine lassen,' denke ich mir. 'Aber essen muss man.'
Ich nehme mir nur eine Viertelstunde und finde Rebecca danach den Tränen nahe.
"Mädchen, was ist los?" frage ich sie mit sanfter Stimme.
Sie wagt nicht mir in die Augen zu schauen.
"Herr Peters, Sie werden mich sicher nicht mehr auf solche Veranstaltungen mitnehmen wollen! Mir sind hinten sämtliche Prospekte durcheinander gefallen!"
"Jetzt beruhige dich erstmal, Rebecca," erwiedere ich ihr. "Das lässt sich sicher in Ordnung bringen!" und nehme dabei ihre Hand. Sie zittert wie Espenlaub.
Ich schaue in den abgetrennten Bereich mit den Kartonstapeln.
'Tatsächlich, sie hat nicht übertrieben,' fährt es mir durch den Kopf. 'Da hat sie aber ganze Arbeit geleistet.'
Weiter komme ich nicht, denn jetzt kommen gerade wieder Interessenten. In einer ruhigen Viertelstunde bringe ich später etwas Ordnung in das Chaos.
Den restlichen Tag über ist Rebecca ungewöhnlich still. Ab und zu fange ich einen Blick aus den Augenwinkeln von ihr auf.
*
Herrn Peters scheint mein Missgeschick wenig auszumachen. Was denkt er wohl darüber? - Heute darf mir nichts weiter passieren. Ich versuche, meinen Freund aus meinen Gedanken zu verbannen. Zum Glück helfen mir die Messebesucher mit ihren Fragen unbewusst dabei. Die Ablenkung tut mir gut!
In den Pausen aber kommen die Gedanken wieder hoch.
Schließlich sagt Herr Peters zu mir:
"Rebecca, wenn nichts los ist, nimmst du einen Stapel von den Losen und gehst damit zu den Eingängen der Halle! Stell dich mitten ins Gewühle und verteile sie."
Also nehme ich eine kleine Tasche und fülle sie mit den Zetteln. Die Leute sollen ihre Adresse eintragen und damit zu unserem Stand kommen, um sie in eine Kiste zu werfen. Später soll ich daraus den Gewinner eines Kaffeevollautomaten ziehen. Auf der Rückseite ist eine typische Präsentationwand in ihren verschiedenen Einsatzmöglichkeiten abgebildet. Vielleicht weckt das ja auch Interesse und führt zu Nachfragen.
Am Ende dieses Messetages fragt mich Herr Peters auf dem Weg ins Hotel nach dem Grund für mein Verhalten:
"Sag' mal, was ist heute passiert, Rebecca? Du hattest heute erst nicht deinen schlechten Tag. Dann nach dem Telefonat war nichts mehr wie vorher. Was war los?"
Spontan muss ich ausatmen. Für Herrn Peters hört sich das nach Aufschluchzen an.
"Mein Freund, der Dreckskerl, ist nicht mehr mein Freund!" bricht es aus mir heraus.
*
Rebeccas Ausbruch auf meine Frage im Taxi macht mich hellhörig. Ich sehe eine Chance.
"Na, na, Rebecca, da muss ja etwas ganz besonderes vorgefallen sein," antworte ich daher. "Kann ich dir irgendwie helfen? Sollen wir nachher ins Kino gehen, damit du auf andere Gedanken kommst?"
Rebecca lächelt erleichtert. Begeistert ruft sie aus:
"Oh ja, Herr Peters, das wäre schön. Das heißt, wenn es Ihnen nichts ausmacht."
"Rebecca," antworte ich sanft. "Du bist mir nicht gleichgültig. Sieh' es mal so: Eine Angestellte, die im Job ein Leistungstief erlebt, braucht Aufmunterung, damit sich das Leistungstief nicht zum Umsatzminus auswächst. Hier hat der Chef eine soziale Verantwortung."
Hierbei muss ich lächeln. Nach meinen Worten schaut Rebecca jedoch still vor sich hin.
*
Als Herr Peters mir den Kinobesuch vorschlägt, um nicht an meinen Freund, den Schuft, denken zu müssen, bin ich positiv überrascht.
'Das habe ich jetzt nicht erwartet. Der Chef ist wirklich ein ganz besonderer Mensch,' denke ich. Meine Achtung vor Herrn Peters steigt. Er hat wohl für alle Sorgen ein offenes Ohr und weiß Auswege aufzuzeigen. Bei ihm kann man sich regelrecht geborgen fühlen!
Unwillkürlich lehne ich mich bei ihm an. Dann redet er vom Verhältnis des Vorgesetzten zur Angestellten...
'Stop!' geht es mir sofort durch den Kopf und ich setze mich wieder gerade. 'Das gibt nur Komplikationen!'
Am Ende der Woche fragt mich Herr Peters auf der Heimreise im Lieferwagen:
"Rebecca, wie fandest du die vergangene Woche auf der Messe?"
"Interessant - und anstrengend war es auch!" gebe ich ihm eine ehrliche Auskunft.
"Genau das ist auch meine Meinung." pflichtet er mir bei. "Den ganzen Tag auf die Leute einreden, ohne ihnen etwas einzureden, ist schon eine Kunst. Aber sie bringt Umsatz! Rückblickend auf die Frankfurt-Tour möchte ich dich aber etwas anderes fragen: Interessieren dich überhaupt Städtereisen, Sightseeing - vielleicht auch ganz privat? Möchtest du mehr von der Welt sehen?"
Ich schaue ihn groß an, während er geradeaus schauend auf den Verkehr auf der Autobahn achtet.
"Jaa ...?"
Ich ziehe die Antwort lang und denke: 'Was will er denn jetzt von mir?'
Nach ein paar Kilometern Schweigen beginnt Herr Peters wieder:
"Warum sind private Anliegen nur so schwer zu formulieren? - Rebecca, bitte vergiß einen Moment lang, dass ich Firmenchef bin und du meine Angestellte. - Ich möchte dich fragen, ob du nach der Arbeit gerne mal mit mir ausgehen möchtest."
Ich ziehe die Augenbrauen hoch. Herr Peters ist noch jung. Zehn Jahre trennen uns nur. Ich habe noch nie Gefallen an Gleichaltrigen gefunden. Auch mein bisheriger Freund war sechs Jahre älter als ich.
"Vielleicht, Herr Peters." gebe ich ausweichend Antwort. Ich muss erst meine Gedanken ordnen und meine Gefühle prüfen.
'Nur nicht zu früh festlegen!' denke ich mir.
"Rebecca, wenn du möchtest, nenne mich Markus! Nur noch in Gegenwart von Kunden solltest du beim Nachnamen bleiben. - Darf ich dich Dienstag Abend zu Hause abholen? Ich möchte mit dir Essen gehen - oder ins Kino - was Du willst. Sagen wir sieben Uhr?" sagt er nach einer schweigsamen Pause.
Ich schaue Herrn Peters freundlich lächelnd an. Es scheint, dass er den Atem anhält. Kurz schaut er von der Straße auf. Sein Blick trifft meinen. Dann konzentriert er sich wieder auf den Verkehr. Eine kleine Pause entsteht. Ich bin unsicher, was ich antworten soll.
'Was soll ich jetzt tun? Wie verhalte ich mich bloß richtig? Manchmal kann der Chef schon richtig süß sein.' denke ich.
Nach einer Weile des unruhigen Abwägens, in der mir absolut keine Lösung einfallen will, beende ich mein Grübeln mit einem Vorpreschen. Was habe ich denn zu verlieren? Ich gebe mir einen Ruck und sage:
"Markus, gleich kommt ein Parkplatz. Fährst du bitte mal raus?"
*
Als Rebecca mich endlich bei meinem Vornamen nennt, hätte ich die ganze Welt umarmen können, ein solches Glücksgefühl durchströmt meine Adern! Ich nehme also die nächste Ausfahrt und halte vor den Toiletten. In mir brodelt es. Mein Herz, es hüpft, es springt. Sie hat mich das erste Mal seit ihrer Kindheit geduzt! Ich stelle den Wagen ab und steige aus. Nachdem ich den Wagen umrundet habe, ist auch Rebecca ausgestiegen. Ich weise ihr lächelnd den Weg. Nebeneinander gehen wir in die Raststätte.
Während Rebecca zur Toilette geht, bestelle ich zwei Menüs. Es wird ein schweigsames Mittagessen. Ich beobachte sie verstohlen, während ich esse. Rebecca kann das Besteck nicht ruhig führen. Sie zittert leicht.
An ihren Blicken glaube ich erkennen zu können, dass ich Rebecca für mich gewonnen habe.
Am frühen Nachmittag sind wir in der Heimat angekommen. Den Rest des Tages gebe ich ihr frei. Ich bringe sie mit dem Lieferwagen nach Hause und helfe ihr beim Gepäck. Ein langer Händedruck, ein tiefer Blick - diese Augen - dieses unergründliche Himmelblau. Ich fühle mich wieder einmal, als ob ich auf einer Blumenwiese liege und senkrecht in den Frühlingshimmel schaue, wie ich das als Kind so oft getan habe.
Schließlich reiße ich mich los, denn ich muss noch in die Firma.
Dort bleibe ich bis gegen neunzehn Uhr. Wir hatten während der Messe Interessentenadressen in unsere Laptops eingegeben, die übers Internet sofort hier in der Firma aufgelaufen sind, damit diese Leute zeitnah spezielle Angebote auf dem Postweg erhalten. Diese Daten will ich noch sichten und dann lasse ich mir eine kleine Statistik dazu erstellen.
In den nächsten Tagen wollen wir telefonisch nachfassen. Einem plötzlichen Impuls folgend, beginne ich leise Melodien zu pfeifen.
Am nächsten Tag hat Rebecca Berufsschule. Ich sehe sie also erst um 19:00 Uhr wieder, wenn ich sie verabredungsgemäß zu Hause abhole.
An diesem Dienstag Morgen wache ich zu Hause wie gerädert auf. Ich habe in der vergangenen Nacht schlecht geschlafen. Das ganze Bett ist zerwühlt. Ich muss Laken und Decke neu feststecken.
*
Ich verabschiede mich herzlich von Markus an unserer Wohnungstür, dann klingele ich. Mama öffnet und ich schiebe nach einer kurzen Umarmung meinen Koffer in mein Zimmer. Dort schalte ich meine Musik an, lege mich auf meine Bettcouch und schließe die Augen.
So vergehen ein paar Stunden, während denen ich mir tagträumend meine Zukunft ausmale. Immer wieder frage ich mich zweifelnd:
"Will ich das überhaupt? Bin ich der Situation gewachsen?"
Gegen Abend ruft Mama mich zum Abendessen an den Tisch. Papa und mein Bruder Werner sitzen schon dort. Die ganze Familie schaut mich erwartungsvoll an. Papa bricht nach ein paar Bissen als erster das Schweigen:
"Na, Rebecca, wie wars?"
Jäh aus meinen Gedanken gerissen, antworte ich kurz und abweisend:
"Stressig!"
Werner, mein holder Bruder, redet dazwischen:
"Robert hat mit ihr Schluss gemacht! Er hat 'ne Neue!"
Aufgebracht fahre ich ihn an: "Musst du das jetzt ansprechen?"
Alle schauen von ihren Tellern auf.
"Ach, lasst mich in Ruhe!" rufe ich.
Mama spricht in die sich ausbreitende Stille:
"Werner, musste das jetzt sein? Warte nur! Du wirst auch noch das Gefühl erleben, von aller Welt verlassen zu sein. - Rebecca, denke an deine Zukunft. Trauere nicht der Vergangenheit nach. - Was hast du übrigens in Frankfurt erlebt?"
"Na ja, die Messe war schon stressig. Man hatte kaum eine ruhige Minute und musste immer freundlich bleiben, egal wie es in einem aussieht!"
Werner fragt erwartungsvoll:
"Und nach der Messe? Was war abends?"
Ich will den pubertären Einwurf überhören, sehe dann aber Papas fragendes Gesicht. Ich versichere:
"Es ist nichts passiert, wenn ihr das wissen wollt! Natürlich sind wir nach der Messe nicht in unseren Hotelzimmern verschwunden, sondern haben etwas zusammen unternommen."
"Was?" fragt Papa kauend.
"Am ersten Abend hat Herr Peters eine Stadtrundfahrt mit dem Taxi organisiert. Danach wollte ich eine Disko besuchen. Es wurde im Ganzen ein schöner Abend, nur - ein begnadeter Tänzer ist Herr Peters gerade nicht." antworte ich, immer noch etwas aggresiv.
"Rebecca, er ist dein Chef!" erklärt Papa leicht vorwurfsvoll. Aber er schmunzelt. Die Stimmung scheint gerettet.
Mama sagt ausgleichend:
"Na ja, kein Mensch ist vollkommen. Jeder hat Vorzüge und Nachteile im Vergleich zu anderen. Und weiter? Wie sind die anderen Abende verlaufen?"
Sie hat anscheinend nun auch die Neugier gepackt.
Mit einem Seufzer beginne ich nun doch zu erzählen:
"Am zweiten und dritten Abend sind wir groß essen gegangen. Im Maredo zum Beispiel - nicht billig - und in eine Pizzeria."
"Worüber redet man so beim Essen?" will Papa nun wissen.
Ich stöhne. Im Stillen denke ich: 'Müssen Männer immer so neugierig sein?'
"Was willst du hören?" sage ich. "Natürlich hat er mich nach euch befragt, nach meinen Hobbies und hat etwas von sich erzählt. Aber das meiste, worüber wir gesprochen haben, war geschäftlich und betraf meine Ausbildung."
"Und sonst? Lass' dir doch nicht alles aus der Nase ziehen! Du bist doch sonst nicht so einsilbig!" bohrt er weiter.
"Wundert dich das? Als mein holder Bruder mich mitten im Trubel anruft und ich darauf sofort Robert sprechen will, war Herr Peters etwas irritiert, sage ich mal. Es war viel los und dazwischen ein privates Problem! Danach war ich so fertig, dass mir sämtliche Prospekte durcheinander gefallen sind!"
"Weiber..." wirft Werner dazwischen.
Ich haue auf den Tisch, dass das Geschirr klirrt.
Papas Gesicht ist ein einziges Fragezeichen, also gehe ich ins Detail:
"Na, was schon: Ein Interessent wünschte Informationen. Das betreffende Prospekt war nicht mehr da. Ich wollte eine neue Kiste herbei holen. Die Kiste mit gerade diesem Prospekt steckte aber unter anderen fest. Ich ziehe und schon ist es passiert!"
"Das gab ein Donnerwetter!" lässt sich Werner wieder vernehmen.
"Nein, Herr Peters blieb ganz ruhig. ICH war den Tränen nahe! Herr Peters brachte alles wieder in Ordnung. Den restlichen Tag hatte er mich dann wohl behandelt wie ein rohes Ei. Abends fragte er mich, was los war und schlug dann einen Kinobesuch vor, damit ich auf andere Gedanken komme."
"Interessant," dehnt Papa die Antwort. "Und die folgenden Abende?"
Ich verdrehe die Augen, erzähle aber weiter:
"Tags darauf haben wir abends ein Musical besucht und am vorletzten Abend schließlich ein Event im Frankfurter Zoo. Das sollte ein Nachtspaziergang durch den Zoo werden. Aber wir haben keine der nachtaktiven Tiere gesehen. Am letzten Abend sind wir nach einem Essen im Hotelrestaurant früh schlafen gegangen."
"In deinem oder in seinem Zimmer?"
Werner kann es einfach nicht lassen.
"Werner!" donnert Mama. Sie ist jetzt wirklich ärgerlich.
In die entstehende Pause sage ich mit unsicherer Stimme:
"Mama, Herr Peters kommt morgen Abend hier her. Ich habe ihm heute Mittag versprochen, mit ihm Essen zu gehen."
"Ich freue mich für dich, Liebes."
Mama legt ihre Hand auf meine und lächelt mich an.
"Hast dich aber schnell getröstet!"
Werner provoziert mich weiter. Mama setzt dem jetzt ein Ende:
"Werner! Sofort in dein Zimmer! Ich möchte dich heute hier nicht mehr sehen!"
Am nächsten Tag bin ich schon in der Berufsschule so aufgeregt, dass die Lehrer mich mehrfach kopfschüttelnd ermahnen und sagen, ich solle am Unterricht teilnehmen und nicht träumen. In der Pause fragt meine beste Schulfreundin Sabine:
"Was ist heute los mit dir? Du bist völlig abwesend! Ist etwas mit deinem Freund?"
"Der Robert? Der kann mir gestohlen bleiben! Der hat mich letzten Donnerstag, während der Messe in Frankfurt, regelrecht abserviert!"
Meine Stimme klingt bitter.
"Oh, du Arme, das Gefühl kenne ich! Ist sonst noch etwas?" fragt Sabine mitfühlend.
"Ich weiß nicht, was ich heute Abend anziehen soll! Mein Chef will mit mir ausgehen." platzt es aus mir heraus.
Sabine pfeift anerkennend zwischen den Zähnen:
"Wie hast du denn das geschafft?"
"Ich weiß es nicht. Wirklich! Ich war eigentlich ziemlich kratzbürstig, etwas abweisend - nach der Abfuhr von Robert."
"Verständlich! Es gibt vielleicht Männer, die das antörnt. - Wieviel Jahre ist er eigentlich älter als du?"
"Zehn Jahre."
"Nur?? Aber das geht doch! Denk' mal nach! Du hast dein Leben lang ausgesorgt. Nach der Ausbildung bist du gleich Firmenchefin!"
"So schnell bin ich nicht!" antworte ich im Brustton der Überzeugung.
Am Abend bin ich übernervös. Ich habe meine Zimmertüre abgeschlossen und mich zum soundsovielten Male umgezogen. Ein ganzer Berg Kleidungsstücke liegt inzwischen auf meiner Bettcouch. Schließlich habe ich mich für einen kurzen Rock entschieden und ein Top mit schulterfreiem Ausschnitt. Stiefel und eine taillierte Lederjacke runden das Bild ab.
*
Pünktlich um sieben Uhr klingele ich an der Tür des Mehrfamilienhauses, in dem Rebecca mit ihren Eltern wohnt. Es dauert ein wenig bis eine Reaktion erfolgt. Aus Gewohnheit streiche ich mir das Haar aus der Stirn.
Dann ertönt der Summer.
Ich betrete das Treppenhaus und gehe hinauf in den zweiten Stock. An der Wohnungstür klingele ich noch einmal kurz. Frau Müller öffnet die Tür.
"Guten Abend, Frau Müller," grüße ich sie. "ich möchte Ihnen eine kleine Freude machen und habe Ihnen daher diesen Strauß mitgebracht. Ihre Tochter hat Ihnen sicher schon erzählt, weshalb ich hier bin?"
"Oh, vielen Dank, Herr Peters! Kommen Sie doch erst einmal herein. Ja, Rebecca hat seit gestern von nichts anderem geredet. Sie ist auf ihrem Zimmer. Ich schaue mal, ob sie soweit ist. Setzen Sie sich doch!"
Sie lotst mich ins Wohnzimmer und nimmt eine Kristallvase aus dem Schrank. Damit in der einen und die Blumen in der anderen Hand verlässt sie das Wohnzimmer. Ich setze sich auf die braune Ledercouch, die Wohnzimmertür im Blick.
Kurz darauf höre ich Frau Müller im Flur rufen:
"Rebecca, Herr Peters ist hier!"
Sie klopft an Rebecca's Tür.
"Ich komme..." höre ich Rebecca gedämpft antworten.
Rebeccas Mutter kommt ins Wohnzimmer zurück, setzt die Vase mit den Blumen auf den kleinen Ecktisch und fragt:
"Darf ich Ihnen etwas anbieten, Herr Peters? Meine Tochter kommt gleich."
Ich wende mich ihr zu und antworte höflich:
"Vielen Dank, Frau Müller, ein Sprudel vielleicht. Übrigens, Sie und ihr Mann dürfen mich natürlich Markus nennen. Ich bin jetzt und hier nicht der Chef Ihrer Tochter, sondern ihr Freund - wenn sie denn auch so fühlt!?"
Rebeccas Mutter sagt nach einer Atempause:
"Okay, Herr Peters - Markus. - Da ist Rebecca!"
Zur Wohnzimmertür gewandt erkenne ich nun Rebecca - heute nicht ganz so souverän, wie ich sie von der Arbeit her kenne.
"Rebecca, wie schön du doch bist! Sollen wir los...?"
Sie nickt. Sie schluckt. Krampfhaft um Fassung bemüht, sagt sie betont ruhig:
"Hallo Markus. Schön, dass du da bist. Vielen Dank für das Kompliment. Natürlich, wir können...!"
Ich erhebe mich aus dem Sofa und mache einen Schritt auf Rebecca zu.
'Wie gut sie riecht,' denke ich dabei.
Dann nehme ich sie in den Arm und flüstere ihr leise ins Ohr:
"Du, ich meinte das ehrlich! Du bist meine Traumfrau! Das wusste ich schon, als wir uns das erste Mal trafen."
Ich fühle, dass Rebecca leicht in meinem Arm schwankt. Sie sackt ein wenig ein, hängt in meinen Armen und im nächsten Moment an meinem Hals. Ich erwiedere den Kuss. In diesem Moment kommt ein etwa 16jähriger junger Mann zur Wohnungstür herein. Er hat ein Paar Fußballschuhe, an den langen Schuhriemen zusammengebunden, über die linke Schulter hängen.
"Oh, guten Tag, Herr Peters!"
Der Junge grüßt verlegen lächelnd. Ich drehe mich etwas herum, sehe ihm lächelnd in die Augen und erwidere:
"Guten Tag. Sie sind Rebeccas Bruder, nehme ich an?"
"Ja, ich heiße Werner."
"Guten Tag, Werner. Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll. Du hast durch jugendlichen Leichtsinn beinahe meinen letzten Messeauftritt gefährdet. Was wäre, wenn der Stand zusammengebrochen wäre? Eine Katastrophe! Andererseits bist du der Grund, weshalb ich heute hier stehe! Du hast Schicksal gespielt. Beim nächsten Mal solltest du vielleicht etwas mehr Vorsicht walten lassen! So, und nun möchte ich dir doch danken!"
Ich gebe ihm die Hand und drücke sie. Der Junge grinst, nimmt meine Hand und knickt ächzend ein. Ich lasse los.
Wir verabschieden uns und gehen Hand in Hand die Treppe hinunter. Beim Auto angekommen, öffne ich die Beifahrertür und lasse Rebecca einsteigen. Dann umrunde ich den Wagen und setze mich hinter das Steuer. Bevor ich starte, wende ich mich zu Rebecca und frage:
"Wir haben noch nicht besprochen, was wir unternehmen wollen. Möchtest du den Musicalfilm sehen, der gerade im Autokino läuft?"
"Ja, gern, Markus!"
Ihre Stimme zittert leicht. Ich frage weiter:
"Der Film beginnt erst um 21 Uhr. Vorher könnten wir eine Kleinigkeit essen, wenn du möchtest?"
"Ja."
Ich möchte das Espenlaub neben mir beruhigen. Daher lege ich einen Arm um Rebeccas Schultern und streiche sanft mit dem Daumen über ihre linke Wange. Sie wird tatsächlich ruhiger und lehnt sich zu mir herüber. Nun wende ich mich zu Rebecca hinüber und küsse sie flüchtig.
"Ich liebe dich, Becki!" flüstere ich ihr ins Ohr und starte den Wagen.
Wir fahren zum Imbiss ins Gewerbegebiet, direkt neben dem Autokino. Auf der Fahrt wird Rebecca nachdenklich. Plötzlich fragt sie:
"Du bist doch mein Ausbilder, mein Lehrherr, wie Papa ab und zu sagt! Ist es da nicht verboten, zu einer Auszubildenden Gefühle zu entwickeln?"
"Das ist nicht falsch, Rebecca! Denn hätte ich mehrere Auszubildende und würde eine davon bevorzugen, wäre das ein Mißbrauch meiner Position dir gegenüber! Auch jetzt noch könnten böse Zungen behaupten, ich würde meine Position dir gegenüber mißbrauchen. Du könntest gar nicht anders, als meinem Drängen nachgeben, weil du einen Abschluß brauchst, um im gewählten Beruf arbeiten zu können..."
Nach einer kurzen Pause ergänze ich:
"Wäre ich zwanzig oder dreißig Jahre älter als du, wäre das Wasser auf die Mühlen solcher Leute. Aber ich bin gerade einmal zehn Jahre älter und da gibt es eine Vorgeschichte..."
Rebecca schaut mich aufmerksam an. Ich fahre lächelnd fort:
"Vor fünf Jahren nahm ein 'Schlumpfinchen' an einer CB-Funker-Fuchsjagd teil und traf bei der Siegerehrung auf einen 'Rubberduck'. Sie konnte den Blick nicht von diesem jungen Mann wegnehmen und schließlich entwickelte sich ein kurzes Gespräch. Später dann verloren sich beide aus den Augen, weil eine Kontaktpflege technisch nahezu unmöglich war. Das 'Schlumpfinchem' hatte nur ein schwaches Handfunkgerät. Dennoch spukte das 'Schlumpfinchen' weiterhin durch die Träume des 'Rubberduck', während der seine Ausbildung beendete und seine Firma aufbaute."
"Das warst du?" ruft sie aus und hängt mir wieder am Hals. "Du hattest so etwas besonderes an dir. Die Jungs in meinem Alter waren mir zu kindisch. Du hast mir mit dem Treffen die Augen geöffnet! Mit einem Mal wusste ich, was oder vor allem welche Jungs mich faszinieren. Ich war traurig, dass ich dich nicht erreichte, obwohl ich dich auf dem Band immer wieder hörte..."
Es ist schon halb acht. Ich muss anstehen. Viele junge Leute haben die gleiche Idee. Um acht Uhr sitze ich wieder im Auto und übergebe zwei Portionen Fritten mit Currywurst an Rebecca.
Dann reihe ich mich mit dem Wagen in die Schlange vor dem Autokino ein, um drinnen einen möglichst guten Platz zu ergattern. Schließlich habe ich den Wagen optimal positioniert und die Lautsprecher im Fahrzeug befestigt.
Bis die Werbung und der Vorfilm zu Ende ist, habe ich mein Essen und den Großteil von Rebeccas Portion, die sie mir herüber schiebt, gegessen. Während vorne auf der Leinwand die siebzehnjährige Baby tanzt, lehnt sich Rebecca an meine Schulter.
Meine Finger beginnen zu wandern. Rebeccas Kopf liegt an meiner Schulter. Sie hat einen Arm hinter meinen Rücken geschoben und die freie Hand auf meine wandernde Hand gelegt. Ihr Herz klopft wie wild.
Plötzlich fasst sie fester zu. Sie hält meine Hand fest und gibt mir einen Zungenkuss.
"Bitte nicht dort, Markus." haucht sie. "Ich bin noch nicht soweit. Sei mir bitte nicht böse, Liebling!"
Rebecca's Augen blicken unsicher, etwas ängstlich.
"Becki, Liebling." antworte ich mit sanfter Stimme. "Natürlich bin ich dir nicht böse. Du bestimmst, wie weit du gehen willst und wo du was machen willst. Ich warte auf dich!"
Meine Stimme klingt belegt und ich muss räuspern.
*
Es ist Pause. Markus bestellt am vorbeikommenden Servicewagen noch zwei Cola. Vorhin habe ich auf einmal Furcht bekommen und sein Streicheln instinktiv gestoppt. Es ist so schön, bei ihm zu sein! Ich bin glücklich, Markus wiedergefunden zu haben. Denn seine Geschichte, dass er mich jahrelang nicht vergessen hat, berührt mich.
Doch, obwohl das Autokino gerade seine Aktionen fördert und ich sie so genieße, gleich am ersten Abend mag ich noch nicht. Markus vermeidet nun zärtliche Berührungen unterhalb der Gürtellinie, aber auch so sind wir sehr erregt miteinander beschäftigt. Als der Film zuende ist und die umstehenden Fahrzeuge starten, bin ich traurig, dass der Abend mit Markus schon zu Ende ist.
*
Ich reihe mich nach dem Ende des Films in die Schlange des abfließenden Verkehrs ein. Während der Heimfahrt verhält sich Rebecca ungewöhnlich still. Kurz vor Mitternacht stehen wir wieder vor der Wohnung ihrer Eltern. An der Türe sagt sie leise zu mir:
"Markus, vielen Dank für den heutigen Abend. Es war schön mit dir. Sei mir bitte nicht böse, dass ich dich gestoppt habe!"
Ihre Stimme schwankt. Rebecca blickt mich unsicher an. Ich lächele ihr aufmunternd zu und sage sanft:
"Becki, Liebling. Ich bin dir nicht böse. Du sollst dich frei entscheiden, wann du bereit bist. Denke bitte nicht, du müsstest mit der Freizügigkeit fünf bis zehn Jahre älterer Frauen mithalten. Bleibe die Rebecca, die du bist! Ich warte gern auf dich! Gute Nacht, Liebling!"
Zum Abschied gebe ich ihr einen leidenschaftlichen Kuss, den sie ebenso erwidert. Dann warte ich noch bis sich die Tür hinter Rebecca geschlossen hat, bevor ich nach Hause fahre. Ich fühle mich leicht und beschwingt, deshalb beginne ich wieder einmal Melodien vor mich hin zu summen.
*
Am Morgen danach stehe ich nach einer unruhigen Nacht auf, als mein Wecker klingelt. Ich ziehe mich an und gehe in die Küche, während mein Bruder gerade die Wohnung in Richtung Schule verlässt.
"Guten Morgen, Mama."
"Guten Morgen, Rebecca. Wie geht es dir? Du hast ja dicke Ringe unter den Augen!"
"Ich habe schlecht geschlafen."
"So kannst du aber unmöglich ins Büro gehen. - Andererseits - deine Augen strahlen wie damals, als du das Autogramm von diesem Sänger ergattert hattest!"
"Mama, ich bin verliebt!"
"Aber das sieht man ja."
Mama legt mir ihre Hand auf den Unterarm.
"Und ich habe seinen Annäherungsversuch abgeblockt! Plötzliche Panik..." ergänze ich in leicht niedergeschlagenem Tonfall und gesenktem Blick.
Mama lächelt verständnisvoll.
"Mach dir keine Gedanken deswegen. Das ist eine natürliche Reaktion. Wenn er der Richtige ist, versteht er das. - Ich sollte einen Termin für dich beim Frauenarzt machen. Du brauchst die Pille! - Iss etwas und geh' danach mit einem Abdeckstift um die Augen. - Und dann viel Glück bei der Arbeit."
Mit starkem Herzklopfen mache ich mich auf den Weg zur Arbeit. Ich bin unsicher, wie ich mich dort verhalten soll.
"Was werden wohl die Anderen sagen?" frage ich mich.
Auf meinem Schreibtisch finde ich heute Morgen eine schmale Kristallvase mit einer Rose und eine einzelne Praline. Die Sonne scheint heute besonders hell zu strahlen. Ich muss mich sehr auf meine Arbeit konzentrieren, damit mir keine Flüchtigkeitsfehler unterlaufen. Markus ist an den folgenden Tagen sehr rücksichtsvoll. Jeden Morgen finde ich eine neue Praline vor und auch die Rose wird rechtzeitig gewechselt. Am Freitagmorgen finde ich sogar ein Liebesgedicht, kunstvoll dekoriert. Ansonsten erwähnt Markus mit keinem Wort den Dienstagabend. Nur seine Augen strahlen mit der Sonne um die Wette, wenn er mich im Rahmen der Arbeit anspricht.
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Thema: Re: Nicht ohne Deine Liebe Di Aug 18, 2015 12:19 pm
Mehr als zwei Wochen geht das nun schon so. Am Freitag Nachmittag fragt er mich:
"Becki, darf ich dich morgen Abend abholen? Hast du Lust ein Jazzlokal in der Stadt zu besuchen?"
"Ja, gern, Markus!" erwidere ich erleichtert.
Zu ihm vom Schriebtisch aufblickend, lächele ich ihn glücklich an. Fast hätte ich daran gezweifelt, dass er mich noch einmal einlädt.
Nach Büroschluss begleitet er mich zur Straßenbahnhaltestelle. Dort verabschiedet er sich mit einem innigen Kuss. Ich steige ein und Markus wartet draußen bis die Bahn abgefahren ist und ich ihn nicht mehr sehen kann.
*
Am nächsten Abend pünktlich gegen sieben Uhr klingele ich an Müller's Wohnungstür. Werner öffnet.
"Ah, guten Abend, Herr Peters. Meine Schwester ist bestimmt gleich soweit. Kommen Sie doch herein!" werde ich von ihm begrüßt.
Er lächelt verlegen und lässt mich eintreten. Dann geht er schnell den Flur entlang zu seinem Zimmer, als flüchte er. Unterwegs klopft er an Rebeccas Tür und ruft:
"Mach' hin! Dein Chef ist da!"
Rebeccas Mutter hat das gehört und kommt dazu. Sie bittet mich wieder ins Wohnzimmer.
"Seien Sie nachsichtig mit Werner. Er ist im Moment in einer schwierigen Phase."
"Kein Problem, Frau Müller," versichere ich lächelnd. "Meine Pubertät ist auch noch keine Ewigkeit her. Das gibt sich."
Rebecca betritt das Wohnzimmer. Sie trägt heute einen langen Rock mit wadenlangem seitlichen Schlitz und eine Bluse mit gewagtem Ausschnitt. Die Stiefel und die Jacke vom letzten Mal runden das Bild ab.
"Guten Abend, Becki. Wie geht es dir?"
Meine Augen leuchten sicher mit ihren um die Wette.
"Sehr gut, Markus."
Ich umarme Rebecca und küsse sie flüchtig.
Wir verabschieden uns und verlassen die Wohnung. Einen Treppenabsatz tiefer nehme ich Rebecca schweigend in den Arm und gebe ihr einen leidenschaftlichen, langen Kuss, den sie genauso erwidert.
"Liebling, ich freu mich auf dich!" sage ich danach.
"Ich mich auch. Ich liebe dich!" erwidert Rebecca leise und drückt ihre Wange an meine, wofür sie sich sicher auf die Zehenspitzen stellen muss.
Wir fahren in die Altstadt, betreten das Jazzlokal und suchen uns einen Platz an einem der Tische. In einer Ecke des großen Raumes sitzen drei Musiker auf einer kleinen Empore und führen ihr Programm vor, das draußen auf einem Plakat angekündigt wurde. Als die Bedienung vorbei kommt, bestelle ich zwei Gläser Bier.
Etwa eineinhalb Stunden später fragt Rebecca mich:
"Liebling, sollen wir heute noch woanders hingehen?"
"Gern, Becki, hast du einen besonderen Wunsch?" frage ich zurück.
Rebecca schüttelt den Kopf. "Was schlägst du vor?"
"Hast du dich nicht schon mal gefragt, wie ich wohne? Möchtest du meine Wohnung einmal von innen sehen?"
"Ja, Liebling, ich bin sehr gespannt darauf!"
Sie lächelt mich dabei auf eine Art an, dass sich mein Herzschlag beschleunigt.
Gegen halb zehn Uhr betreten wir meine Wohnung. Ich führe Rebecca durch die Zimmer.
"Wie du siehst, Becki, ist es eine typische Junggesellenwohnung. Funktional eingerichtet. Vielleicht etwas steril. Es fehlt das ausgleichende Element, das aus der Wohnung ein Zuhause macht."
"Nun, so ganz stimmt das nicht. Man könnte hier und da vielleicht etwas ergänzen und ..."
"Du darfst dich hier ruhig austoben, wenn du möchtest, Becki, Liebes!" falle ich ihr ins Wort und fasse sie lächelnd an der Hand.
Sie schaut mich ernst an und fährt fort:
"... und wer ist die junge Frau dort auf dem Schwarz-Weiß-Foto?"
Ich nehme das Bild schweigend von der Wand, öffne den Rahmen und reiche Rebecca das Foto nebst dem dahinter versteckten Bild. Rebecca sieht auf dem zweiten Foto einen Grabstein mit Inschrift.
"Diese Frau bedeutet dir sehr viel!" stellt sie fest. "War es deine Großmutter als junge Frau?"
"Meine Mutter!" antworte ich mit ernstem Gesicht. "Sie starb als ich sechs Jahre alt war. Setzen wir uns. Möchtest du ein Glas Sekt?"
"Gerne, Markus. - Das wußte ich nicht. Möchtest du darüber sprechen?"
Rebecca legt beide Fotos wieder zurück in den Rahmen, schließt ihn sorgfältig und hängt das Bild wieder auf. Ich komme mit zwei Gläsern rotem Krimsekt zum Couchtisch, setze mich und proste ihr zu.
Meine Stimme klingt ernst, der sanfte Unterton ist verschwunden als ich jetzt antworte. Gleichzeitig schaue ich Rebecca aber mit einem flehenden Blick aus feuchten Augen an.
"Das braucht dir nicht peinlich sein. Weißt du: Ein sechsjähriger Junge, der so brutal aus seiner heilen Welt gerissen wird, versteht nicht oder will nicht verstehen, was um ihn herum in dieser Sache geschieht. Und die Erwachsenen haben wohl zuviel mit sich selbst zu tun, als auf die Befindlichkeiten eines kleinen Jungen einzugehen. Die tröstenden Worte der Leute haben mich nicht wirklich erreicht. Ich verstand nur: Meine Mutter ist weg und kommt nie wieder. Das ist untröstlich. Das hat mich damals aus der Bahn geworfen. Ich bin dann erst mit sieben eingeschult worden und habe die ersten Jahre keine guten Zeugnisse erhalten."
Ich schlucke und fahre mit wesentlich sanfterer Stimme fort:
"Aber das sind olle Kamellen. Bei Gelegenheit erzähle ich dir mehr darüber. Möchtest du ein Video sehen?"
"Was hast du denn?" fragt sie, noch ergriffen von der Schilderung.
"Ich bin selten zuhause, wie du weißt. Ich nehme also vieles auf. Vielleicht ist etwas dabei, was du auch noch nicht kennst. Such dir etwas aus, Liebes!"
Ich ziehe eine große Schublade auf und lasse Rebecca stöbern. Sie entschließt sich für einen Abenteuerfilm. Eng aneinander gelehnt schauen wir uns den Film an.
Nach einer halben Stunde schweigendem Kuscheln legt Rebecca ihre Hand an meine Wange und dreht meinen Kopf sanft zu ihr herum. Sie küsst mich auf den Mund und flüstert:
"Ich habe dich lieb."
Ich ziehe sie mit sanftem Druck an mich und erwidere:
"Liebes, ich dich auch. Seit fünf Jahren muss ich ständig an das Mädchen denken, das mir damals nach der Fuchsjagd gegenüber saß. Du hast damals schon einen Rieseneindruck auf mich gemacht, aber du warst noch so jung! Jetzt sollte uns nichts mehr trennen!"
Ich gebe ihr einen leidenschaftlichen Zungenkuss. In einer Atempause flüstert sie:
"Ich habe mich in deiner Gegenwart gleich geborgen gefühlt!"
Nun ziehe ich sie ganz zu mir herüber und lasse meine Zunge mit der ihren spielen. Dabei öffne ich langsam ihre Bluse und ziehe sie ihr aus dem Rock. Rebecca drückt sich so an mich, dass ich ihren Herzschlag spüren kann.
Ich fahre ihr sanft durch das Haar, stehe auf und nehme Rebecca auf meine Arme. Sie klammert sich kichernd an mich, während ich sie nach nebenan trage. Vorsichtig lege ich sie auf dem Bett ab.
Rebecca seufzt leise. Ich entkleide mich in aller Eile und setze mich neben sie. Sie zieht mich zu sich heran und küsst mir dabei auf den Mund. Ich habe mich dabei zur Seite sinken lassen und liege nun neben ihr. Wieder lasse ich meine Finger über ihren Körper wandern, während ich ihren Hals küsse.
Rebecca zittert am ganzen Körper.
"Liebes, du brauchst keine Angst haben. Ich gehe niemals weiter, als du bereit bist zu gehen. Du brauchst dich auch nicht unter Druck setzen, mir etwas geben zu müssen, wozu du dich noch nicht bereit fühlst!" flüstere ich ihr zärtlich ins Ohr. "Erinnere dich an das Autokino. Da habe ich sofort gestoppt, als du meine Hand festgehalten hast!"
"Ja, aber warst du da nicht tief enttäuscht von mir?" fragt sie mit zitternder Stimme.
"Aber nein, Liebes. Wirklich nicht! Ich habe mir gesagt, du bist irgendwann bestimmt bereit, wenn du mich magst. Ich warte gern auf dich, du kriegst bei mir alle Zeit der Welt, die du brauchst. Ich lasse dich niemals im Stich!! - Magst du erst noch nur kuscheln und streicheln?"
"Ja, Liebling," antwortet Rebecca mit fester Stimme und einem Kuss.
Ich kann spüren, dass sie sich etwas entspannt.
*
Das Gefühl, Haut an Haut neben Markus zu liegen, macht mich schwindelig. Ich lasse mich fallen. Alle Ängste scheinen wie weggeblasen.
Ich habe meine Hand wieder auf seiner liegen und beginne auf einmal seine Hand zu führen. Während sein Mund über ihren Oberkörper wandert, führe ich seine Hand schwer atmend tiefer.
*
Ich bin entschlossen, mich heute weitgehend zurück zu halten. Meine Küsse bedecken sanft ihren Hals und Schulter, während meine Hand leicht auf ihrem Bauch liegt. Wieder legt Rebecca ihre Hand auf meine. Plötzlich schiebt sie meine Hand vom Bauchnabel weg. Ich lasse sie gewähren und spüre, dass sie sie tiefer führt.
"So eine Frau existierte bisher nur in meiner Fantasie," fährt mir durch den Kopf. "Wunderschön, leidenschaftlich und jugendlich hemmungslos."
Ich fühle, wie ihr Körper sich anspannt und entspannt. Dass ich ihr solche Wonnen bereiten kann, gibt mir ein überwältigendes Gefühl.
"Ich kann an nichts anderes mehr denken, als an dich!" hauche ich und küsse sie auf ihren Hals.
Als ich Anstalten mache, mich von ihr zu lösen, zieht sie ein Bein etwas hoch und legt es um meine Taille im Rücken.
Sie haucht: "Tu's."
Gemeinsam lassen wir uns in die Unendlichkeit fallen und tauchen gemeinsam wieder auf. Mich durchströmt ein nie gekanntes Glücksgefühl.
Der Film nebenan ist zu Ende. Der Fernseher rauscht, als wir uns wieder anziehen. Ich muss Rebecca noch nach Hause bringen. Dort angekommen gebe ich ihr einen nicht enden wollenden Kuss. Sie muss sich losmachen, lacht und sagt schwer atmend:
"Gute Nacht, Liebster. Fahr' nach Hause und träume von mir. Es war wunderschön mit dir! Wir sehen uns ja Morgen schon wieder!"
*
Als ich am nächsten Morgen nach dem Frühstück kurz mit meiner Mutter alleine bin, frage ich leise:
"Mamaa..."
"Ja?"
"Wie war dein erstes Mal?"
"Liebes, so doll war das nicht! Papa war sehr zärtlich und einfühlsam, aber was da so darüber erzählt wird, fühlte ich nicht. Ich war da noch zu verkrampft, wohl aus Angst schwanger zu werden, obwohl Papa verhütete. Heute gibt es ja die Pille."
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Thema: Re: Nicht ohne Deine Liebe Di Aug 18, 2015 12:22 pm
"Jaa, aber es muss da noch eine andere Angst geben, denn ich nehme ja die Pille - und Markus verhütet auch..."
"Ich versteh' dich, Liebes. Warte ein wenig! Diese Angst verliert sich mit jedem Mal. Gleichzeitig wächst dein Vertrauen zu Markus und wenn du dann emotional ganz loslassen kannst, überkommt dich auch dieses starke Glücksgefühl. Du darfst nur nicht angestrengt darauf warten, dann fühlst du nie etwas. Du musst ganz entspannt sein, dann irgendwann..."
*
Ein Vierteljahr später zieht Rebecca zuhause aus. Sie möchte ihr Leben selbst in die Hand nehmen, sagt sie ihren Eltern und fragt mich, ob sie bei mir einziehen darf.
'Meine Junggesellenwohnung wird wohl demnächst total umgekrempelt,' denke ich amüsiert.
Erfreut sage ich zu. Rebecca's Eltern kennen mich nun auch schon längere Zeit, so dass ihnen die Zustimmung leichter fällt, als suchte sich Rebecca eine "sturmfreie Bude".
*
Nach einem anstrengenden Arbeitstag, Rebecca beansprucht beim Fernsehen einen ganzen Flügel der Eckcouch, fragt sie mich unvermittelt:
"Liebling, was hältst du von Fußball?"
"Möchtest du dich im Sportverein anmelden?"
Ich schaue irritiert.
"Nein, ich frag nur so."
Sie sieht mich etwas unsicher an.
"Was halte ich von Fußball?" beginne ich bedächtig. "Mein alter Lehrer aus den ersten Volksschuljahren stand eher auf Boxen. Er erzählte uns von sportlicher Fairness, ließ uns dann gegeneinander boxen und wehe, wir trafen verbotene Körperstellen. Später in der Pubertät in der Realschule wollten die anderen nur Fußball spielen. Mich ließen sie aber nicht an den Ball. Hatte ich ihn doch einmal, jagten sie ihn mir wieder ab. Sportliche Fairness? Ich gab ihn freiwillig ab oder ich lag öfter im Gras! Irgendwann hatte ich keine Lust mehr an Fußball. Sollen die anderen doch um den Ball kämpfen! Dann bekam ich einmal die volle Breitseite. Ob ich nun in die Flugbahn hinein geraten bin oder ob ich gezielt angeschossen wurde - wer weiß? Jedenfalls kam der Ball von der Seite und traf voll die linke Backe! - Diese Sportart ist nicht mein Fall. Soll man doch jedem Spieler seinen Ball geben. Dann hätte möglicherweise auch der Torwart mehr zu tun."
"Armer Liebling." Rebecca lächelt säuerlich. "Du weißt, dass Werner im Fußballverein ist. Am Wochenende hat er wieder ein wichtiges Turnier in der Nachbarstadt. Er freut sich immer, wenn wir zuschauen und ihn bewundern. Möchtest du nicht mitkommen? Wir könnten danach ins Kino gehen, wenn du möchtest!"
"Wie läuft es normalerweise ab - nach dem Spiel, meine ich?"
"Wir warten bis Werner aus den Kabinen kommt und gehen dann meistens zu McDonalds. Dort fachsimpelt er mit meinem Vater, während wir zuhören und ab und zu etwas dazu sagen."
"Lassen wir das Kino sausen!" sage ich. "Ich komme mit und höre zu. Etwas Schulter klopfen und zunicken tut ihm sicher gut."
Rebecca atmet hörbar ein.
"Heißt das, du kommst mit zum Turnier?"
Ich beuge mich zu ihr und küsse sie auf die Wange.
"Ja, Liebes. Ich habe so die Gelegenheit, mich mit meinem Schwager in spe anzufreunden! Da muss ich durch und das mache ich gern!"
Am folgenden Wochenende fahren wir zum Fußballplatz in der Nachbarstadt. Dort treffen wir auf die Müllers. Werner ist schon in den Kabinen.
"Hallo, da seid ihr ja!" werden wir von Rebeccas Vater begrüßt. "Kommt, wir suchen uns einen guten Platz."
Sie gehen gemeinsam durch die Einlasskontrolle zum Spielfeld. Rundherum zieht sich eine grasbewachsene Böschung. Dort stellen sie sich an eine Stelle, wo sie keine anderen Zuschauer im Blickfeld haben und alles gut überschauen können.
Das Spiel beginnt. Markus erkennt Werner hinten in der Verteidigung. Er läuft viel und ist immer da wo der Ball ist, wenn er dem eigenen Tor zu nahe kommt.
"Ich bin ein blutiger Laie auf dem Gebiet," sage ich. "Aber es kommt mir vor, als ob seine Mannschaft ohne Werner ganz schön alt aussähe."
Frau Müller antwortet mir: "Es ist immer das gleiche: Wenn Werner müde ist, strengt er sich an. Ist er ausgeruht, verlieren sie!"
"Und gestern hatte ein Schulfreund seine Geburtstagsparty so gelegt, dass sie in den Geburtstag hineinfeiern konnten," ergänzt Rebecca grinsend.
Das Spiel endet unentschieden. Draußen warten sie auf Werner, um mit ihm ein paar Straßen weiter in ein Schnellrestaurant zu gehen.
Während Herr Müller an der Theke ansteht, besetzen wir zwei nebeneinander stehende Tische. Dabei spreche ich Werner an:
"Ich habe nicht viel Ahnung von Fußball, aber ich denke, ich habe im Spiel ein paar gute Mannkämpfe gesehen. Respekt!"
Werner lächelt verlegen und wiegelt ab: "Was ich heute gebracht habe, war keine große Leistung. Mir sind hin und wieder ein paar Schnitzer passiert, die nicht hätten sein dürfen."
"Die hast du dann aber ganz gut ausgebügelt. Schließlich hat die gegnerische Mannschaft kein Tor geschossen!"
"Na ja, aber sag' mal, Markus, was für einen Sport treibst du eigentlich?"
"Aktiven Sport treibe ich eigentlich nicht, Werner. Es gab früher in deinem Alter ein paar Enttäuschungen, die mir den Sport verleideten. Aber hin und wieder gehe ich Bowling spielen, oder Minigolf, wenn es meine Zeit erlaubt. Weißt du was? Was hältst du von einem Bowlingabend zu fünft?"
"Sehr gerne! Aber wann?"
"Wir stimmen einfach unsere Termine aufeinander ab. Da wird sich sicher ein Abend finden. Ich lade euch alle dazu ein."
Etwa drei Wochen später sitzt die ganze Familie Müller mit mir an einer Bowlingbahn im SÜDBOWLING. Vorab gebe ich Werner ein paar Tipps.
"Prüfe die Bowlingkugeln hier nach Gewicht: Steck Daumen, Zeige- und Mittelfinger in die Löcher und lass die Kugel etwas baumeln. Erscheint sie dir zu schwer, versuche die nächste, erscheint sie dir zu leicht, nimm eine andere. Dahinten im Regal findest du noch mehr."
"Die Löcher von der hier sind zu eng!"
"Versuche eine andere. Die Kugel sollte in etwa zu dir passen: Du sollst nicht mit den Fingern hängen bleiben und durch den Schwung hinter der Kugel über die Bahn rutschen." Ich muss grinsen bei der Vorstellung. "Du sollst die Kugel aber auch nicht werfen können, oder damit Löcher in die Bahn hauen. Hast du DEINE Kugel gefunden, brauchst du ihr nur die richtige Richtung zu geben."
"Leichter gesagt als getan."
"Keine Bange, das hast du schnell heraus. Das ist keine Hexerei. Daumen nach vorne, die beiden anderen Finger hinten. Die Kugel rollt dann meistens in die Richtung, in die der Daumen zeigt. Komm' mit und schau' zu wie ich es mache, wenn ich gleich dran bin, und probiere es dann genauso!"
Der Abend wird im weiteren Verlauf lustig und kurzweilig. Kurz bevor sie aufbrechen, biete ich Werner an:
"Wenn du willst, treffen wir uns öfter hier oder zum gemeinsamen Kinobesuch. Bringe dazu ruhig auch deine Freundin mit, wenn du willst!"
"Gerne!" antwortet Werner und fasst mich zum Abschied am Unterarm. Ich tue es ihm gleich und fasse ebenfalls zu, lege ihm die andere Hand auf die Schulter und sage:
"Bis bald. Wenn du irgendein Problem hast, womit du ungern zu deinem Vater gehst, ruf' mich an!"
Werner lächelt und nickt zum Abschied.
Ein weiteres Halbjahr vergeht und Rebeccas Ausbildung endet. Nach bestandener Abschlussprüfung arbeitet sie als meine Assistentin.
Eines Abends zuhause beginnt Rebecca:
"Markus, was hältst du davon, wenn ich auch den Führerschein hätte? Ich wäre etwas unabhängiger und könnte vieles für uns erledigen, während du bei Kunden bist!"
"Na klar, Liebling! Ich habe auch schon darüber nachgedacht, wollte aber warten bis du das Thema ansprichst. Wenn du denkst, du schaffst das, dann melde dich an. Ich helfe dir!"
Ich bin begeistert. Zu einer selbstbewussten, eigenständigen Partnerin gehört selbstverständlich auch ein Führerschein! Ich wende sich ihr zu. Rebecca richtet sich halb von der Couch auf, legt ihre Arme um mich und gibt mir einen Kuss.
Schon am Nachmittag des nächsten Tages betritt sie die Geschäftsstelle einer Fahrschule in der Nähe und meldet sich dort an. Ich nehme das zum Anlass am darauffolgenden Wochenende mit Rebecca zum Verkehrsübungsplatz in der Stadt zu fahren. Der Eintritt wird gezahlt und dann tausche ich auf dem Gelände meinen Platz hinter dem Steuer mit Rebecca.
Sie startet und - wupp - mit einem Ruck ist der Motor wieder aus.
Ich schmunzele, gebe ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange und sage:
"Ganz ruhig, Liebling! Das passiert am Anfang jedem. - Noch einmal von vorne: Kupplung treten, Schlüssel umdrehen, loslassen, Kupplung laaaangsam kommen lassen, langsam Gas geben. Siehst du! und jetzt bis zur Kreuzung da vorne."
Rebecca bremst - und der Motor steht. Neustart. Schauen, ob keiner kommt. Langsam anfahren. Rebeccas Beine flattern. Ich lege meine Hand auf ihren Oberschenkel, lächele sie an und sage:
"Ruhig bleiben, Liebes. Sag' mir, wann du für heute genug hast. Keine Angst! Der Wagen macht alles, was du willst. Er ist kein lebendiges, bockiges Wesen!"
"Das sagst du nur, um mich zu beruhigen!"
"Natürlich, Liebling! Aber es stimmt doch!"
"Das weiß ich ja auch, aber weiß das auch das Auto?" antwortet Rebecca mit gespielter Verzweiflung.
Ich muss bei der Vorstellung grinsen, dass Rebecca ein bockiges Pferd zähmen müsste. Doch sie hat ihre Nerven schnell im Griff.
Später verlassen wir das Gelände und fahren zur Fußgängerzone in der Stadt. Nach einem gemütlichen Schaufensterbummel setze ich mich mit ihr in eine Eisdiele und wir schauen uns die vorbeiflanierenden Passanten an bei zwei Rieseneisbechern.
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Thema: Re: Nicht ohne Deine Liebe Di Aug 18, 2015 12:25 pm
Zwei Wochenenden später frage ich Rebecca auf dem Verkehrsübungsplatz:
"Wollen wir einmal versuchen, rückwärts einzuparken? Das ist ganz leicht!"
"Für dich sicher!" erwidert Rebecca angespannt.
"Liebling, mit einiger Übung und Hilfsmittel auch für dich, warte es ab! Halte da vorne vor der Parkbucht. Davor und dahinter steht je ein Busch als Begrenzung. - Wenn du dich umdrehst, siehst du auf der Heckablage je einen Knopf rechts und links eine Handbreit neben dem Rahmen vom Heckfenster?"
"Ja."
"Wenn der Busch, durch das Heckfenster betrachtet, beim Rückwärts fahren da zu sehen ist, musst du anders herum lenken! - Jetzt langsam zurück rollen, dabei das Lenkrad ganz nach rechts drehen. Wenn die Markierung auf der Ablage erreicht ist, ganz nach links drehen."
Der Wagen steht mit einem Ruck.
"Das war der Bordstein! Kein Problem. Noch einmal 'raus und auf ein Neues!"
Rebecca wiederholt das Manöver. Ich öffne die Beifahrertür.
"Siehst du, Liebling! Gut gemacht! Eine Fußlänge neben dem Bordstein! Wenn du dir im Fahrschulwagen Markierungen suchst für die Führerscheinprüfung und danach übst, schaffst du die Prüfung spielend!"
Nach Rebeccas Gesichtsausdruck zu schließen, ist sie nicht ganz überzeugt, doch schon nach zwanzig offiziellen Fahrstunden besteht sie die Prüfung. Um Fahrroutine zu bekommen wählt sie eine alte Ente, die ein Student in der Tageszeitung anbietet. Rebecca ist stolz, all das von ihrem eigenen Gehalt, dass ich ihr zahle, bezahlen zu können.
*
Die Firma besteht nun fünf Jahre.
"Das ist eine gute Gelegenheit für eine Feier," denke ich mir. "Wir könnten ja alle fünf Jahre eine solche Jubiläumsfeier organisieren. Jede mit einer anderen Attraktion oder anderem Motto."
Ich bespreche mich mit Rebecca. Dann kaufen wir einen großen Grill und organisieren alles weitere, was dafür benötigt wird. Ich sorge mich um die Dekoration und suche zusätzlich einen Blumenladen und einen Juwelier auf.
Die fünf Firmenangehörigen wollen zu der Feier ihre Familien einladen und zusammen auf die Zukunft anstoßen. Über zwanzig Gäste kommen in der hergerichteten Werkstatthalle zusammen. Nachdem ich eine kurze Begrüßungsansprache gehalten habe, gehen wir zum zwanglosen Grillabend über. Nachdem das Fest nun schon zwei Stunden läuft, stehe ich von meinem Platz auf und murmele etwas von "was holen müssen, bevor es vergessen wird" in Rebeccas Richtung, die neben mir sitzt. Ich gehe kurz ins Lager und komme mit drei Blumensträußen zurück.
Je einen Strauß überreiche ich Rebecca's Mutter, meiner Stiefmutter und Rebecca. Leicht verdutzte Gesichter schauen mich an, also sage ich:
"Bevor die ersten Gäste die Party verlassen, muss ich noch etwas persönliches unter Zeugen loswerden: Becki, wir wohnen nun schon einige Zeit zusammen. Wir lieben uns. Ich möchte so gern Nägel mit Köpfen machen. Schwebezustände kann ich nicht gut leiden, wie du weißt. Aber natürlich würde ich es verstehen, wenn du noch etwas Zeit brauchst, dich endgültig so oder so zu entscheiden. Trotzdem frage ich hier und jetzt: Willst du mich heiraten?"
Eine kurze Pause entsteht. Markus hat Rebecca total überrascht.
"Ja!!" ruft sie dann aus. Sie strahlt!
"Dann möchte ich dir zur Verlobung diesen Ring hier schenken!"
Mit diesen Worten öffne ich eine Schmuckschatulle mit zwei Ringen, nehme einen heraus und stecke ihn ihr an den Ringfinger der linken Hand. Es ist ein schmaler goldener Ring mit einem Rubin in Herzform. Dann gebe ich ihr einen Kuss, reiche ihr den zweiten schmucklosen Ring und frage:
"Möchtest Du ...?"
Sie nimmt ihn, schaut mir verliebt in die Augen und fällt mir wortlos um den Hals.
Es klirrt. Der Ring ist irgendwo unter die nächsten Partytische gerollt. Schon hat sich einer der Umstehenden danach gebückt und ihn ihr zurückgegeben. Sie streift ihn mir vorsichtig über. Die Versammlung klatscht.
*
Fast ein Jahr ist seitdem vergangen. Es ist Mai. Nervosität liegt in der Luft. Wir haben uns entschlossen in einer ruhigen Phase die Firma für eine Woche zu schließen.
"Betriebsferien aus Anlass der geplanten Hochzeit," geben wir den Mitarbeitern und Geschäftspartnern bekannt.
Am Vorabend der Hochzeit verabschiedet sich Rebecca abends von mir. Sie möchte noch ein letztes Mal "in ihrem Kinderzimmer" übernachten, sagt sie geheimnisvoll.
*
Heute ist ein wunderschöner, warmer Tag. Ich bin aufgeregt. Rebecca habe ich heute noch nicht gesehen. Eine halbe Stunde vor dem Termin, der mein Leben für immer verändern soll, komme ich vor der Kirche im Viertel an, in dem die Müllers wohnen. Von der Hochzeitsgesellschaft ist noch niemand da. Also bleibe ich im Auto sitzen, wo soll ich jetzt auch hin?
Ich schließe die Augen und denke an meine Becki. Sie ist jetzt 21.
"Wie wird sie wohl gleich daher kommen? Wie ein Engel, ganz in Weiß!" sage ich mir voller Überzeugung.
Bei dem Gedanken taucht ein Bild aus meiner Vergangenheit vor meinen inneren Augen auf:
Ich bin sechs Jahre alt. Wir stehen in einer Trauerhalle. Links vor mir liegt im offenen Sarg meine Mama, ganz in Weiß gekleidet. Jemand spricht. Ich höre zwar, verstehe aber nichts - oder bin nicht aufnahmefähig. Die ganze Situation kommt mir höchst unwirklich vor. Mama sieht aus wie eine große Puppe. Was bedeutet Tod? Was bedeutet der Verlust eines geliebten Menschen? Wie soll ein Sechsjähriger das jemals begreifen?
Ich kämpfe mit den Tränen.
"Heute schließt sich der Kreis! Heute treffe ich meinen Engel wieder! Ganz in Weiß! ich lasse nie mehr los!" fährt es mir durch den Kopf.
Plötzlich schrecke ich aus meinen Gedanken auf. Jemand klopft an das Autofenster.
"Chef? Chef, es ist Zeit. Kommen Sie, oder machen Sie einen Rückzieher?"
Ich öffnet die Augen. Mein Werkstattleiter steht am Auto. Er hat mich in die Gegenwart zurück geholt. Lächelnd steige ich aus und schließe ab.
"Das würde Ihnen so passen, Schneider!" frotzele ich. "Ich komme natürlich sofort!"
"Ihre Braut ist gerade angekommen. Sie wollen sie doch nicht warten lassen?" setzt er nach.
Ich antworte ihm nicht, sondern gehe entschlossenen Schrittes zum Kirchenportal.
Dort steht inzwischen Rebecca in einem Traum in Weiß. Ein romantisches Kleid mit vielen Rüschen und weitem Rock unter der Korsage. Unter dem kurzen Schleier trägt sie ihr auf Schulterlänge gekürztes Haar mit vielen Locken. Ihre Augen strahlen mit der Sonne um die Wette. In diesem Moment geht das Portal auf und der Pfarrer begrüßt uns.
Nach der Kirche treffen sich alle im Saal einer örtlichen Wirtschaft. Ungefähr achtzig Gäste sind da. Es wird ein gelungener Abend. Ich kann kaum die Augen von Becki nehmen und fühle mich nicht in der Lage ein logisches Gedankengebäude zu formulieren. Reden müssen heute andere! Dass meine Augen beständig an Becki hängen, verleidet allerdings auch ihren Vettern den Versuch einer Brautentführung. Ich weiche nicht von ihrer Seite.
Es wird spät. Gegen zwei Uhr am nächsten Morgen bestellen wir uns ein Taxi. Zuhause müssen wir beide lachen:
Ist es schon schwer in unserem Zustand mit dem wallenden Gewand die Treppe hinauf zu kommen, so versuche ich jetzt auch noch Becki hoch zu heben, um sie über die Türschwelle zu tragen. Ein Schritt und ich setze sie wieder ab. Vor lauter Stoff kann ich nichts mehr sehen.
Die erste Nacht als Ehepaar steht bevor. Nach dieser Feier sind wir doch totmüde. Als das Gewand verstaut ist, kuscheln wir uns im Bett eng aneinander und Becki genießt mein Streicheln. Aufgekratzt bedecke ich ihren Körper mit Küssen. Sie atmet schwer und stöhnt leise. Ihre Hand berührt kurz meine Leiste. Dann kommen wir zusammen. Wieder einmal erleben wir dieses überwältigende Gefühl. Danach sind wir beide erschöpft und glücklich.
"Du bist so wunderbar im Bett," flüstere ich ihr ins Ohr und unsere Lippen treffen sich. Ich wickele mir eine ihrer Locken um den Finger und sage leise:
"Deine schönen langen Haare..."
Rebeccas Augen werden feucht. Sie sagt mit belegter Stimme:
"Markus, bitte! Die Haare waren nicht mehr gesund und so ist es auch viel praktischer!"
Ich verschließe ihren Mund mit einem langen Kuss und flüstere eindringlich:
"Becki, Liebes, ich habe Dich geheiratet, nicht bloß deine Haare. Ich liebe dich, egal für welche Frisur du dich entscheidest! Du siehst auch so liebenswert aus. Glaube mir!"
Ich umarme Rebecca und eng umschlungen schlafen wir ein.
Gegen acht Uhr klingelt der Wecker. Kann nicht einer das Ding an die Wand werfen?
Aber es hilft nichts, wir müssen aufstehen. Um zehn Uhr fahren wir zum Flughafen. Wir wollen rechtzeitig einchecken, denn um zwölf Uhr ist der Abflug nach New York angesetzt.
Eine dreitägige Sightseeing- und Shoppingtour soll es werden. Rebecca möchte den Aufenthalt nutzen, um "angesagte" Läden zu durchstöbern.
Ich möchte ihr die Stadt zeigen und habe mir vorgenommen, Restaurants mit ausgesuchtem Panorama dem Anlass entsprechend für Festessen zu nutzen, zum Beispiel auf dem World Trade Center in mehren hundert Metern Höhe.
*
Endlich sitzen wir im Flugzeug. Die Sitze sind eng. Ich bin aufgeregt. Das ist der erste Flug meines Lebens. Mein Herz klopft wie wild, als das Flugzeug sich in Bewegung setzt. Am Ende der Startbahn zieht der Pilot sein Flugzeug in einem irren Winkel hoch. Mein Magen sackt durch. Wie sehr beruhigt es mich, dass ich Markus' Hand ergreifen – wenn nicht gar zerquetschen darf.
Zum Glück verläuft der Flug soweit ganz ereignislos. Es werden Filme gezeigt, die man über Kopfhörer in verschiedenen Sprachen mitverfolgen kann. Die Stewardessen liefern Getränke, Decken und Kissen.
Mit der Zeit werde ich müde und kann eine Weile an Markus' Schulter gekuschelt schlafen. Plötzlich weckt Markus mich und deutet aus dem Fenster.
Wow, ist die Skyline New Yorks beeindruckend! Ich habe das Gefühl, als würde die größer werdende Freiheitsstatue uns zuwinken. Sofort bin ich wieder hellwach und zittere vor Aufregung.
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Thema: Re: Nicht ohne Deine Liebe Di Aug 18, 2015 12:28 pm
Angst fährt mir in die Glieder, als wir uns nach der Landung den Einreiseschaltern nähern.
Überall Soldaten mit schussbereiten Waffen! Das Zoll- und Sicherheitspersonal sieht sich jeden Passagier genau an. Ich fühle mich gar nicht wohl und beachte peinlichst genau die gelben Markierungen auf dem Boden, über die man nur nach Aufforderung weitergehen darf. Schutzsuchend dränge ich mich an Markus.
Zum Glück sind unsere Pässe in Ordnung und wir können unbehelligt das Flughafengebäude verlassen. Wir gehen mit unseren Koffern zu den Yellow Cabs, den Taxis. Markus nennt das Hotel und wir lassen uns dorthin fahren. Unterwegs lässt die Anspannung fühlbar nach.
Die Fahrt geht über breite mehrspurige Straßen, an deren Rand himmelhohe Wolkenkratzer stehen und eine mehrstöckige sechsspurige Brücke. Ich bin so überwältigt, dass ich zusammenzucke als Markus mich leicht anstösst.
„Wir sind da, Liebes.“
Wir betreten eine weitläufige Eingangshalle, orientieren uns kurz und checken ein. Dann werden wir auf unser Zimmer geleitet. Dazu fahren wir mit einem Expressaufzug und gehen einen breiten Gang entlang. Das Zimmer öffnet sich mit einer Plastikkarte.
Was dann kommt, erschlägt mich fast. Am Eingang schon hatte ich den Eindruck, einen Palast zu betreten. Dieses Zimmer kommt mir so unwirklich vor, dass ich mich kneifen muss, weil ich meine zu träumen. Ich habe das Gefühl, dass sich jeden Moment irgendein Filmstar aus einem der Sessel erhebt und uns begrüßt. Ich habe weiche Knie und halte mich an Markus fest.
Als der uniformierte Junge, der uns hergeführt hat, uns alleine lässt und die Tür sich geschlossen hat, gebe ich dem Gefühl in meinen Knien nach, falle in einen der Sessel und schließe träumend die Augen.
Markus ist zu mir getreten, fährt mir zart über mein Haar und sagt mit sanfter Stimme:
„Liebes, diese Reise soll dir zeigen, wie meine Gefühle für dich sind. Erinnere dich besonders in zukünftigen Momenten des Zweifels immer wieder hieran zurück. Komm, steh’ auf, Becki, und lass uns das Zimmer genauer ansehen!“
Er fasst meine Hand und zieht mich wieder hoch auf die Füße. Spontan gebe ich ihm einen Kuss.
Der riesige Raum ist komplett mit einem kuscheligen hochflorigen Teppich ausgelegt. Die teure Sitzgruppe auf der einen Seite und ein Etwas hinter einem wallenden Vorhang auf der anderen Seite des Raumes! Neben diesem Etwas eine Tür und der Eingangstür gegenüber eine wandhohe Fensterfront, durch die man die umliegenden Wolkenkratzer sieht.
Markus steuert mit mir an der Hand auf die Tür zu und öffnet sie. Meine Augen weiten sich und ein staunendes "Oh!" entfährt meinen Lippen.
Denn es öffnet sich ein großer Raum, ganz in Gold und Rot gehalten. Unser Bad!
Markus betritt den Raum und nähert sich der riesigen Wanne.
„Hey, ein Whirlpool,“ ruft er aus. „Das werden wir ausgiebig nutzen – zu zweit, Liebes!“
„Sehr gerne,“ sage ich strahlend.
Dann geht Markus in unser Zimmer zurück und schlägt den Vorhang zur Seite.
„Becki, unser Bett. Und was für eins!“
„Oh,“ ist schon wieder das Einzige, was ich angesichts der riesigen Kissenlandschaft herausbringe. Hier hätten vier Personen schlafen können!
Markus lässt sich in die Kissen fallen und zieht mich mit.
Während er sich im Fallen dreht und auf der mir zugewandten Seite aufkommt, lande ich auf dem Gesicht in den Kissen. Zärtlich fasst er mich an der Schulter und dreht mich zu sich um. Verliebt schaue ich ihm in die Augen. Er küsst mich sanft auf die Nasenspitze, worüber ich immer innerlich lächeln muss, wenn er das macht.
Ich küsse ihn daraufhin auf den Mund und spüre seine Zunge an meinen Zähnen. Ich taste mit meiner Zunge nach seiner, schließe dabei die Augen und verliere jegliches Zeitgefühl. Alles um mich herum wird unwichtig. Hier sind nur noch zwei Personen: er und ich!
Langsam entkleiden wir uns gegenseitig, während Markus mich von Kopf bis Fuß streichelt und mit Küssen bedeckt. Vor Verlangen bebend genieße ich es sehr, als er endlich über mich kommt.
Eng an Markus gekuschelt liege ich danach lange neben ihm, lausche seinem regelmäßigen Atem, schaue zum Betthimmel und träume vor mich hin. Eine tiefe Verbundenheit mit Markus erfüllt jede Faser meines Körpers und erwärmt meine Seele. Ich wende meinen Kopf zu ihm, will ihn mit zärtlichen Augen anschauen und sehe, dass er mich die ganze Zeit schon mit einem zärtlichen, verliebten Blick betrachtet.
„Liebes, wir sind Eins...“ flüstert er und streicht mir zart über Hals und Schulter.
Hier ist es Mittag, während für unsere Körper inzwischen Abend ist. Wir sind beide so müde, auch wegen der vorhergehenden viel zu kurzen Nacht, dass wir bald eingeschlafen sind. Vor Mitternacht Ortszeit wachen wir wieder auf.
Markus rührt sich als erster nach einer weiteren Stunde kuscheln. Er schaut sich die Videoanlage an und bald hat er einen Film auf dem Bildschirm. Als das Video endet, ist es immer noch so früh. Er schlägt vor:
„Wenn du magst, probieren wir den Whirlpool aus und schauen dann mal an der Rezeption, ob da etwas herum liegt, worin steht, was man hier unternehmen kann. Danach frühstücken wir und machen ein kleines Programm für die nächsten Tage.“
Lächelnd stimme ich zu. Dann stehe ich schnell auf und lasse im Bad Wasser ein. Markus schaltet die Düsen zu und wir entspannen im warmen Wasser. Nach einiger Zeit drehe ich mich um und stütze mich mit Unterarmen und Kinn am Beckenrand ab. Markus beginnt nun an den Schultern, mich den Rücken abwärts zu massieren. Gleichzeitig stimulieren die Whirlpooldüsen meine Brüste – oh, mir wird ganz anders…
Ich beginne unwillkürlich mit dem Becken zu kreisen. Erst lässt Markus sich davon nicht beeindrucken und massiert den Rücken weiter. Als er bei Taille und Steiß angekommen ist, streicht er sanft über die Innenseite der Oberschenkel. Ich atme tief ein und richte mich kniend in der Wanne auf. Dadurch verliert er etwas den Halt und setzt sich lachend ins Wasser. Er kommt wieder hoch, während ich mich zu ihm umdrehe.
"Jetzt du!" sage ich lächelnd.
Bereitwillig lehnt sich Markus an den Beckenrand. Auch ich beginne an den Schultern, brauche aber etwas Kraft, um die Verspannungen zu lösen. Trotzdem belohnt er mich mit Wohllauten.
Wir frühstücken in der Lounge des Hotels und schauen beide in das Prospekt über New York. Markus hat uns zwei Exemplare an der Rezeption besorgt.
Neben den üblichen amerikanischen Schnell-Restaurants gibt es eine Menge Nationalitäten-Restaurants in der Stadt. Markus fragt mich, was ich denke, wenn ich das alles lese.
„Wir sind doch hier in Amerika, Liebling. Chinesisch und Italienisch können wir immer noch essen. Warst du schon einmal in einem amerikanischen Schnellrestaurant?“
„Nun ja, Liebes. Bei uns gibt es ja mehrere Ketten davon.“
„Ich weiß, Liebling. Aber wie bedienen die ihre Gäste in ihrem Stammland?“
Markus antwortet schmunzelnd: „Gut, Liebes. Du bist neugierig, ob das hier genau geht, wie bei uns: Schlangen an den Kassen... Dann essen wir heute Mittag amerikanisch!"
Wir melden uns an der Rezeption für eine Sightseeing-Tour mit einem dieser offenen Doppeldecker-Busse und nach Abschluß der Tour betreten wir nach Überquerung einer riesigen Kreuzung auf einem gelben Zebrastreifen, der quer über die Straßen führt, das gegenüberliegende Eckhaus.
Dort werden wir gleich am Eingang angesprochen und an einen freien Tisch im ersten Stock geleitet. Dann kommt eine junge Frau auf Rollschuhen und gibt Markus und mir je eine Karte mit kleinen Bildern der Menus zum Ankreuzen. Wenig später stoppt sie wieder vor unserem Tisch, um die Karten in Empfang zu nehmen. Als sie wenige Minuten danach wieder bei uns stoppt, stellt sie schon zwei dampfende Tabletts vor uns auf den Tisch.
Das nenne ich „Schnellrestaurant“, denke ich mir und muss lächeln.
Nach dem Essen bestellt Markus noch zwei Kaffeegedecke, die auch fast sofort serviert werden.
Am Nachmittag machen wir einen Schaufensterbummel, dann gehen wir zum Hotel zurück. Auf unserem Zimmer schalte ich den riesigen Fernseher ein. CNN ist eingestellt und ein Reporter berichtet in breitestem American-Englisch. Markus beginnt in den DVDs zu stöbern. Dann hat er einen Film gefunden, wechselt die Sprache auf Deutsch und wir schauen bis wir müde werden.
*
In der Morgendämmerung erwache ich als die Sonne durch die Fensterfront erste Strahlen in unser Zimmer schickt. Becki "klebt" eng an mir, was mich glücklich lächeln lässt. Vorsichtig, damit ich sie nicht wecke, verändere ich etwas meine Position und streichele mit der Hand sachte ihren Rücken. Bald regt sie sich auch, aber bleibt eine Zeitlang liegen und genießt wahrscheinlich meine Streicheleinheiten. Dann dreht sie sich zu mir und nimmt meinen Kopf in ihre Hände, um mir einen 'Guten-Morgen-Kuss' zu geben. Allmählich stehen wir auf und gehen ins Bad.
Nach einem ausgiebigen Frühstück im Hotel fahren wir mit der Metro zu den Schiffsanlegestellen am Potomac River. Wir haben eine dreistündige Rundfahrt gebucht. Es ist noch einmal ein ganz anderes Gefühl die Skyline New Yorks aus dieser Perspektive zu betrachten.
Wir essen an Bord zu Mittag und fahren nach der Rückkehr von den Anlegestellen zur Liberty. Nach dem Eintritt in die Freiheitsstatue machen wir uns an den Aufstieg zur Aussichtsplattform hinter der Stirn. Danach fahren wir mit der Metro zur Shopping Mall. Bis in die Dämmerung hinein schauen wir uns wieder die Geschäfte an, nur unterbrochen von Stopps in Coffee-Bars. Die Auswahl ist so riesig, aber wir wollen nur schauen.
Nach dem Abendessen schauen wir uns auf dem Zimmer noch ein Video an und legen uns dann wieder aneinander gekuschelt schlafen.
Am nächsten Morgen müssen wir schon packen. Wir nutzen die restliche Zeit, um noch einmal gemeinsam in den Whirlpool zu gehen, frühstücken dann und checken aus. Mit der Metro geht es wieder zurück zum Flughafen.
An Bord unseres Flugzeuges gibt es noch einmal fürstlichen Service und ein reichhaltiges, jedoch leichtes Mittagessen. Am Nachmittag New Yorker Zeit – es ist später Abend heimatlicher Zeit – landen wir wieder in Deutschland.
*
Als ich gegen Mittag aufwache, schläft Markus noch. Die Sonne steht schon hoch am Himmel. Ich hauche ihm einen sanften Kuss auf die obenliegende Wange und stehe auf, um uns ein Brunch zu bereiten, das Frühstück und Mittagessen verbindet. Während meines Hantierens in der Küche wacht Markus auf und schaut verschlafen durch die Tür, was ich dort mache.
„Hey, einen wunderbaren guten Morgen, Liebes! Das sieht ja gut aus, was du da tust!“ begrüsst er mich lächelnd.
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Thema: Re: Nicht ohne Deine Liebe Di Aug 18, 2015 12:31 pm
Später setzen wir uns in ein Restaurant und essen dort zu Mittag. Dann geben wir unsere Bilder im Fotoladen ab und besuchen zur Kaffeezeit meine Eltern. Es gibt viel zu erzählen.
*
Wieder im Alltag zurück steht Rebecca in der Firma voll "ihren Mann". Auf ihr kaufmännisches Gespür kann ich mich vollständig verlassen. Ihre Ratschläge sind Gold wert.
Aus meiner Assistentin wird mehr und mehr meine Stellvertreterin. Dennoch liegt ihr der Innendienst mehr. Kundenbesuche überlässt sie mir. Wie sie mir später erzählt, ist Wochen nach unserer Städtereise folgendes passiert:
Eines Morgens klingelt das Telefon im Büro. Frau Ludwig nimmt das Gespräch an.
"Ah, guten Morgen, Herr König. Wie geht es Ihnen? Was kann ich für Sie tun?"
"Guten Morgen, Frau Ludwig, Sie haben sicher schon gehört, dass ich nebenbei noch etwas für den Bundeswehrverband mache. Dort wurde in der letzten Vorstandssitzung eine Kampagne beschlossen. Ich hatte ein bißchen Werbung für Sie gemacht und regte an, dazu eine Präsentationswand zu verwenden. Damit sollen alle zehn Landesverbände ausgestattet werden. Wir brauchen also zwanzig Stück. Können Sie mir dazu ein Angebot zukommen lassen? Wieviel Mengenrabatt wäre möglich?"
Frau Ludwig überlegt kurz und antwortet dann:
"Ich will mich gerne darum kümmern, Herr König. Lassen Sie mir bitte etwas Zeit für die Kalkulation. Bis wann brauchen Sie das Angebot?"
"Im Laufe der nächsten Woche möchte ich damit in die nächste Vorstandssitzung gehen."
"Kein Problem! Sie haben das Angebot bis zum Wochenende auf Ihrem Schreibtisch," beruhigt ihn Frau Ludwig.
Nach noch ein wenig Small Talk beendet sie das Gespräch und bearbeitet die Anfrage am Computer. Es wird geklärt, welche Einzelteile benötigt werden, was vorhanden ist, was hergestellt werden kann, was dazugekauft werden muss und wie lange das dauert. Diese Informationen lässt sie sich ausdrucken und kommt damit zu Rebecca, da ich wieder einmal auf Kundenbesuch außer Haus bin.
"Rebecca, ich habe die Anfrage zu einem Großauftrag erhalten! Schau mal hier: Zwanzig der großen Präsentationswände mit allem Zubehör auf einen Schlag. Bis auf die Folien und die Transportbehälter ist alles auf Lager. Es muss nur zusammen geschraubt werden. Der Computer gibt ein Limit von 25 Tagen vor. Es geht um ein Auftragsvolumen von 50.000,- Mark!"
"Was sagt der PC zum Deckungsbeitrag, Lielu?"
"23.000,-. Wieviel Mengenrabatt darf ich anbieten?"
"Lass' mal sehen. - Der Bundeswehrverband, über Herrn König, unseren Versicherer! Den gilt es sich warm zu halten! Sag' ruhig zehn Prozent zu! Ich nehme an, dass sich Markus sehr darüber freut!"
"Ich kann also zusagen?"
"Ja sicher, Lielu! Wir überraschen Markus, wenn der Auftrag hereinkommt!"
Eineinhalb Wochen nach diesem Ereignis bringt der Postbote unter anderem einen Brief mit aufgestempelten Bundeswehremblem. Frau Ludwig nimmt die Post entgegen, sortiert die Briefe aus, die an mich persönlich gerichtet sind, legt diesen Brief darunter und bringt sie mir.
Der Brief mit dem Bundeswehremplem fällt mir schon bei der Durchsicht auf. Ich runzele die Stirn und öffne ihn als ersten. Während ich lese, hellt sich meine Miene mehr und mehr auf.
Rebecca, von Frau Ludwig informiert, beobachtet mich aufmerksam und tritt jetzt mit einer Flasche Sekt und drei Gläsern an meinen Schreibtisch. Ich schaue auf. Rebecca fragt fröhlich:
"Was sagst du dazu? Ist das ein Grund Sektkorken knallen zu lassen?"
"Das Auftragsvolumen hat das dreißigfache eines Durchschnittsauftrags. Natürlich ist das ein Grund! Aber nachher wird gründlich gearbeitet! Wenn der Auftrag erledigt und das Geld eingegangen ist, lade ich die ganze Belegschaft zu einer Peking-Ente ein!"
Abends zuhause vor dem Fernseher komme ich noch einmal auf den Großauftrag zurück, lasse mir von Becki den Hergang erzählen und schließe:
"Liebling, was wäre ich ohne dich?"
Rebecca antwortet schnippisch von der Récamiere her:
"Ich weiß, gäbe es mich nicht, dann hättest du jemand anderen!"
Ich grinse spitzbübisch und kneife Becki leicht in die Seite. Sie lacht und setzt sich auf. Den Moment nutze ich, halte sie an der Schulter fest und küsse sie leidenschaftlich. Rebecca löst sich atemlos und zieht mich nun ihrerseits zu sich herüber, so dass ich halb auf ihr zu liegen komme. Sie stöhnt und lacht gleichzeitig. Ich küsse sie und wandere mit meiner Hand über ihren Körper. Ihre Erregung steigert sich. Wortlos stehen wir danach auf und gehen hinüber ins Schlafzimmer. In dieser Nacht schlafen wir erst spät ein.
Mit der Zeit taucht bei Freunden und Verwandten immer öfter die Frage nach Nachwuchs auf. Rebecca reagiert nüchtern:
"Grundsätzlich ja," sagt sie. "Aber die Firma muß erst ein Selbstläufer werden, damit wir die Angestellten von Zeit zu Zeit auch einmal alleine lassen können, um mehr Zeit für private Dinge zu haben."
"War es Schicksal, Fügung oder führt mich eine höhere Macht an der Hand? Hat Mama von oben ein Auge auf mich? Dass ich Becki schon in ihrer Kindheit traf und sich unser beider Lebensweg Jahre später wieder mehrfach kreuzte, kann doch kein Zufall gewesen sein? Wir sind wie füreinander geschaffen."
Ich grübele oft.
"Wir ergänzen uns im Beruf und entdeckten in der Folgezeit viele Gemeinsamkeiten. Natürlich entdeckten wir auch unterschiedliche Meinungen. Ich will verstehen, warum Becki manchmal anderer Meinung ist. Wir reden viel miteinander. Mir fällt es leicht mit einem so geliebten Menschen Kompromisse zu finden, wo nötig."
Was stellen wir uns nicht alles vor, was uns die Zukunft bringen wird. Seien es Reisen, Haus oder Kindererziehung. Doch das kostet Geld, das erst angespart werden will. Erst Geld ausgeben und dann Schulden abzahlen, ist meine Sache nicht. Immer nur sparen möchte Becki dagegen nicht. Sie möchte das Leben genießen.
Natürlich weiß ich, dass Becki auch recht hat. Nur zu gern lasse ich mich mitreißen. Es gilt, einen Mittelweg zu finden.
"Gemeinsam können wir viele schöne Stunden erleben, die sich lohnen, aufgeschrieben zu werden. - Zu welchen Aktivitäten inspiriert mich Becki da? Wie schön wird es im Alter sein, in einem eigenen Buch zu lesen und in Erinnerungen zu schwelgen. Oder wie schön ist doch die Vorstellung, später seinen Kindern und Enkeln auf die Frage, woher sie stammen, von zwei jungen Verliebten zu erzählen," sage ich mir.
Ich kaufe mir ein Taschenbuch zum Thema Ahnenforschung und beginne an den Wochenenden umliegende Pfarreien abzugrasen und in deren Büchern zu stöbern. Zu weiter entfernten Zielen fährt Becki mit. So entdecken wir gemeinsam die verschiedenen Landschaften, in denen früher meine Vorfahren lebten. Nach einigen Monaten geraten die Nachforschungen ins Stocken. Ich mache eine Bestandsaufnahme. Inzwischen kann ich etwa 300 Jahre bäuerliches Milieu überblicken, bis zum Dreißigjährigen Krieg. Weiter zurück reichen die Kirchenbücher nicht. Damals ist viel vernichtet worden. Aus dem gesammelten Material ein Buch herzustellen, erscheint mir schwierig. Ich stelle den Ordner mit den Personalstammblätern der ermittelten Vorfahren ins Regal und will erstmal "Gras drüber wachsen lassen", bevor ich die Sache wieder in Angriff nehme. Da bekomme ich einen Band über meinen Nachnamen. Die Herkunft und Bedeutung wird erklärt. Viele Auswanderer, insbesondere in die USA werden darin namentlich genannt - und ein Wappen wird gezeigt. Es zeigt einen Ritterhelm mit Schild darunter. In dem Schild befindet sich eine zweisprossige links gelehnte Leiter. Trotzdem lege ich die Ahnenforschung fürs Erste zur Seite.
*
Eines Morgens, etwa drei Jahre nach unserer Hochzeit, sitze ich mit Markus am Frühstückstisch, wie so oft. Die Sonne scheint. Heute habe ich auf dem Balkon den Tisch gedeckt und mit Blumen dekoriert. Während ich ihm einen Kaffee einschenke, schaue ich ihn an und sage geheimnisvoll:
"Markus, ich war gestern beim Frauenarzt!"
"Ich weiß, du hattest einen Termin. - Und was hat er dir geraten?" fragt Markus. Er schaut gespannt zu mir auf.
"Er meinte, Heißhunger auf alle möglichen Sachen wären in meinem Zustand nichts ungewöhnliches!"
Das nun folgende Bild hätte ich zu gern auf Film gebannt! Markus' Kinn klappt herunter. Seine Augen sind weit offen.
"Du bist schwanger!" ruft er nach kurzer Pause.
Nichts hält ihn mehr auf seinem Stuhl. Er springt auf. Der Stuhl kippt nach hinten weg! Er beugt sich zu mir herunter und küsst mich auf die Stirn.
"Na na, nicht so stürmisch! Lass' die junge Mutter leben!"
Ich habe schnell die Kaffeekanne abgestellt und lache glücklich.
*
Ich bin total aus dem Tritt. Ich will irgendetwas tun, weiß aber nicht was. Gegen Mittag im Büro sage ich schließlich zu Rebecca, nachdem ich den ganzen Vormittag keinen klaren Gedanken fassen konnte:
"Becki, ich muss einmal an die frische Luft! Wenn jemand mich sprechen will: Morgen ist auch noch ein Tag. Ich gehe in den Stadtpark."
Es ist ein schöner Tag. Viele Leute sind auf den Beinen. Mit dem Auto fahre ich die drei Kilometer bis zum Parkplatz, aber ich halte hier nicht. In der Nähe ist ein Einkaufszentrum. Unterwegs ist mir ein Gedanke gekommen. Im Blumenladen kaufe ich fünfzig rote Rosen. Damit fahre ich nach Hause. Hier werde ich von der Nachbarin erwischt. Sie grüßt freundlich, mit einem gespannten Gesichtsausdruck.
'Soll sie im Augenblick denken, was sie will,' denke ich mir, grüße freundlich zurück und öffne die Wohnungstür. Ich dekoriere nun die ganze Wohnung mit den Blumen.
'Irgendetwas fehlt noch,' grübele ich kurz, nachdem ich das Arrangement überblickt habe.
Also fahre ich zum Einkaufszentrum zurück und spaziere noch einmal durch die Gänge. Am Schaufenster des Juweliers stutze ich.
'Das ist es!' freue ich mich.
Diese Brosche ist gekauft. Die flache Schachtel verschwindet in meiner Jackentasche.
'Jetzt fehlt nur noch eins. Das Steakhaus im Einkaufszentrum wird doch einen Tisch für Zwei heute Abend frei haben?' gedacht, gebucht - und zurück zur Firma.
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Thema: Re: Nicht ohne Deine Liebe Di Aug 18, 2015 12:34 pm
Dann fahre ich zur Firma zurück. Dort stelle ich meinen Wagen ab und gehe fröhlich pfeifend ins Büro. Becki empfängt mich mit besorgter Miene:
"Drei Stunden warst du weg! Bist du jetzt mit dir im Reinen, du werdender Vater? Dann können wir ja nach Hause fahren!"
"Sei nicht sauer, Becki, manchmal muss ich alleine sein, um Ruhe in meine Gedanken zu bringen," antworte ich ihr beschwichtigend.
"Du freust dich doch auf unser Kind?"
Rebecca schaut unsicher.
"Natürlich freue ich mich! Das ist es ja!" stelle ich nachdrücklich klar.
*
Nachdem wir zu Hause ankommen, geht Markus an den Kofferraum und trödelt dort herum. Also gehe ich schon mal vor und betrete die Wohnung. Was ich zu sehen bekomme, verschlägt mir die Sprache. Vorsichtig Fuß vor Fuß setzend gehe ich von Zimmertür zu Zimmertür und schaue mich mit großen Augen um. Endlich habe ich mich gefangen und dem ersten Impuls folgend, drehe ich mich zur Wohnungstür, reiße sie auf - und falle Markus in die Arme, der in diesem Moment gerade die Wohnung betreten will.
*
An der Wohnungstür angekommen zücke ich gerade den Wohnungsschlüssel, als die Tür auffliegt und ich Becki gerade noch festhalten kann. Bevor ich eine lustige Bemerkung dazu loswerden kann, umarmt sie mich stürmisch und verteilt kleine leidenschaftliche Küsse überall im Gesicht.
"Markus, Liebster, ich dachte, ich kenne dich inzwischen. Aber ich muss sagen: Du überraschst mich immer wieder!"
Ich lächele glücklich darüber.
"Liebes, ich möchte heute Abend mit dir essen gehen. Was hältst du davon?" frage ich.
"Viel! Natürlich komme ich mit!" ruft sie ganz begeistert.
Im Restaurant angekommen, werden wir zu einer kleinen Ecke an einen Tisch mit zwei Gedecken geführt. Nach der Bestellung und einem Glas Sekt zuvor, kommt das Essen. Dann gesellt sich ein Geiger dazu und unterhält uns mit seinem virtuosen Spiel. Becki schaut mir immer wieder zärtlich in die Augen. Beim Dessert sage ich:
"Becki, ich liebe dich. Du hast mir heute das bisher schönste Geschenk gemacht! Darum die Rosen, der Geiger und dann habe ich noch etwas für dich!"
Ich greife in die Tasche und überreiche Becki die Schmuckschatulle. Sie löst die Schleife mit zitternden Händen, öffnet die Schatulle und bekommt große Augen:
"Oh, ist die schön!" - und umarmt mich über den Tisch. Der Geigenvirtuose überschlägt sich fast. Ich gebe ihm ein fürstliches Trinkgeld und dann verlassen wir das Restaurant.
*
Am nächsten Tag rufe ich Mama an:
"Mama, ich bin's. Ich möchte dich fragen, ob ihr am Wochenende etwas Zeit habt. Wir würden gerne wieder einmal zum Kaffee zu euch kommen."
"Gerne, Rebecca. Ihr habt euch ja ziemlich rar gemacht in der letzten Zeit!"
"Mama, du weißt doch: die Firma ..."
"Ich mache dir doch keinen Vorwurf, Kind. Wir freuen uns ja für euch, wenn eure Geschäfte laufen. Aber natürlich freuen wir uns sehr, wenn ihr uns zwischendurch besuchen kommt. Also Sonntag um vier?"
"Abgemacht!"
Am darauffolgenden Sonntag klingeln wir pünktlich an der Wohnungstür meiner Eltern. Werner öffnet und begrüßt uns. Während wir unsere Jacken an der Garderobe aufhängen, sagt Markus:
"Na Werner, wie geht es deiner Freundin? Zieht ihr bald zusammen?"
Werner antwortet lächelnd:
"Sicher, bald. Diesen Sommer ist ihre Ausbildung zu Ende. Wenn sie dann übernommen wird, wollen wir uns etwas suchen."
Sie gehen ins Wohnzimmer, wo ein festlich gedeckter Tisch auf sie wartet. Der Kaffee duftet. Ein altdeutscher gedeckter Apfelkuchen und ein Zwetschgenkuchen stehen schon bereit.
In diesem Moment tritt Mama dazu. Sie hält eine Schüssel mit Sahne in der Hand. Markus nimmt ihr die Schüssel ab und überreicht ihr gleichzeitig einen Kaktus mit einer Keramikfigur.
"Hallo Martha," begrüßt er sie, "ich habe mir gedacht, der fehlt noch in deiner Sammlung."
"Hallo Markus." Sie lacht. "Ein Kaktus für die Schwiegermutter! Das hat Symbolwert!"
"Ich weiß doch, dass du Kakteen und Kakteenartige sammelst und da dachten wir, ein Strauß Blumen oder eine Schachtel Pralinen sind vergänglich. Von einer Topfpflanze hast du jahrelang etwas."
"Das stimmt. Vielen Dank euch beiden. Und wie geht es euch? Was machen die Geschäfte?"
"Wir können uns nicht beklagen. Es geht so. Du weißt, man ist irgendwie nie zufrieden. Aber wir wollen heute einmal den Alltag draußen lassen."
"Natürlich," wirft Papa ein, der hinzu gekommen ist. "Aber setzt euch doch und langt zu. Wenn ihr hin und wieder abschalten wollt, kommt ruhig öfter zum Kaffee!"
Während wir uns alle an den Tisch setzen, sage ich lächelnd:
"Das hatten wir uns für die Zukunft tatsächlich vorgenommen, Opa!"
Papa wirkt etwas verständnislos. Man sieht, wie es in ihm arbeitet.
'Bin ich denn schon so alt?' muss er jetzt wohl denken.
Ich lache ihn fröhlich an.
"Papa, wir sind heute zum Kaffee gekommen, um euch zu sagen, dass ihr Großeltern werdet!"
Mit diesen Worten schiebe ich ihm meinen Mutterpass hinüber. Werner und Mama gratulieren den Markus und mir. Endlich hat sich auch Papa wieder gefangen.
"Das ist aber eine Überraschung. Dann kommt ja bald wieder Leben ins Haus!"
Es wird noch ein schöner Nachmittag. Wir genießen die Aufmerksamkeit in der Familie. Beim Abschied am Abend spricht Markus Werner an:
"Bevor wir es vergessen: Wir brauchten dann einen Patenonkel. Werner, was wäre mit dir?"
Werner bekommt glänzende Augen. Stolz sagt er zu.
*
Acht Monate danach wache ich mitten in der Nacht auf. Becki rüttelt mich ängstlich aufgeregt.
"Markus - Markus, ich glaube, wir müssen los. Ich glaube, es kommt."
Ich schaue verschlafen in ein verschwitztes Gesicht mit großen Augen. Schlagartig bin ich wach und schnell habe ich mich angezogen. Dann helfe ich Becki aus dem Bett und in ihre Umstandskleidung. Wir haben einen Koffer schon seit Tagen gepackt in einer Ecke stehen. Den nehme ich jetzt und stütze mit der Hand Becki beim Treppe hinab gehen.
Es ist zwei Uhr nachts. Becki, auf dem Beifahrersitz, stöhnt von Zeit zu Zeit leise auf. Zum Glück sind die Straßen leer.
Auch die nächste Ampel springt auf Gelb.
'Mist,' denke ich. 'Zu weit weg. Das schaffe ich nicht mehr. Ausgerechnet jetzt rote Welle!'
Ich nehme den Fuß vom Gas, lasse den Wagen ausrollen und bremse auf den letzten Metern sanft ab. Es wird wieder Grün. Die Reifen quietschen.
Endlich haben wir das Krankenhaus erreicht. Ich biege nach rechts in die Einfahrt ab. Dort parke ich den Wagen, nehme den Koffer von der Rückbank und helfe Becki liebevoll besorgt beim Aussteigen.
Auf der Station angekommen werden sofort die ersten Untersuchungen gemacht. Der Wehenschreiber wird angelegt.
"Der Muttermund ist noch nicht weit genug offen," heißt es. "Ansonsten ist alles okay. Gehen Sie mit ihrer Frau noch ein paar Mal den Gang auf und ab."
Es wird drei Uhr. Es wird vier Uhr.
Um sieben Uhr werden wir unruhig. Unser Kind lässt sich ganz schön viel Zeit. Der errechnete Termin war doch vorgestern! Die Schwestern messen von Zeit zu Zeit Becki's Werte. Alles im grünen Bereich?
Um halb neun rufe ich in der Firma an und sage Bescheid.
"Hier ist alles in Ordnung," antwortet Frau Ludwig beruhigend. "Konzentrieren Sie sich heute Morgen auf sich und das Baby. Morgen berichte ich Ihnen, was sich hier getan hat."
Immer wieder wechseln kurze Untersuchungen mit kleinen Spaziergängen. Zwischendurch muss ich Becki öfter stützend festhalten. Sie atmet schwer, wenn wieder eine Wehe kommt.
Gegen Mittag sagt man uns, dass Becki sich hinlegen soll. Sie kann nicht mehr. Dann um halb vier schiebt man Becki in einen Nebenraum.
Der Frauenarzt kommt zu uns und spricht eine Änderung an:
"Wir haben uns entschlossen, ihr Kind zu holen. Länger sollten wir nicht mehr warten. Keine Angst, wir haben alles unter Kontrolle. Es ist nur ein kleiner Eingriff nötig. Das ist Routine!"
Zu mir gewandt sagt er:
"Sie sollten aber draußen bleiben!"
Ich verlasse Becki schweren Herzens, drücke ihr noch einmal die Hand und setze mich auf dem Flur auf eine Sitzbank. Ein paar Minuten später stehe ich jedoch wieder auf und beginne unruhig auf und ab zu gehen. Draußen vor dem Fenster scheint die Sonne auf eine grüne Rasenfläche. Ich schaue hinaus. Zwei Kaninchen hoppeln darauf herum. Eine Weile schaue ich ihnen zu. Etwas ruhiger geworden, gehe ich zu meiner Bank zurück und setze mich wieder. Da geht die Tür auf.
"Herr Peters?"
"Ja?"
"Schauen Sie, das ist ihre Tochter! Ist sie nicht süß? Wie soll sie denn heißen?"
Eine Krankenschwester kommt mit einem Stoffbündel auf den Gang, aus dem ein kleiner roter Kopf herausschaut. Der schreit seinen Protest in die Welt.
"Stephanie," antworte ich und folge ihr in den Raum.
Die Schwester fädelt ein paar Buchstabenwürfel auf und bindet dem Baby den Namen um das Handgelenk. Ich beuge mich über die erschöpft, aber glücklich lächelnde Becki und gebe ihr einen zarten Kuss, während ich ihre Hand drücke.
"Ihre Frau hat eine örtliche Betäubung erhalten. Sie hat per Kaiserschnitt entbunden, das wissen Sie. Wir bringen sie gleich auf die Wöchnerinnenstation. Gehen Sie ruhig schon mal vor!"
Ich gehe ins Krankenzimmer und hänge mich gleich an das Telefon. Wen wollte ich alles anrufen? Eltern, Schwiegereltern, Schwester, Schwager, Opa. Einfach alle.
Becki wird herein gebracht. Sie hält unser kleines Mädchen im Arm. Neugierig schaut Stephanie in die Runde und nuckelt dabei an Beckis Zeigefinger.
"Liebes, wie geht es dir?" frage ich mit besorgter Miene.
"Na ja, wie du siehst - erschöpft," erwidert Becki schwach lächelnd.
Ich setze mich auf die Bettkante, gebe ihr noch einen Kuss und streichele ihre Wange. Mit dem Zeigefinger der anderen Hand berühre ich vorsichtig Stephis Finger. Stephi greift danach und zieht den Finger ihres Vaters in den Mund. Ich lasse sie gewähren. Ich bin glücklich.
Becki muss noch eine Woche im Krankenhaus bleiben und soll danach ein paar Mal zu Nachuntersuchungen wiederkommen.
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Thema: Re: Nicht ohne Deine Liebe Di Aug 18, 2015 12:37 pm
Als Becki endlich nachhause darf und wir mit unserem Mädchen an unserer Wohnung ankommen, ist die Haustüre mit einer grünen Girlande dekoriert und über der Wohnungstüre hängt eine Wäscheleine mit Babysachen.
Spontan reckt sich Becki mir entgegen und gibt mir einen Kuss.
"Dafür bist sicher du verantwortlich!" sagt sie.
Ich grinse spitzbübisch.
"Ich weiss, alle Schlechtigkeiten traust du mir zu. Aber diesmal bin ich unschuldig. Gehen wir erstmal hinein."
Ich öffne die Tür. In diesem Moment setzt ein Chor zu einem Ständchen an. In der Wohnung ist die komplette Belegschaft versammelt und beglückwünscht Rebecca, als sie geendet haben.
Herr Schneider, der Werkstattleiter, sagt dann noch, dass die Belegschaft zusammengelegt hat und einen Kombikinderwagen schenkt.
Ich gehe von Einem zum Anderen und schenke den Anwesenden Sekt aus. Dabei bedanke ich mich, während Becki Stephi beruhigt, die nun wieder lautstark ihre Anwesenheit kundtut.
*
Ich habe mich entschlossen, mich erst einmal ausschliesslich nur um unsere Stephi zu kümmern. Das bedeutet natürlich am Anfang einen 24-Stunden-Job zu Hause. Markus hilft mir zu Hause so gut er kann und in der freien Zeit werden viele gemeinsame Spaziergänge an der frischen Luft unternommen.
Währenddessen kommt unweigerlich das Gespräch auf das Thema Familienfinanzen. Bisher stand ich ja auf Markus' Lohnliste. Nun bleibe ich zu Hause. Meine Arbeit für die Firma wird von Frau Ludwig zusätzlich erledigt, die dafür länger in der Firma bleibt. Dadurch steigt ihr Gehalt.
"Becki, Liebling! Frau Ludwig hat mich gestern darauf aufmerksam gemacht, dass wir sparen müssen. Wenn dein Gehalt weiterläuft und Frau Ludwig zusätzlich Vollzeit bezahlt wird, beziehungsweise eine Auszubildende demnächst eine Vergütung erhält, haben wir zusätzliche Kosten von 24.000,- Mark im Jahr. Wir könnten unsere Entwicklungskosten zurückfahren, um das auszugleichen. Aber das würden unsere Wettbewerber schamlos ausnutzen."
Ich schaue Markus ernst an.
"Wir müssen uns also privat einschränken?"
"Jein, wir müssen rechnen. So eine Übereinkunft, wie die, die mein Vater mit meiner Mutter in den Fünfzigern getroffen hat, ist heute nicht mehr drin."
"Welche Übereinkunft?"
"Du weisst, dass mein Vater damals ein kleiner Handwerker war. Er sagte meiner Mutter, sie könnte sich aus der Kasse nehmen, was sie braucht. Sie muss nur beachten, dass sie nie mehr herausnimmt, als hereinkommt."
"Oh, was ist, wenn eine größere Lieferung kommt, oder etwas repariert oder ersetzt werden muss?"
"Das ist der Haken! Man kann Geld ansparen und die vom Steuerberater ermittelten Abschreibungen ebenfalls auf der Bank festlegen. Im Notfall braucht man dann aber doch einen Kredit. Ich habe Frau Ludwig beauftragt einen Liquiditätsplan zu erstellen. Du solltest das gleiche für unser privates Budget machen, das ja nun durch Stephi größer ist. So sehe ich, wieviel Geld wir brauchen und wieviel die Firma abwirft Monat für Monat. Dann sprechen wir gemeinsam darüber, wie hoch mein Geschäftsführergehalt angesetzt werden kann und wie hoch dein Taschengeld ausfallen darf. Schließlich kann man nicht mehr Geld ausgeben, als das, was man hat."
"Du willst mir Taschengeld zahlen?"
"Liebling, ich denke jeder Mensch braucht Geld zu seiner freien Verfügung. Das ist kein Almosen von mir. Aber wenn du, wie bisher, selbst erwirtschafteten Lohn haben willst, musst du dir eine Nebenbeschäftigung suchen, gerne auch bei uns in der Firma. Du musst nur sehen, dass du die Nebenbeschäftigung mit der Kinderbetreuung vereinbaren kannst. Wenn du mit dem Geld aus der Nebenbeschäftigung ein Kindermädchen bezahlst, hast du ja immer noch kein Geld für dich übrig! - Halt, warte! Mir fällt noch etwas ein: Aus dem Gewinn des Vorjahres erhältst du einen Anteil, da du ja praktisch Mitinhaberin bist. Die Höhe berechnet der Steuerberater. Dann fühlst du dich nicht finanziell von mir abhängig, wie das bei dem Wort Taschengeld vielleicht scheint. Wie gefällt dir diese Idee, Liebling?"
Hier hat Markus tatsächlich einen wunden Punkt getroffen. Ein Taschengeld aus seinem Geschäftsführergehalt, eine Apanage, möchte ich nicht haben. Ich möchte mich nicht "aushalten lassen"! Aber er hat schnell den Dreh gefunden und ihm ist die richtige Idee gekommen: Wir beide als gleichberechtigte Gesellschafter erhalten eine Gewinnbeteiligung, deren Höhe unser Steuerberater berechnet. Daneben erhält Markus ein stark verringertes Geschäftsführergehalt, das ausreicht unsere laufenden Fixkosten wie Miete und Umlagen zu decken. Mit dieser Idee gehen wir zu unserem Steuerberater, der die Firma rechtlich in eine GmbH umwandeln helfen soll.
*
Nachdem nun Frau Ludwig kurzzeitig in Vollzeit arbeitet, haben wir uns entschlossen im Sommer noch einmal eine kaufmännische Auszubildende einzustellen.
Auf die Anzeige in der Tageszeitung melden sich 32 junge Frauen. Die Bewerbungen um den Ausbildungsplatz müssen gesichtet und gesiebt werden. Nach einer Auswahl nach Sauberkeit, Vollständigkeit und Rechtschreibung fallen neunzehn Bewerberinnen heraus. Die restlichen Dreizehn werden durchgelesen. Welche davon ist interessant? Welche Bewerbung macht neugierig auf die Person dahinter?
Ich lege die Bewerbungen auch Becki zur Bewertung vor. Drei Bewerberinnen werden zum Vorstellungsgespräch geladen. Corinna Heinz macht das Rennen. Sie hat die meisten Punkte auf sich vereint und als einzige zum Abschluss des Vorstellungsgesprächs die Initiative ergriffen und Fragen zur Firmengeschichte und Marktchancen der angebotenen Produkte gestellt.
*
Das diesjährige Sommerfest zum zehnjährigen Firmenjubiläum rückt näher. Während ich mich um Essen und Getränke kümmere, wird in der Firma eine kleine Umfrage zu Motto und Programm des Abends gestartet. Da die sechs Mitarbeiter ihre Partner mitbringen dürfen, um wie gewohnt in familiärer Atmosphäre feiern zu können, kommt natürlich auch Rebecca mit Stephi vorbei.
Irgend etwas lag schon Wochen vor der Party in der Luft. Neben der offiziellen Umfrage war wohl noch eine Inoffizielle im Umlauf, da des öfteren getuschelt wurde.
*
Der Abend des Sommerfestes ist da. Während sich nun alle angeregt beim Essen miteinander unterhalten und der engagierte Musiker sein Keyboard bearbeitet, steht Werkstattleiter Rolf Schneider auf und schaut erwartungsvoll in die Runde.
"Entschuldigung, hört mir bitte alle kurz zu. Zuerst möchte ich einen Toast auf unseren Chef aussprechen: Mögen er und unsere Chefin uns noch lange erhalten bleiben! Die Belegschaft hat gesammelt und diesen - danke, Rudi - Präsentkorb für Sie beide zusammenstellen lassen! Und dann möchte ich noch unsere Hochzeit bekanntgeben. Meine Freundin Daniela und ich haben uns entschlossen nächsten Samstag um 14:30 Uhr zu heiraten. Ihr seid natürlich alle sehr herzlich eingeladen!"
Jetzt ist die Reihe an mir, zu antworten:
"Vielen Dank euch allen! Damit habt ihr uns echt überrascht! Und euch, Rolf und Daniela, wünsche ich alles Gute für die Hochzeit und natürlich für eure gemeinsame Zukunft. Wir nehmen die Einladung gerne an. Da spreche ich sicher auch im Namen der anderen Anwesenden."
Allseitiges Kopfnicken und beipflichtendes Gemurmel ist die Antwort.
Es wird noch ein schöner Abend. Becki bringt Stephi, als sie müde wird, aus der geschmückten Werkstatt nach vorne ins Büro. Dort haben wir ein Reisebett aufgestellt.
Gegen ein Uhr in der Nacht lösen wir dann die Party auf, nehmen unsere schlafende Maus auf den Arm und fahren nach Hause.
Anderentags, an einem Sonntag ist großes Aufräumen angesagt. Drei Männer treffen sich mit mir, um die Firma für Montag zum Arbeiten wieder herzurichten.
*
Zum 1.September beginnt Corinna Heinz ihre Ausbildung zur Bürokauffrau.
Sie ist ein aufgewecktes Mädchen mit vielen Ideen. Einen kleinen "Schönheitsfehler" hat sie allerdings: Mathematik und Fremdsprachen sind nicht gerade ihre Stärken. Wie Becki damals, wird sie schon vom ersten Tag an in den betrieblichen Ablauf integriert. Mit dem Unterschied allerdings, dass ich ihr viel mehr erklären muss.
Natürlich kann ich sie nicht mit Becki vergleichen, da sie ganz frisch von der Schule kommt, während Rebecca schon im Büro gearbeitet hatte.
Die Neue macht sich trotzdem ganz gut. Nachdem ich ihr Halbjahreszeugnis der Berufsschule gesehen habe, biete ich ihr an, ihr nach Feierabend bei uns zuhause mit Unterstützung von Becki Nachhilfe zu geben. Wir richten uns teils nach dem Lehrstoff der Berufsschule, teils nach den Prüfungsanforderungen, die Rebecca noch kennt.
*
Da in einem Jahr wieder ein Messebesuch ansteht, gebe ich Corinna den Auftrag diesen vorzubereiten. Ich rufe sie zu mir und biete ihr einen Platz mir gegenüber an:
"Corinna, ich habe mich entschlossen, Ihnen zur Übung ein Projekt zu übertragen. Keine Angst, Sie erhalten alle Informationen, die Sie benötigen! Ich denke, Sie lernen am meisten, wenn Sie eine verantwortungsvolle Arbeit erledigen dürfen."
Corinna fragt aufgeregt:
"Was kann ich Ihrer Meinung nach tun, Herr Peters?"
"Unseren nächsten Messeauftritt erarbeiten!"
Corinna richtet sich kerzengerade im Sessel auf. Ihre Augen sind leicht schockgeweitet.
"Herr Peters! Sind Sie sicher, dass ich die richtige Person dafür bin?"
"Corinna, wer den Freischwimmer machen will, muss den Mut haben, ins Wasser zu springen! Im übrigen sind Sie die einzige junge Dame von allen Bewerbern, die von mir einen Ausbildungsvertrag erhalten hat. Meine Frau hat damals in Ihrem Alter ebenfalls diese Aufgabe erhalten und mit Bravour gelöst. Wie gesagt, Sie werden nicht allein gelassen mit der Aufgabe! Als erstes lassen Sie sich das Messeverzeichnis geben und suchen die für uns relevanten Messen heraus. Ihr Ergebnis zeigen Sie mir dann bitte!"
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Thema: Re: Nicht ohne Deine Liebe Di Aug 18, 2015 12:40 pm
Eine Stunde später zeigt mir Corinna mit skeptischem Blick eine kleine Liste mit drei Messen. Markus wirft einen Blick auf das Blatt und sagt lächelnd:
"Gut gemacht, Corinna. Von den Dreien ist diese hier die Messe, die für unsere Zwecke am besten geeignet ist. Dort rufen Sie heute noch an und sagen Sie ruhig, dass Sie neu sind und Informationen für Erstaussteller zugesandt haben möchten. Diese Prospekte sind Ihr persönliches Arbeitsmaterial. Machen Sie sich dafür einen Ordner klar. Haben Sie Ihre Post erhalten, schreiben Sie eine schriftliche Anfrage. Fragen Sie nach Standmiete und Hallennummer für einen 25qm-Stand. Fragen Sie, wann man mit dem Aufbau beginnen kann und wann der Abbau beendet sein muss. Bevor Sie den Brief absenden, möchte ich ihn gerne Korrektur lesen. In der Zwischenzeit machen Sie sich eine Liste der in Frage kommenden Hotels, telefonieren diese ab und lassen sich Angebote für zwei Einzelzimmer schicken. Die gehen wir dann gemeinsam durch."
"Ich tue mein Möglichstes, Herr Peters!"
Corinna wirkt unsicher.
"Sie schaffen das, Corinna! Wenn sich trotzdem ein Problem auftut, lassen Sie sich ruhig helfen."
Ich rede beruhigend auf meine Auszubildende ein, deren Herz bis zum Hals klopft.
Corinna telefoniert den Rest des Tages und wartet dann einige Tage auf die Post, während sie weiter Routinearbeiten erledigt. Die schriftliche Anfrage wird besprochen, korrigiert und verschickt. Die Hotelangebote werden nach Preis und Leistungen sortiert. Das prieswerteste Angebot wird für die Messezeit reserviert. Ich beauftrage Corinna, nun einen Ablaufplan und einen Kostenplan für die Messe erstellen. Bei der Erstellung schaut ihr Frau Ludwig über die Schulter. Außerdem soll sie die Werbeagenturen in der näheren Umgebung anschreiben, ihr Projekt erläutern und Angebotsskizzen erfragen.
Es vergehen darüber einige Wochen, während dessen verschiedene Agenturmitarbeiter zu Interviews in die Firma kommen. Danach kommen Angebotsskizzen herein. Corinna holt in meinem Auftrag die alten Messeunterlagen aus dem Archiv, um die Angebote damit zu vergleichen.
Die jeweils beste Lösung in ihren Augen soll sie "abkupfern" und wenn das vorhandene Material sie auf eine eigene, noch bessere Idee bringt, soll sie ihre Idee dort einfügen, habe ich ihr gesagt. Danach wird entschieden, was die endgültige Lösung sein wird. Darüber ist inzwischen ein halbes Jahr vergangen. Nun wird der Messestand hergestellt.
Als schließlich der Messetermin näher rückt, frage ich Corinna:
"Corinna, alles ist nun für unseren Messeauftritt vorbereitet. Sie haben diesen Teil des Projektes sehr gut bearbeitet und vieles dabei gelernt. Etwas fehlt jetzt noch: Die Standbesatzung wird aus mir und einem Mitarbeiter bestehen. Ich lege Wert darauf, dass Sie den Umgang mit Messebesuchern ebenfalls kennenlernen. Dazu brauche ich das Einverständnis Ihrer Eltern, da Sie eine volle Woche von zuhause weg sein werden. Nehmen Sie also dieses Formular heute mit nach Hause und lassen es unterschreiben. Wenn Ihre Eltern Bedenken haben, möchte ich gerne noch ein Gespräch mit ihnen führen."
Corinna nimmt das Blatt und geht mit Herzklopfen zu ihrem Schreibtisch zurück.
Am nächsten Tag bringt sie das Formular ausgefüllt und unterschrieben zurück. Ihre Eltern haben nichts gegen die Reise zur Frankfurter Messe einzuwenden, also fahren wir eine Woche später los. Jeden Abend spreche ich mit Becki den Tag per Telefon durch.
Dabei kommt es auch schonmal zu einem verbalen Seitenhieb Rebeccas:
"Wie macht sich meine Vertretung an deiner Seite?"
"Deine Vertretung? Niemand kann Dich vertreten, Becki! Sie macht sich ganz gut. Vor allen Dingen hat der Stand bisher noch kein bißchen gewackelt. - Ganz im Ernst, ich bin begeistert! Aus ihr wird nochmal was. Vielleicht sogar Diplomkauffrau? Auf jeden Fall sieht man deinen Einfluß auf sie, während deiner Nachhilfestunden, Liebes!"
*
Ein Jahr später besteht Corinna die Prüfung mit Auszeichnung. Sie wird in Zukunft meinen Platz im Büro erhalten. Ich habe mich entschlossen, vorerst zu Hause zu bleiben, will aber über alles wichtige informiert werden.
Wenn Markus abends aus dem Büro kommt, wird er jedesmal herzlich von Stephi begrüßt. Er fragt mich nach meinen Erlebnissen mit Stephi und spielt dann etwas mit der Kleinen auf dem Teppich. Danach bringt er unser Mädchen ins Bett und liest leise Geschichten aus Vorlesebüchern bis Stephi eingeschlafen ist.
Im Wohnzimmer schauen wir uns danach noch einen Spielfilm oder ein Fernsehquiz an, während ich es mir auf der Liegefläche der Eckcouch bequem gemacht habe. Die Tage mit Stephi alleine sind für mich oft sehr stressig. Oft bringt Markus mir dann einen Tee, streichelt mir über die Wange und ich rücke etwas näher zu ihm herüber.
Nachdem wir noch einmal nach unserer kleinen Maus geschaut haben, gehen wir endlich selbst zu Bett.
Beim Frühstück am nächsten Morgen erst bringt Markus das Gespräch auf Firmenbelange und fragt mich nach meiner Meinung dazu. Wir stimmen uns ab, was in dieser oder jener Sache getan werden sollte und dann verabschiedet sich Markus bis zum Abend.
"Markus," spreche ich eines Tages eine Idee an, die mir schon länger durch den Kopf geht. "Es ist sicher nicht zu teuer, wenn du den VW-Bus, unseren Firmenwagen, umbauen läßt. Wenn man den Wagen am Wochenende als Campingbus verwenden kann, können wir nicht nur Tagestouren unternehmen, sondern auch länger draußen bleiben, ohne viel vorplanen zu müssen. Montags könnte der Bus dann wieder zurückgebaut und ausgeräumt werden. Was hältst du davon?"
"Gute Idee!" antwortet Markus spontan.
Er nickt bedächtig.
"Das ist interessant! Ich lasse das heute in der Firma mal durchrechnen."
Gesagt, getan. Mit einer Umbauliege als Rückbank, Staufächern und seitlichem Schrank mit Klapptisch haben wir einen größeren Aktionsradius für Wochenendtouren. Wir können uns so spontan entscheiden und brauchen kein Zimmer für uns und Stephi suchen. Eine Standheizung vermittelt dafür auch den nötigen Komfort.
Unsere erste größere Tour führt an einem schönen Sommertag zu einem Stausee in der weiteren Umgebung. Dort befindet sich ein Tretbootverleih. Für eine halbe Stunde zieht es uns aufs Wasser. Markus setzt Stephi vor sich, gibt ihr das Steuer in die kleinen Hände und fährt mit ihr los. Ich fotografiere die Beiden vom Ufer aus.
*
"Stephi, hier darfst du einmal bestimmen, wohin es geht!" sage ich zu der Maus auf meinem Schoß. "Lenke uns, wohin du möchtest."
Unser Mädchen schaut mit großen Augen erstaunt zu mir hoch, wächst gleich um eine ganze Kopflänge und ist mit Feuereifer bei der Sache. Sie lenkt hierhin und dorthin. Jetzt kommt sie zu nahe ans Ufer! Ich fahre das Tretboot rückwärts. Stephi schaut mich daraufhin unsicher an. Aber ich lächele ihr aufmunternd zu.
"Lenke du nur, Liebes. Ich bin da für dich, passe auf und fahre rückwärts, wenn es gefährlich wird. - Weiter so, du machst das gut!"
Nach einer Nacht zu dritt im Auto fahren wir auf dem Rückweg zu einem Freilichtmuseum. Als besondere Attraktion werden dort von den Mitarbeitern alte Berufe vorgestellt. So dirigiert ein Mann einen Kaltblüter vor einem Pflug hin und her über ein kleines Feld.
In einem der historischen Häuser ist eine Schmiede eingerichtet. Dort steht ein anderer Mitarbeiter an einem Amboss neben einer Feuerstelle und treibt mit einem schweren Hammer ein Eisen in Form. Ich erinnere mich an meine Ausbildung vor siebzehn Jahren. Damals sollte ich in der Schmiede der Ausbildungswerkstatt einen Meißel herstellen, was mir leidlich gelungen ist. Am liebsten würde ich den Mann fragen, ob ich den Hammer auch mal in die Hand nehmen dürfte. Es juckt mir regelrecht in den Fingern. Ich sage sich aber, dass das aus Sicherheitsgründen wohl nicht erlaubt wird. Also reiße ich mich los. Es gibt ja noch mehr zu sehen.
*
Stephi ist nun drei Jahre alt geworden. Wir wollen das gebührend feiern. Für Stephi soll es so etwas wie Weihnachten im Sommer geben. Markus bestellt beim Konditor einen Geburtstagskuchen mit Marzipanplatte obenauf. Darauf schreibt der Konditor mit Lebensmittelfarbe einen Geburtstagsgruß und malt einen grünen Saurier in die Mitte. Oma und Opa, Onkel und Tanten kommen zum Kaffee und bringen Geschenke mit. Stephi kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Das war ein schöner Kindergeburtstag für Stephi, besonders da die Party danach noch auf den nahen Spielplatz verlegt wurde.
Danach schauen wir uns nach einem Kindergartenplatz um. Der Nächstliegende nimmt unsere Anmeldung entgegen. Ab dem vierten Geburtstag kann Stephi dort spielen gehen. Bis dahin gehe ich mit ihr stundenweise in eine Mutter-Kind-Spielgruppe ins Pfarrheim.
Eines Morgens wenig später am Frühstückstisch:
"Markus, schau mal, was ich hier habe."
Ich blinzele.
"Deinen Mutterpass. Hast du ihn gesucht?"
Markus schaut etwas irritiert.
"Schlag' ihn doch mal auf!" sage ich ungeduldig.
Markus nimmt das Heft an sich und blättert. Was er liest, lässt ihn grosse Augen machen.
"Becki, du bist wieder schwanger?!"
Markus sieht aus, als könnte in diesem Moment die ganze Welt umarmen. Er wischt sich eine spontane Träne aus den Augen, umrundet den Tisch und umarmt mich. Ich schmiege mich an ihn.
*
In der Mittagspause verlasse ich die Firma und fahre in die Stadt. Damals vor vier Jahren hatte ich Becki mit Rosen überrascht. Jetzt ist sie zuhause! Was soll ich nun machen?
Ein Blumenladen mit Fleurop-Schild fällt mir auf. Dort bestelle ich diesmal wieder fünfzig rote Rosen, jedoch zu zehn kleinen Sträußen gebunden. Die Blumen sollen an unsere Adresse geliefert werden. Beim Weiterstöbern fällt mir in der Auslage eines Juweliers ein Ring mit sieben Steinen auf. Den muss ich haben!
Gegen halb sechs Uhr bin ich endlich zuhause.
Becki lächelt leicht säuerlich zur Begrüßung.
"Sag' mal, Markus. Wieviele Vasen haben wir eigentlich?"
Ich grinse spitzbübisch und nehme Becki in den Arm.
"Och - so ein knappes Dutzend werden es sein."
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Thema: Re: Nicht ohne Deine Liebe Di Aug 18, 2015 12:43 pm
"Ich habe sie alle gebraucht, als es heute klingelte!"
Ich trete ein. Ein kleines Mädchen fliegt mir in die Arme und überall stehen Rosen herum!
"Das ist doch genau die richtige Dekoration für eine werdende Mutter!"
"Was hättest du gemacht, wenn ich eine Pflanzenallergie hätte?"
"Dann wäre mir sicher ein anderer Streich eingefallen!" antworte ich lächelnd und setze Stephi ab, die nicht von meiner Seite weicht.
"Das glaube ich dir gerne!" ist Becki überzeugt. Sie umarmt und küsst mich.
"Ich liebe dich," flüstert sie mir dabei ins Ohr.
"Wenn du Lust hast, können wir Stephi am Wochenende zur Oma bringen. Wir könnten dann noch einmal groß ausgehen, wie früher!" bietet ich ihr an.
"Gerne, aber diesmal gehen wir zum Chinesen, wenn du nichts dagegen hast!"
Ich grinse.
"Eine Änderung? Meinst du, dass sich dann ein Junge entwickelt?"
Becki knufft mich lächelnd. Ich rede weiter:
"Gut, ich mache dort einen Tisch klar und du sprichst mit deiner Mutter. Die freut sich auch."
Am Wochenende gehen wir beide aus, da wir Stephi bei den Großeltern gut aufgehoben wissen. Wir besuchen das chinesische Restaurant, das wir uns ausgesucht hatten.
Am Ende des mehrgängigen Menüs sage ich zu Becki:
"Becki, ich liebe dich. Du machst mich wieder einmal zum glücklichsten Menschen der Welt. Darum habe ich hier noch eine Kleinigkeit für dich."
Mit diesen Worten reiche ich ihr ein liebevoll verschnürtes Päckchen. Becki knüpft die Schleife auf und öffnet leicht zitternd das Geschenkpapier. Zum Vorschein kommt eine kleine neutrale Schmuckschatulle. Sie zögert. Aber dann lässt Becki mit einer entschlossenen Handbewegung die Schatulle aufschnappen. Sie nimmt den Ring heraus, schaut ihn sich von allen Seiten an und flüstert überwältigt:
"Ist der schön - vielen Dank, Liebling!"
Sie beugt sich zu mir hinüber und bedankt sich mit einem innigen Kuss.
*
Zur Geburt gehen wir natürlich in dasselbe Krankenhaus, in dem auch Stephi zur Welt kam. Dort hat sich in der Zwischenzeit einiges verändert. Eine neue Cafeteria ist dazu gekommen.
Neben diesen Äußerlichkeiten, dem Komfort, werden wir auch im folgenden angenehm überrascht.
Wir kommen gegen neun Uhr an, nachdem bei Rebecca die Wehen eingesetzt haben. Die Untersuchungen kennen wir schon. Wieder heißt es:
"Gehen Sie auf dem Flur noch etwas auf und ab."
Also spazieren wir langsam durch den weiß gekachelten Gang über grau marmorierte PVC-Fliesen an Fenstern vorbei, durch die die Sommersonne hereinscheint.
Gegen halb zwei Uhr werden wir herein gerufen. Der Kreißsaal ist bereit. Ein Arzt begrüßt uns und sagt zu Rebecca gewandt:
"Sie hatten schonmal eine Kaiserschnittgeburt! Wir sollten das wiederholen, um sicher zu gehen, dass nichts passiert. Das Narbengewebe könnte vielleicht Probleme machen. Keine Angst, die Operation ist heute Routine! Ihr Mann kann dabei bleiben und Sie unterstützen!"
Darüber bin ich erstaunt und erfreut zugleich.
'Früher hat man mich hinaus geschickt. Da störten werdende Väter den klinischen Ablauf wohl,' denke ich.
Becki muss sich auf die Seite legen und erhält eine Rückenmarkspritze. So kann sie die Operation bei vollem Bewußtsein erleben, ohne etwas zu spüren. Sie wird mit Tüchern abgedeckt und ein Tuch wird als Sichtschutz in Halshöhe senkrecht gespannt. Ich bleibe am Kopfende und halte Beckis Hand. Mit der Anderen streichele ich zärtlich über ihre Wange. Der leitende Oberarzt ermahnt mich nochmal scherzhaft:
"Wehe, Sie schauen über dieses Tuch! Konzentrieren Sie sich ganz auf ihre Frau. Sprechen Sie aufmunternd mit ihr. Damit machen Sie sich hier nützlich und unverzichtbar. Aber bezähmen Sie ihre Neugier! Wenn Sie umkippen, hilft Ihnen keiner. Wir haben jetzt wichtigeres zu tun!"
Dann macht er sich auf der anderen Seite des Tuches an seine Arbeit. Er gibt im ruhigen Ton Anweisungen. Plötzlich wird es hektisch hinter dem Tuch. Ich versuche trotz Ermahnung, darüber hinweg zu schauen. Dann die erlösenden Worte von der Schwester:
"Ein Mädchen - schauen Sie, das ist ihre Tochter! Ist sie nicht süss? Wie soll sie heißen?"
Sie hält das Bündel Mensch, eingewickelt in ein Frotteetuch, Becki und mir hin.
"Marie," sagt Becki glücklich lächelnd.
Der Arzt wendet sich nun zu uns mit den Worten:
"Ihre Tochter hatte sich kurz vor der Geburt noch einmal gedreht. Aber es ist alles gut gegangen. Sie können ihre Frau auf ihr Zimmer begleiten. Wir bringen ihre Tochter sofort nach, sobald die Untersuchungen abgeschlossen sind!"
An diesem Nachmittag bringen Beckis Eltern Stephi mit ins Krankenhaus, nachdem sie sie aus dem Kindergarten abgeholt hatten.
"Schau mal, Stephi, deine Schwester! Ist sie nicht süss?"
Stephi streichelt Marie ganz vorsichtig über den Kopf. Mein Schwiegervater kann es nicht lassen zu bemerken:
"Markus, ab jetzt wirst du es wohl schwer haben, zu Hause in einem Drei-Mädel-Haus!"
"Ach was, alle Drei sind Fans von mir!" gebe ich im Brustton der Überzeugung zurück. "Du wirst sehen, auch Marie wird ein Papakind."
Stolz schwingt in meiner Stimme mit. Wie zur Bestätigung rutscht mir Stephi auf den Schoß und kuschelt sich an mich, fasziniert das Baby beobachtend.
Zur U4 gehen wir mit Marie wieder einmal zu unserer Kinderärztin im Ort. Ich muss feststellen, dass sie Urlaub hat und eine Vertretung anbietet. Dort begrüßt uns die andere Ärztin und untersucht unseren Schatz in unserem Beisein. Auf einmal zeichnen sich Sorgenfalten auf ihrer Stirn ab. Sie untersucht den Unterleib noch einmal und bewegt Marie's rechtes Beinchen. Dann wendet sie sich zu uns.
„Ihre Tochter muss ins Krankenhaus. Sie hat Hüftluxation 2.Grades. Wenn das nicht behandelt wird, wird sie nie richtig gehen können. Sie müssen sich das so vorstellen: Das Hüftgelenk besteht aus einer Kugel am oberen Ende des Oberschenkelknochens und einer Pfanne im Hüftknochen, in der die Kugel Halt findet. Wenn nun die Pfanne zu flach ist, findet die Kugel keinen richtigen Halt. Die Sehnen werden überbeansprucht. - Es gibt zwei Behandlungsmethoden: Einmal die Operation. Der dauerhafte Erfolg ist aber nicht hundertprozentig gegeben. Oder das Anpassen einer Schiene, mit der Marie dann laufen lernen muss. Es ist ein jahrelanger Prozess, der aber in der Regel erfolgreich verläuft. – Nebenbei – ich ärgere mich über meine Kollegin, dass sie es nicht schon früher erkannte.“
Wir hören den Ausführungen der Ärztin gefasst zu. Dann schauen wir uns an und ich antworte der Ärztin:
„Wir entscheiden uns für die Schiene, Frau Doktor.“
„Gut, dann mache ich die Papiere fertig,“ antwortet sie und nickt uns aufmunternd zu.
Drei Wochen später haben wir den Einweisungstermin in der Universitäts-Kinderklinik. Wir sind dabei, wie man Marie auf eine Platte schnallt, auf der verstellbare Schalen für die Oberschenkel angebracht sind. Ihre Beine werden neunzig Grad vom Körper abgespreizt in einen Spagat gezwungen. Dann erhält Marie noch ein Bauchgurt und wird, so fertig gemacht, in ein Kinderbettchen gelegt.
Marie lässt alles über sich ergehen und streckt nun ihrer Mama die Ärmchen entgegen. Sie möchte auf den Arm, aber wir müssen sie allein lassen. Zum Glück dürfen wir täglich zwei Stunden zu ihr. Das werden wir natürlich voll ausnutzen!
Auf der Rückfahrt nach Hause sind wir beide sehr still. An den folgenden Tagen fahren wir zu unterschiedlichen Tageszeiten ins Krankenhaus.
Unserer Kleinen scheint es gut zu gehen. Der Arzt antwortet auf meine Frage, dass Marie erst in sechs Wochen nach Hause darf, aber zu Nachuntersuchungen immer herkommen soll. Bei diesen Untersuchungen wird dann bald die Stellung der Beine wieder normalisiert in einem etwa zweijährigen Prozess.
Das Pflegepersonal ist Anlass zum Lachen und zum Ärgern:
Ich habe den Schwestern gesagt, dass Marie keinen Spinat mag. Trotzdem hat eine junge Schwester versucht, sie damit zu füttern. Mit dem Ergebnis, dass unser Mädchen sie angespuckt hat. Ihre Schwesternkleidung ist über und über mit gelbgrünen Flecken bedeckt gewesen, wie man uns schmunzelnd berichtete!
Ein anderes Mal wechselt Becki die Windel und stellt blaue Flecken am Gesäß fest. Sie zeigt es mir. Auf Nachfragen sagt die Stationsschwester, dass sie nun verstärkt auf die Pflege Maries achten würde. In den vergangenen Tagen wäre unsere Kleine wegen Arbeitsüberlastung wohl seltener gewickelt worden, wodurch sie sich wund gelegen hätte. Becki reagiert empört!
Kaum sind wir draußen, verspreche ich ihr:
„Wir werden unsere zwei Stunden täglich bei Marie aufsplitten. Wir gehen zweimal täglich zu ihr und wechseln dann jedes Mal selbst die Windel, ob sie nun voll ist oder nicht. So kontrollieren wir, ob die Flecken verschwinden und nicht wieder auftreten. - Was die Schwester sagte, kann stimmen, denn in so einem Klinikbetrieb kann es schon mal vorkommen – darf es eigentlich nicht!!“
*
Die sechs Wochen sind endlich um und wir dürfen Marie mit nach Hause nehmen. Wir waren in einem Spezialgeschäft und haben extra einen neuen Kinderwagen für eine Spreizschiene besorgt. Es ist ein Kombikinderwagen, in dem Marie später auch sitzen kann.
Das wichtigste aber ist, dass er stufenlos verbreitert werden kann, damit sie mit angelegter Schiene drin liegen und sitzen kann. Auf der Heimfahrt im Auto ist er daher etwas sperrig. Aber er passt auf den Rücksitz. Das Fahrgestell geht zusammengeklappt in den Kofferraum.
Alle drei Monate müssen wir zur Nachuntersuchung in die Klinik zurück. Dort ist man über die Entwicklung Maries erfreut. Etwa ein Jahr später beginnt sie sich zuhause aufzusetzen, trotz dem Ding an ihrem Gesäß. Sie kennt es ja nicht anders.
Wieder ein halbes Jahr danach rufe ich Markus abends hinzu:
„Markus, komm mal schnell, komm schnell ins Wohnzimmer!“
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Thema: Re: Nicht ohne Deine Liebe Di Aug 18, 2015 12:46 pm
„Liebes, was ist passiert?“
„Marie! Marie steht..."
Markus biegt um die Flurecke und wir beide schauen nach Marie, die am Schrank auf dem Boden sitzt und ängstlich zu uns hoch schaut. Sie kann die plötzliche Aufregung sicher nicht verstehen und denkt wohl, sie hätte etwas falsch gemacht.
Er geht zu Marie, nimmt sie hoch, drückt sie an mich und gibt ihr einen sanften Kuss auf die Wange. Dann redet er beruhigend und ermunternd auf sie ein und setzt sie wieder an den Schrank. Er schaut sich um, greift ihren Teddy und stellt ihn auf das untere offene Element des Schrankes. Ich schaue glücklich zu.
„Marie, hol dir deinen Teddy, mein Mädchen. Hol ihn dir!“
Sie streckt ihre Ärmchen hoch und fasst mit den Händen die Kante. Dann zieht sie sich wie vorhin hoch, nimmt sich ihren Teddy und schaut uns dabei an.
„Komm, mein Mädchen. Komm zu Papa,“ ermuntert Markus unsere Kleine.
Sie lässt den Schrank los, wendet sich ihm zu und macht breitbeinig wegen der Schiene einen Schritt, dann geben die Beinchen nach und sie sitzt wieder auf dem Teppich. Markus geht zu ihr, setzt sich nun neben sie auf den Boden, streichelt sie und sagt:
„Das hast du fein gemacht, mein Mädchen. Ich bin so stolz auf dich, Maus!“
Marie strahlt über das ganze Gesicht, krabbelt zu ihrem Papa, zieht sich an ihm hoch und hält ihm ihren Teddy hin. Markus nimmt den Teddy und stützt sie dabei im Rücken.
„Du bist ja schon ein großes Mädchen, Maus. Ich bin so stolz auf dich!“
Dann lässt er sich nach hinten fallen und Marie krabbelt auf seine Brust. Sie legt sich so hin, dass sie sicher seinen Herztönen lauschen kann, während Markus sie streichelt.
Wenige Wochen später hält das Krankenhaus die Zeit für gekommen, die Stellung der Oberschenkel wieder in die Senkrechte zu bringen. Innerhalb eines halben Jahres werden die verstellbaren Schalen, in denen die Oberschenkel fixiert sind mit dem Schraubenzieher so verändert, dass sie danach normal steht. Dann wird die Schiene endgültig entfernt.
*
Wir überlegen seit kurzem, dass wir sich verändern müssen. Die Wohnung wird in Kürze zu klein sein, wenn Marie zu groß wird für das Kinderbettchen und dann ein eigenes Zimmer braucht. Bisher hat sie im Elternschlafzimmer geschlafen. Warum also nicht gleich Nägel mit Köpfen machen und ein Haus bauen.
"Die monatlichen Abzahlungen für die Hypothek sind in unserer Situation tragbar," rechne ich Becki vor.
*
An einem Montag Vormittag klingelt mein Telefon im Büro. Ich hebe ab und nenne meinen Namen. Üblicherweise wäre es meine Assistentin Corinna Heinz. Heute höre ich jedoch Beckis Stimme. Sie hört sich aufgeregt und bedrückt an.
"Markus, ich bin hier auf dem Parkplatz des Gartencenters. Ich muss dir etwas beichten."
"Ja ...?"
"Ich bin rückwärts aus der Parklücke herausgefahren und habe gleichzeitig den Wagen gedreht, um wegfahren zu können. Da hat es gekracht! Gleichzeitig mit mir hat eine andere Frau ihren Kombi zurückgesetzt und ist in mich hinein gefahren. Die Frau sagt jetzt, ich sei in sie hinein gefahren!"
Ich stelle mir bildlich vor, wie ich Becki tröstend umarme und sage in entsprechend sanftem Ton:
"Liebling, lass' die Polizei den Unfall aufnehmen und dann warten wir ab, was kommt! Bleibe ruhig, Sachschäden lassen sich beheben, kleine Wunden heilen. Die Frau hat jedenfalls nicht ganz recht. Ich denke, jede Versicherung zahlt den Schaden des Unfallgegners und damit ist die Sache aus der Welt, denn auch sie wird nicht aufgepasst haben."
"Meinst du?" fragt Rebecca zweifelnd, aber hoffnungsvoll, zurück.
"Wir werden sehen. Aber selbst, wenn du einmal durch Unachtsamkeit mit einem Begrenzungspfahl oder ähnlichem kollidierst, wirst du von mir nichts anderes hören, als: Gehen wir auf den Schreck heute Abend aus!"
"Du bist nicht sauer?"
"Mein Engel - Liebes, ich bin froh, dass dir nichts passiert ist. Wenn sich Einer von uns 'in den Hintern beißt', reicht das. Es könnte mir doch genauso passiert sein."
"Danke, Liebster!"
Ich lege auf, denn ich bin mir sicher, dass Becki das Richtige veranlasst. Stattdessen rufe ich meine Schwiegermutter an:
"Müller."
"Peters hier. Martha, wie geht's?"
"Ooch, eigentlich ganz gut. Was hast du auf dem Herzen, Markus?"
"Nichts besonders, ich möchte Becki heute Abend ganz spontan ausführen und frage dich deshalb, ob es dir passt heute Abend auf unsere Wildfänge aufzupassen?"
"Gerne, Markus. Ist etwas passiert?"
"Nichts besonderes. Danke, Martha. Wir erzählen es dir später. Bis heute Nachmittag dann."
Nach Feierabend holt ich dann Becki zu einem Kinoabend mit nachfolgendem Restaurantbesuch ab.
*
Becki hat den Abend genossen. Ganz zärtlich hängen ihre Augen an mir auf der Heimfahrt. Zu Hause angekommen nehme ich Becki in den Arm bevor ich die Wohnungstür aufschließe, küsse sie und flüstere ihr ins Ohr:
"Liebes, du bist mir wichtig. Ich will, dass du dich wohlfühlst. Stress kommt immer mal vor. Dann möchte ich dich trösten, dich stützen, dich stärken. Ich hoffe nicht, dass dich das erdrückt. Wenn doch, sag' es mir. Denke bitte nicht, du tätest mir dann weh."
"Markus, Liebster! Der heutige Abend hat mir seit langem wieder richtig gut getan. Vielen Dank! Das können wir gerne öfter machen."
Ein Jahr später feiern wir die Einschulung von Stephi und unseren Einzug ins neue Haus.
Auch das 15-jährige Firmenjubiläum fällt in diese Zeit. Wir wollen dafür ein Großraumzelt im Garten unseres Neubaus aufstellen, bevor dort Rasen gesät wird. Zuerst legen wir Kunstrasen als Bodenbelag. Darauf stellen wir die Partytische und -bänke und darüber thront das Zeltdach, das wir uns vom örtlichen Roten Kreuz ausleihen.
Nach den üblichen Reden und Danksagungen ertönt draußen Fastnachtsmusik. Ich schaue Becki verdutzt an. Sie zeigt ein Pokergesicht und kümmert sich demonstrativ um Marie, mein Schwager Werner und mein Schwiegervater feixen.
"Ihr habt das verbrochen?" frage ich stirnrunzelnd.
Sie nicken nur, denn in diesem Moment wird hinten die Zeltplane etwas zur Seite geschlagen und das Tanzcorps unseres Fastnachtsvereins tanzt herein, durch den Mittelgang nach vorne.
Nach einer Darbietung mit akrobatischen Einlagen steht mein Schwiegervater auf, geht nach vorne und begrüßt das Tanzcorps. Auch Werner steht auf, nimmt Stephi an die Hand und verlässt das Zelt.
Beckis Vater bietet den Corpsmitgliedern Getränke an. Danach bedankt sich der Corpsleiter für die herzliche Aufnahme und zu mir gewandt, für die jährliche Spende an den Verein seit fünf Jahren.
Nun muss ich mich auch erheben. Ich bedanke mich für die gelungene Überraschung zum Firmenjubiläum und sage, dass an dem Entschluss zur Unterstützung des Vereins mein Schwiegervater nicht ganz unschuldig ist. Ich biete dem Corps an, sich zu uns zu setzen und mitzufeiern.
"Das Angebot nehmen wir gerne an," antwortet der Corpsleiter. "Ein, zwei Stündchen haben wir Zeit, bei Ihnen zu sitzen. Vorher möchten wir Ihnen aber noch einen neu einstudierten Tanz vorführen, mit unserem jüngsten Tanzmariechen."
Die Musik setzt wieder ein. Ich mache Platz, setze mich wieder hin und schaue interessiert zu.
'Die Kleine in der Mitte war eben noch nicht dabei,' geht mir durch den Kopf, 'aber die kenne ich doch!'
Die Körpergröße, das Gesicht! Mich hält es nicht mehr auf meinem Platz. Auch andere Gäste kommen nach vorne an die Tanzfläche.
Nach zwei Minuten ist die Darbietung beendet. Die Kleine ist ganz außer Atem und strahlt mich mit gerötetem Gesicht an. Ich gehe auf sie zu, nehme ihr den Dreispitz und die Perücke ab und drücke sie an mich.
"Stephi, das hast du fein gemacht! Ich bin soo stolz auf dich! Sag' mal, seit wann machst du schon mit?"
Becki ist dazu getreten und antwortet für Stephi:
"Ich habe sie vor einem halben Jahr angemeldet. Wir haben dir absichtlich nichts gesagt, weil wir dich überraschen wollten."
"Was euch auch gelungen ist!" bestätige ich.
*
Etwa ein Monat später bringt der Postbote unter anderem einen schwarz umrandeten Brief. Da Markus noch in der Firma ist, öffne ich den Brief mit leicht zittrigen Händen. Am Abend übergebe ich den Brief an Markus.
"Schau mal, Markus, was heute mit der Post kam!"
Markus schaut mich an und öffnet den Brief. Er beginnt zu lesen. Dann sagt er:
"Onkel Johann, schade. Weißt du, in meiner Kindheit bewirtschaftete er noch einen Bauernhof. Heute stehen auf seinen Feldern Wohnsiedlungen. Ich habe dort oft mit seinen Söhnen gespielt. An eine Episode kann ich mich noch sehr gut erinnern:
Wir kletterten auf einer Erntemaschine herum. Ich rutschte ab und landete im Messer. Meine Cousins liefen sofort ins Haus und Onkel Johann kam mich holen. Er trug mich ins Haus, legte mich bäuchlings auf die Couch und desinfizierte die Fleischwunde im Oberschenkel mit Schnaps aus seinem Vorrat."
"Oh, das muss höllisch gebrannt haben!"
"Das kannst du laut sagen! - Er wird sich doch nicht tot gesoffen haben?"
"Markus!"
Ich schaue streng, mit feinem Lächeln um die Mundwinkel.
Markus grinst.
"Ich weiß. Im Angesicht des Todes sagt man nichts Negatives über den Toten. Aber das war wertfrei gemeint. Ich weiß, mein Onkel hatte ein Problem. Es war gut für ihn, dass er in Tante Mechthild eine so starke Persönlichkeit geheiratet hatte, die ihm manche Entscheidung nach dem Tod seiner Eltern abgenommen hat. Sonst wäre der Hof den Bach hinunter gegangen!"
"Tante Mechthild ist die Schwester deines Vaters? Und was war das für ein Problem?" frage ich, neugierig geworden.
"Richtig. - Hmm, genau kann ich es dir nicht sagen. Die Alten sprechen ungern darüber. Es hängt mit dem Krieg zusammen. Er musste wohl als Jugendlicher in den letzten Kriegsmonaten an die sogenannte Heimatfront. Seine Gruppe geriet unter Beschuss. Sein Freund neben ihm war so unvorsichtig, den Kopf anzuheben. Kannst du dir vorstellen, was eine Gewehrgranate anrichtet? Onkel Johann wurde von einem Splitter am Hals verwundet. Ich glaube, er wünschte sich damals an die Stelle seines Freundes."
"Oh - fahren wir hin?"
"Ja, aber Stephi und Marie lassen wir hier bei Oma."
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Thema: Re: Nicht ohne Deine Liebe Di Aug 18, 2015 12:49 pm
Eine Woche später fahren wir hin. Nach der Trauerfeier kommt die Verwandtschaft noch einmal in der örtlichen Wirtschaft zusammen. Es gibt Schnittchen. Dabei laufen Gespräche unter den Menschen, die meist mit den Worten "Weisst du noch ..." beginnen.
Markus erklärt mir, wer welcher Verwandter ist, soweit er die Leute selber kennt. Einige sieht auch er heute zum ersten Mal. Dabei beobachtet er ein etwa vierjähriges Mädchen, das wie verloren zwischen den Tischen herum spaziert. Als es an Markus vorbei geht, treffen sich ihre Blicke. Er lächelt sie an, doch sie reagiert nicht. Mir scheint fast, als blicke man in leere Augen. Keiner der Anwesenden nimmt Notiz von ihr. Markus sagt zu mir:
"Warte mal!"
Er steht auf und geht um einige Tische herum, so dass die Kleine auf ihn treffen muss. Als sie auf ihn zu kommt, lächelt er sie wieder an. Sie hebt wortlos die Arme. Markus nimmt sie hoch und kommt mit ihr auf dem Arm zu seinem Platz neben mir zurück. Die Kleine schmiegt sich an ihn. Sie sucht wohl Geborgenheit. Er lässt sie frei auf seinem Oberschenkel sitzen. Es ist ein Trost ohne Worte.
An einem der Nachbartische entsteht geraume Zeit später Unruhe. Schließlich kommt eine junge Frau zu Markus, entschuldigt sich bei ihm für ihre Tochter und hebt sie sich auf den Arm. Sie geht mit ihr zu ihrem Platz zurück und nimmt dort das unterbrochene Gespräch mit ihrem Tischnachbarn wieder auf.
Die Kleine rutscht nach kurzer Zeit wieder von ihrem Schoß und beginnt wieder unbeachtet von den anderen die ruhelose Wanderung zwischen den Tischen im Saal.
"Siehst du das, Becki?" fragt mich Markus. "Jetzt kannst du dir sicher vorstellen, wie ich mich vor 35Jahren gefühlt habe. Das hier war ihr Opa. Damals war es meine Mutter. Keiner der Erwachsenen macht sich die Mühe zu erfahren, was ein kleines Kind in dieser Situation fühlt. Alle sind nur mit sich selbst beschäftigt. Dabei ist trösten so einfach. Nicht reden! Hier verfehlen tröstende Worte ihre Wirkung. Nicht laufen lassen! Dann hat man zwar momentan seine Ruhe, aber das Problem wird in die Zukunft verschoben. Zuwendung ist jetzt das wichtigste! Komm, wir wollen uns verabschieden, wir müssen noch weit fahren."
Ich nehme Markus' Hand und drücke sie sanft. Wir verabschieden uns und sind wenig später auf der Autobahn. Es wird eine einsilbige Heimfahrt. Ich lasse Markus seinen Gedanken nachhängen.
Unvermittelt unterbricht er die Stille und sagt:
"Ich danke Gott, dass ich dich kennenlernen durfte. Ich kann mich bei dir jederzeit anlehnen, wenn mir danach ist. Becki, du bist ein Schatz! Du bist der Mensch, nachdem ich mich seit dem Tod meiner Mutter sehnte. Denke an das Mädchen heute Nachmittag. Becki, ich liebe dich! Ich brauche dich!"
Nach einigen Minuten Stille, während der mir so vieles durch den Kopf geht, antwortet ich:
"Markus, ich liebe dich auch, das weisst du. Ich hoffe, ich werde deinen hohen Anforderungen gerecht."
Er lächelt: "Das bist du schon! Ich habe dich ja nicht aus einer Laune heraus geheiratet! Nun kennst du mich lange genug, um beurteilen zu können, dass auch ich in der Lage bin, Trost zu spenden, Zuwendung zu geben, wenn du mich brauchst. Mit deiner Hilfe habe ich das Trauma wohl endgültig überwunden. Zusammen sind wir ein starkes Team!"
Er dreht kurz seinen Kopf und gibt mir einen flüchtigen Kuss. Dann muss er sich wieder auf den Verkehr konzentrieren. Es wird schon dunkel.
Kurze Zeit später zieht Markus' Firma in eine eigene Halle auf einem gepachteten Industriegelände um. Der Umsatz hat die Ein-Millionen-Grenze überschritten und eine Vergrößerung wurde wieder einmal nötig.
Es ist zwar ein zweckmäßiger Industriebau, doch ich habe bei der Planung auf einige kleine Feinheiten geachtet. So liegt der Haupteingang in einer Ecke, die dafür diagonal abgesetzt ist. Die Fenster im Bürobereich sind nach außen gedrückt, wie kleine Erker mit dreieckiger Grundfläche. Jedoch mit dreieckigem, schräg gestelltem Abschluß oben und unten. Darüber thront das Firmenlogo. Vor dem Gebäude liegen eine Reihe von Parkplätzen.
Mit der Büro- und Werkstattreinigung wird ein Reinigungsunternehmen beauftragt. Für 1100,- Mark im Monat kommen ab jetzt zwei Reinigungskräfte für eineinhalb Stunden nach Feierabend.
*
Der diesjährige Urlaub führt uns an die Nordsee. Wie bisher üblich, vereinbare ich auch diesmal mit unserem Verkäufer, Herrn Klausen, dass er mich während meiner Abwesenheit in der Geschäftsführung vertritt. Nur in Problemfällen, die er nicht alleine entscheiden möchte, sind wir über das Hoteltelefon zu erreichen.
Nach ein paar Jahren Pause haben wir wieder einen heißen Sommer. Das verspricht ein schöner Strandurlaub zu werden. Stephi und Marie hecken am Urlaubsort ständig Neues aus. Wir müssen beide Mädchen ständig mit neuen Aufgaben beschäftigen, damit wir wissen, wo unsere Mädchen gerade sind.
Trotzdem passiert es, dass Marie sich etwas zu weit vorwagt an einem Entwässerungsgraben vor dem Deich im Nachbarort. Plötzlich kommt Stephi heran gelaufen. Ganz außer Atem und sehr aufgeregt redet sie stockend:
"Papi, Papi, komm' schnell! Die Marie steckt ganz tief im Schlamm fest!"
Ich denke sofort das Schlimmste, springe auf und laufe hinter Stephi her, den Weg entlang und eine Böschung hinunter. Da kommt mir aber schon Marie entgegen, mit schlammigen Beinen bis hinauf zu den Knien. Ich stoppe sofort meinen Lauf und gehe meiner Jüngsten ruhig entgegen. Sie sieht mich und läuft auf mich zu, in meine Arme. Ich nehme sie hoch und tröste sie, trockne ihre Tränen, die jetzt erst zu fließen beginnen. Dann sage ich an beide Mädchen gewandt:
"Seht ihr, was passieren kann, wenn man sicheren Boden verlässt! Macht das bitte nicht wieder!"
Abends sind Stephi und Marie dann zum Glück so geschafft, dass sie schnell einschlafen. Nach dem Einschlafritual aus Babytagen machen wir es uns gemütlich. Die Zimmerbar wird ja täglich aufgefüllt. Videos können wir uns im Erdgeschoß ausleihen.
An anderen Abenden entschließen wir uns für einen Spaziergang über die Strandpromenade, nachdem die Mädchen schlafen, wie an diesem Abend.
Wir setzen uns auf eine Bank, nachdem wir eine Zeit lang über die Promenade schlenderten. Ich habe meinen Arm um ihre Hüfte gelegt. Becki tut es mir gleich.
"Schau mal, wie klar heute die Sterne leuchten!" beginne ich nach einigen Minuten Stille.
"Ein schöner Abend! Und dazu die Seeluft! Du musst tief einatmen, Liebling!" bestätigt Becki flüsternd.
Sie dreht meinen Kopf zärtlich in ihre Richtung. Einen Moment schaue ich ihr tief in ihre himmelblauen Augen, dann küsse ich sie leidenschaftlich auf die dargebotenen Lippen. Becki öffnet den Mund und beginnt ein erregendes Zungenspiel. Nach einer Zeit, während wir die Umwelt um uns herum vergessen hatten, stehen wir wortlos auf und gehen Hand in Hand schnellen Schrittes zum Hotel zurück. Unsere Mädchen schlafen tief und fest, als wir uns entkleiden.
Becki ist zuerst fertig. Mit einer schnellen Bewegung liegt sie im Bett und zieht das Laken bis unters Kinn. Sie lacht. Ich komme schmunzelnd dazu und kitzele sie unter dem Laken. Becki kichert und rückt zur Seite. Ich lege mich dazu und küsse Becki, während meine Hände über ihren Körper wandern.
*
Die Liebkosungen entfachen ein Feuer in mir. Mein Herz klopft fühlbar. Mir wird schwindelig. Ich glaube zu zerschmelzen. Markus spürt meine Erregung, was ihn noch mehr anspornt. Dann, nach einer kleinen Ewigkeit, schlafen wir nebeneinander ein, erschöpft und glücklich.
*
Das neue Seewasseraquarium hat es den Mädchen angetan. Das müssen wir also unbedingt noch besuchen, bevor es wieder nach Hause geht. Wieder draußen gehen wir und die Mädchen an einer Mülltonne vor dem Eingang des Aquariums vorbei, aus der ein leises Fiepen tönt.
Stephi bleibt sofort stehen und schaut sich um. Sie hebt den Deckel an. Das Fiepen ist nun deutlich zu hören.
"Papa, bitte schau mal hinein. Was ist das?" sagt sie, da sie noch zu klein ist und selbst auf den Zehenspitzen stehend nicht sehen kann, was da fiept.
Ich schaue in die Tonne, bekomme große Augen und schaue Becki fragend an. Auch Becki schaut nun in die Tonne und ruft aus:
"Nein, das darf nicht wahr sein. Die Beiden müssen sofort zum Tierarzt!"
Also greife ich tief in die Tonne und fördere beidhändig zwei Fellknäuel mit noch geschlossenen Augen ans Tageslicht. Zurück am Hotel lässt sich Becki die Adresse des nächsten Tierarztes geben. Dort schauen Stephi und Marie interessiert der Untersuchung zu.
"Es sind zwei Katzenbabys. Wo haben Sie die Beiden gefunden? In einer Mülltonne am Seewasseraquarium, sagen Sie? Wären Sie bereit, das der Polizei zu erzählen?"
"Klar! Ob der Tierquäler gefunden wird? Und was passiert inzwischen mit den Beiden?"
"Ich informiere das Tierheim. Sie brauchen dringend Katzenmilch."
"Vermittelt werden können sie erst in sechs Wochen?"
"Ganz klar! Vorher nicht."
Ich schaue Becki in die Augen, die unmerklich nickt.
"Dann möchten wir uns gerne vormerken lassen!"
Beckis Hand sucht die meine. Sie schaut mir zärtlich in die Augen. Derweil antwortet der Tierarzt:
"Ich gebe Ihnen die Adresse des Tierheims. Sprechen Sie mit den Mitarbeitern dort."
"Vielen Dank auch!" verabschiede ich mich. Wir treten vor die Tür auf die sonnendurchflutete Dorfstraße.
Unvermittelt bricht der Ernst des Alltags über uns herein. Wir bekommen eine Einladung zur Polizeiwache. Aussagen werden protokolliert, Gespräche geführt.
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Thema: Re: Nicht ohne Deine Liebe Di Aug 18, 2015 12:52 pm
Als die Zeit der Abreise kommt, wollen Stephi und Marie noch gar nicht nach Hause fahren. Mir kommt die Idee einen Sack Strandsand mit nach Hause zu nehmen. Der macht sich sicher gut im Sandkasten und erinnert noch einige Zeit an den Urlaub an der See.
Pustekuchen! Der Sand ist zuhause nicht zu gebrauchen. Sandburgen und Figuren aus Förmchen fallen schnell wieder auseinander. Wie ich mich informiert habe, sind die Strandsandkörner von der Brandung rund geschliffen und pappen nur mit Feuchtigkeit aneinander, im Gegensatz zu den Sänden im Binnenland mit mehr oder weniger starken Ecken und Kanten der Sandkörner.
Sechs Wochen nach ihrem Strandurlaub fahren wir wieder an die Küste zurück. Stephi und Marie wollen unbedingt dabei sein, wenn wir unsere Kätzchen in Empfang nehmen und in der mitgebrachten Transportbox nach Hause holen. Gleich gibt es Tränen. Kleine Katzen sind schließlich keine Teddies, sondern benehmen sich aus Furcht schonmal wie Kratzbürsten. Becki bremst unsere Mädchen und vertröstet sie:
"Lasst sie bitte in Ruhe. Die Beiden müssen sich erst an uns und ihre neue Umgebung gewöhnen. Dann werden sie sicher bald Schmusekatzen sein."
Marie springt von einem Fuss auf den anderen.
"Mami, Mami! Dürfen wir ihnen Namen geben?"
Becki lächelt.
"Aber sicher. Überlegt euch auf der Heimfahrt, wie sie heißen sollen."
Während des Stopps unterwegs frage ich unsere Töchter:
"Na, seid ihr euch schon einig, wie sie heißen sollen?"
"Sharky und Hai!"
Stephi's Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen.
"Neeeein...!"
Marie zieht das Wort lang und macht ein enttäuschtes Gesicht.
Ich nehme meine Kleine auf den Arm und frage:
"Wie möchtest du sie denn nennen?"
Marie strahlt: "Mandy und Sophie!"
Stephi feixt: "Bäh, wie deine Puppen!"
Becki schaut Stephi streng an.
"Bitte keinen Streit! Überlegt euch noch etwas bis wir zuhause sind und einigt euch, sonst bestimme ich die Namen!"
Zu Hause angekommen lässt Becki die Kätzchen im Haus herum laufen und alles beschnuppern. Nach einiger Zeit rollt sich eine der Beiden müde geworden auf dem großen Bett im Schlafzimmer zusammen und schläft bis in den Abend hinein. Es ist die Katze mit der weißen "Krawatte" unter dem Kinn bis zwischen die Vorderbeine. Sie wurde Sharky getauft. Ihre Schwester heißt Mandy. Marie bestand darauf.
Bald wird das Bett Sharky's Lieblingsplatz. Ich muss sie des Öfteren verscheuchen, wenn wir ins Bett wollen.
*
Das 20-jährige Firmenjubiläum steht bevor. Ich überlege, dass das ein Anlass ist, daraus wieder etwas besonderes zu machen. Also rufe ich bei SÜDBOWLING an, dem Bowlingcenter in unserer Stadt, und frage dort, ob es eine Chance gibt, die ganze Halle mit zehn Bahnen für einen Abend komplett zu mieten und was das kostet. Zwei Monate später gibt es tatsächlich einen Termin. An einem Dienstagabend allerdings! Ich sage trotzdem zu.
Heute Nachmittag soll die Party steigen, eine After-Work-Party direkt nach Feierabend. Ich fahre schon etwas früher dort hin, um Vorbereitungen zu treffen. Die Gäste sollen erst an Tischen Platz nehmen und eine Kleinigkeit essen. Dabei lassen sich dann die üblichen Reden halten. Danach können sich die Gäste auf die Bahnen verteilen, so dass dann zehn Grüppchen gegeneinander spielen. Die Mannschaft mit der höchsten Punktzahl erhält einen von mir gestifteten Pokal. Ich stelle mir vor, dass dieser Pokal als Wanderpokal von jetzt an jährlich verliehen wird und erst nach dreimaligem Gewinn im Besitz des Gewinners verbleibt.
Zu diesem Zweck rege ich auf der heutigen Party die Gründung eines Vereins an - ohne Mitgliedsbeitrag, aber beschränkt auf Betriebsangehörige und deren Familie.
*
Es wird ein lustiger Abend. Ich begleite Markus zum Südbowling, nachdem wir Stephi und Marie zu meinen Eltern gegeben haben. Markus' Mannschaft belegt hinter Herrn Klausens Mannschaft den zweiten Platz. Herr Klausen ist ein exzellenter Kaufmann, mit allen Wassern gewaschen, würde Markus sagen. Auch auf der Bowlingbahn macht er eine gute Figur. Markus schlägt vor, ihn zum Vereinsgeschäftsführer zu ernennen.
Markus hatte Recht mit seiner Anregung zum Betriebssportverein. Er erzählt mir später, dass der Abend noch lange danach genügend Gesprächsstoff bietet. Die Mitarbeiter treffen sich in der Folgezeit einmal im Monat samstags Abends zu Trainingsrunden auf der Bowlingbahn. Partner sind dort gerne gesehen. Deren Teilnahme bleibt jedoch freiwillig.
*
Bei uns zuhause haben die Katzen das Regiment übernommen. Alles dreht sich um sie. Wenn die Mädchen nach Hause kommen, ist erst einmal eine Auszeit zum Schmusen angesagt. Ich lächele darüber und rufe Stephi und Marie erst nach einer Viertelstunde an den Tisch. Immer öfter ertappe ich mich dabei, wie auch ich mit den Katzen rede. Auch Markus fällt das auf. Er ist amüsiert und nennt Becki nun seinerseits hin und wieder "meine große Schmusekatze", oder ähnliches.
Ein langjähriger guter Kunde aus Süddeutschland meldet sich etwa ein halbes Jahr vor Markus' 50.Geburtstag. Bisher hat diese Firma regelmäßig interessante Bestellungen getätigt.
Jetzt möchte sie ihr Filialnetz in ganz Deutschland und darüber hinaus einheitlich mit den Präsentationwänden ausstatten in Verbindung mit einer Werbekampagne. Es muss auf deren Belange abgestimmt werden, was Größe, Anzahl und Aussehen angeht.
Der Umfang des Auftrags bewegt Markus, selbst zu den nötigen Gesprächen nach Süddeutschland zu fahren, statt Herrn Klausen zu schicken.
Am Abend des Auftragseingangs informiert er mich:
"Becki, nächste Woche am Dienstag fahre ich nach Süddeutschland. Ich bin am Abend wieder zurück. Es kann vielleicht spät werden. Wir haben den Jahrhundertauftrag an Land gezogen! Stell' dir vor: Zur Präsentation eines neuen Produktes der Firma sollen wir mit 128 Präsentationswänden beitragen. Auch die Werrbefolien sind im Auftrag enthalten! Das Auftragsvolumen beträgt etwa 260.000,- Euro. Weißt du, was das heißt?"
Markus hat sich warm geredet. Seine Augen leuchten. Ich ziehe ihn zu mir herüber und küsse ihn leidenschaftlich. Hoffentlich schaffe ich es, dass er seine Arbeit hintenan stellt und uns ins Blickfeld bekommt.
"Das ist ja wunderbar, Markus. Aber das bedeutet noch ein ganzes Stück Arbeit für dich am Dienstag in Süddeutschland, bis du den Vertrag unterschrieben in der Tasche hast. Ich wünsche dir viel Glück, Liebling!"
"Werde ich haben, Becki! Ganz bestimmt, mein Kätzchen!" sagt Markus lächelnd und kitzelt mich in der Taille.
'Er hat also bemerkt, dass ich auch noch da bin', denke ich, innerlich lächelnd.
Dann nimmt er mich hoch und trägt mich zur Treppe Richtung Schlafzimmer.
"Markus!" rufe ich aus.
Ich kichere unsicher.
Ich möchte nicht, dass Markus auf der Treppe stolpert. Doch er setzt mich ab. Jetzt ziehe ich so an seinem Hemd, dass es aus der Hose rutscht und laufe die Treppe hoch. Markus setzt mir nach. Jedoch so, dass ich etwas Vorsprung behalte. Oben fängt er mich ein, umarmt mich und küsst mich lange. Ich löse mich atemlos und flüstere:
"Liebster, ich will dich - jetzt!"
Wir lassen uns auf das Bett fallen. Mein Herz klopft wie wild. Mir wird schwindelig. Als er über mich kommt, habe ich das Gefühl zu verglühen. Danach sinken wir beide in die Kissen, glücklich, aber erschöpft.
Dann ist der Dienstag Morgen da. Markus kommt an den Frühstückstisch. Die Mädchen und ich sitzen schon dort. Stephi und Marie beginnen gleich ihren Schulweg.
"Morgen, Stephi! Morgen, Marie! Gut geschlafen?"
"Na ja, Papa. Eher abgebrochen!"
"Stephi!"
Markus versucht vorwurfsvoll zu klingen, aber Lachfältchen gehen von seinen Augen aus.
"Wohl wieder spät geworden, was?"
Er wendet sich mir zu, während Stephi und Marie sich vielsagend anschauen.
"Morgen, mein Kätzchen!"
Ich habe gerade das Glas Nusscreme in der Hand und versetze Markus mit dem Ellenbogen einen leichten Rippenstoss.
"Morgen, Liebster. Viel Glück heute!"
Ich gebe Markus einen flüchtigen Kuss und stellt die Nusscreme auf den Frühstückstisch zurück. Markus setzt sich. Er frühstückt gerne im Kreis seiner "Frauen", wie ich weiß.
Dann springen die Mädchen auf, nehmen ihre Taschen und sind schon durch die Tür. Auch Markus macht sich fertig. Er lässt es sich aber nicht nehmen, den Tisch mit mir zusammen abzuräumen. Danach gibt er mir einen Abschiedskuss, wie jeden Morgen. Heute jedoch ergänze ich den Abschied mit:
"Pass' auf dich auf, ja!"
*
Ich nicke Becki zu und fahre wenig später auf die Autobahn.
Zwei Stunden bin ich nun schon unterwegs. Irgendwo bei Frankfurt am Main passiert dann etwas eigenartiges. Eben sitze ich noch am Steuer, jetzt liege ich in einem Bett. Es ist ganz so, wie bei einem plötzlichen Szenenwechsel beim Film.
Von mir weg gehen Kabel zu Apparaten auf meiner linken Seite. Ich kann sich kaum bewegen, habe aber auch irgendwie keinen Antrieb irgendetwas zu tun. Ich fühle mich wie in Watte gepackt, irgendwie schwebend. Ein Gesicht taucht in meinem Blickfeld auf.
"Guten Tag, Herr Peters. Sie hatten Dienstag einen schweren Verkehrsunfall. Heute haben wir Donnerstag. Sie befinden sich hier auf der Intensivstation des Krankenhauses St. Hildegard. Ihre Frau hat gestern schon mal nach ihnen geschaut. Aber Sie schliefen da noch."
"Ist meine Frau in der Nähe?"
"Ich nehme an, dass sie sich hier in Frankfurt ein Zimmer genommen hat. Sie wird sicher heute noch einmal wiederkommen. Gleich ist Visite. Wenn Sie weitere Fragen haben, fragen Sie den Arzt. Wenn Sie ein Problem haben, klingeln Sie! Das Gerät hängt hier."
Die Schwester zeigt auf einen länglichen Kasten an einem Kabel über dem Bett, dann ist sie auch schon weg.
Wenig später tritt eine Gruppe Weißkittel in mein Blickfeld und verteilt sich um mein Bett.
"Guten Tag, Herr Peters. Wie fühlen Sie sich?" beginnt Einer die Konversation.
"Keine Ahnung, Herr Doktor. Alles ist so unwirklich, so leicht, als würde ich schweben, als wäre mir alles egal. Mir ist, als wäre ich mein eigener Zuschauer und ich habe überhaupt kein Zeitgefühl. Was ist passiert?"
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Thema: Re: Nicht ohne Deine Liebe Di Aug 18, 2015 12:56 pm
"Sie hatten einen schweren Verkehrsunfall. Die Feuerwehr musste sie aus ihrem Fahrzeug herausschneiden. Sie hatten einen glatten Oberschenkeldurchbruch. Den haben wir direkt am Knochen geschient. Fünf Rippen sind gebrochen. Da kann man leider nichts machen. Die müssen von selbst wieder zusammenwachsen. Alle Sehnen am rechten Fußgelenk sind gerissen. Wir haben dort aufgeschnitten und uns das angesehen. Man kann mit Hautverpflanzungen die Sehnen flicken, aber das kann wieder reißen. Also haben wir die Ferse wieder zugenäht und Ihnen eine Kunststoffschiene angelegt, die das Gelenk in Position fixiert. Auch sollten Sie das Bein in der Führung hier liegen lassen und möglichst ruhig halten. Wir mussten Ihnen nach Ihrer Ankunft hier im Beisein der Polizei eine Blutprobe entnehmen. Sie hatten 0,0 Promille. Anschließend haben wir Sie vier Stunden operiert."
Ich fühle mich leicht, schwebend, interesselos, zeitlos. Die Eröffnung der Ärzte habe ich aufgenommen wie man Fernsehnachrichten hört. So, als redeten Sie über weit entfernte Geschehnisse.
Es vergeht etwas Zeit nachdem die Ärzte weitergegangen waren. Wieviel Zeit, weiß ich nicht. Dann sehe ich wieder ein Gesicht in meinem Blickfeld auftauchen.
"Becki!" rufe ich schwach.
Tränen schießen mir in die Augen, da sie mich nun so hilflos sehen muss, wo ich doch bisher überall zur Stelle war, wenn es ein Problem zu lösen galt, wenn Trost gespendet werden musste. Nun befinde ich mich selbst in hilfloser Lage.
"Markus, Liebster, es wird alles wieder gut! - Weißt du eigentlich, was passiert ist?"
Becki redet mit gedämpfter Stimme und drückt meine Hand. Sie schaut sich um. Kein Stuhl ist in der Nähe...
Ich schüttele den Kopf:
"Nein, ich bin Auto gefahren und im nächsten Moment lag ich hier im Bett. Man sagte mir, dass dazwischen zwei Tage vergangen sind."
*
Ich betrete die Intensivstation des Hildegardis-Krankenhauses durch eine Schleuse und frage die Krankenschwester rechts in einem Nebenraum nach Markus. Sie zeigt mir das durch Paravents abgetrennte Bett. Dort liegt Markus wie ein Häuflein Elend. Ein Tropf steht neben seinem Bett und Kabel verbinden ihn mit einem Schrank voller Anzeigeinstrumente.
Ich begrüße ihn und frage nach seinem Befinden. Er antwortet schwach, aber vernünftig. Darum frage ich ihn, ob er irgendetwas über den Unfall weiß, was er verneint. Dann schaue ich mich nach einem Stuhl um. Da ich keinen finde, sage ich:
"Warte kurz, Markus, ich bin sofort wieder da!"
Ich gehe zurück zum Wachraum, an dessen Wand jede Menge Lämpchen angebracht sind und frage die diensthabende Intensivschwester:
"Entschuldigen Sie, haben Sie bitte einen Stuhl für mich, damit ich mich nicht auf das Bett meines Mannes setzen muss?"
"Das ist extra so, Frau Peters, damit die Besucher nicht so lange bleiben und dabei möglicherweise Keime hier auf die Intensivstation einschleppen. Sie kommen doch sicher nochmal ihren Mann besuchen! - Wenn Sie versprechen, nur noch wenige Minuten heute zu bleiben, nehmen Sie diesen!" lenkt sie ein.
"Ich habe mir hier in Frankfurt ein Zimmer genommen. Ich würde gern täglich vorbei schauen, wenn ich das aus medizinischer Sicht darf!"
Die Schwester macht ein Gesicht, als hätte sie auf eine Zitrone gebissen.
"Aus psychologischer Sicht wäre es in Ordnung, wenn Sie sich um ihren Mann kümmern. Dann müssen Sie sich aber an die gleichen Hygienebestimmungen halten wie wir! Als wären Sie selbst Krankenschwester und nicht Besucher!"
Ich nicke und fahre den angebotenen Bürostuhl neben Markus' Bett.
Dort setze ich mich zu ihm und halte minutenlang stumm seine Hand, während meine Blicke Markus streicheln.
Markus begegnet meinem Blick und beginnt sanft meinen Handrücken zu streicheln. Nach einigen Minuten inniger Zweisamkeit in der Zeit keine Rolle mehr spielt, fragt Markus:
"Was ist seither zuhause passiert, Liebes?"
"Alles läuft in geordneten Bahnen, Schatz! Mach dir um Familie und Firma keine Gedanken! Herr Klausen ist gestern für dich zu dem Kunden gefahren und hat den Auftrag erhalten," berichte ich.
"Er ist ein guter Mann! Du hast meine Vertretung in der Firma geregelt?"
"Ja, mach dir keine Sorgen, werd' bitte schnell gesund! Wir brauchen dich! Deine Töchter löchern mich ständig."
"Wie geht es den Beiden, Liebling?"
"Denen geht es gut. Sie haben halt ebenso Angst, ihren geliebten Papa zu verlieren," antworte ich, während meine Augen feucht werden.
"Nicht weinen, Liebes! Ich verspreche dir: ich bin bald wieder auf dem Damm!" versichert Markus mir.
Wir bleiben noch eine Weile stumm händchenhaltend nebeneinander sitzen, bis die Schwester auftaucht und die Stimmung unterbricht:
"Herr Peters, Frau Peters! Die Besuchszeit ist erstmal um. Bitte verabschieden sie sich für heute!"
Ich rolle die Augen, drücke seine Hand fester und beuge mich über Markus, um ihm einen sanften Kuss auf die Stirn zu geben. Er flüstert:
"Ich liebe euch so."
"Wir dich auch, Liebster!"
Im Aufstehen streiche ich ihm nochmal über die Wange und werfe ihm im Weggehen einen Handkuss zu.
*
Als Becki aus seinem Blickfeld verschwunden ist, rollt die Schwester den Stuhl geräuschvoll zurück an seinen Platz und es wird wieder ruhig um mich.
Es wird irgendwann dunkel. Es wird wieder hell. Eine Krankenschwester kommt an mein Bett.
"Guten Morgen, Herr Peters. Haben Sie gut geschlafen? Wir fühlen Sie sich heute? Drehen Sie sich bitte zur Seite. Ich muss ihr Bett frisch beziehen."
Ich komme der Aufforderung nach langsam nach. Au - der Brustkorb schmerzt stark.
"So, und jetzt die andere Seite, dann haben wir es geschafft." - Au!
Später am Tag sehe ich ein bekanntes Gesicht in meinem Blickfeld auftauchen.
"Papa?"
Mein Vater steht neben meinem Bett! Dass er in seinem Alter noch so eine Reise gemacht hat, stimmt mich froh.
"Hallo, Markus. Jung, watt hass du dann anjestellt? Weißte ooch, datt bej demm Unfall einer tot jebliewen is?" bricht es aus ihm heraus.
Ich bekomme große Augen. Mein Atem stockt. Tränen schießen mir in die Augen. Alles verschwimmt. Ich hört noch, wie mein Vater hinaus komplimentiert wird. Eine männliche Stimme sagt zu mir:
"Lassen Sie die Tränen ruhig laufen, Herr Peters! Lassen Sie sie laufen!"
Anderentags wird hohes Fieber bei mir festgestellt. Der 'Schaltschrank' hat Alarm gegeben. An diesem Tag bekommt ich besonderen Besuch.
"Papa, Papa, wie geht es dir?"
Die ungewohnte Umgebung, das Prozedere einer Intensivpflege und mein Zustand lässt die Mädchen anfangs zurückhaltend reagieren. Sonst wäre es wohl eine stürmische Begrüßung geworden.
"Stephi! Marie! Schön, euch zu sehen, meine Mädchen!"
Ich lächele gequält.
"Im Augenblick geht es mir nicht so gut. Nicht traurig sein, ihr habt keine Schuld! Das wird schon wieder, verlasst euch drauf! - Danke, Becki!!"
Becki tritt mit ernstem Gesicht dazu, drückt meine Hand und streicht mir zärtlich über den Handrücken. Sie wirkt etwas abwesend, während ihr Blick zu den Apparaten neben dem Bett geht.
"Ist etwas? Was sagen die Ärzte?" frage ich besorgt.
"Nicht viel, nur: Nicht aufregen, nur kurz sprechen. Du hast Fieber! Eine Wundinfektion vielleicht? Aber dies hier ist eine Intensivstation. Das bekommen sie wieder hin. Nächste Woche können sie dich dann auf die normale Station verlegen, sagen sie. Dann wärst du transportfähig. Ich habe gefragt, ob sie dich dann in ein Krankenhaus in unserer Nähe verlegen könnten. Du wirst wohl etwa sechs Wochen im Krankenhaus bleiben müssen."
*
Zwei Tage später besuche ich Markus mit Stephi und Marie. Gestern habe ich Markus' Vater nach Frankfurt gebracht. Es war nur ein kurzer Besuch, während dem ich draußen im Gang wartete. Der alte Herr ist auch nicht mehr so gesund. Trotzdem wollte er mit dem Zug zurück fahren. Also habe ich ihn dann zum Hauptbahnhof gebracht. Von seinem Besuch und seinem Eindruck von Markus sagte er nichts. Wahrscheinlich hat es ihn irgendwie mitgenommen.
Vor meinem Besuch mit den Mädchen hatte ich noch ein kurzes Arztgespräch. Der Mann sprach von leichten Komplikationen. Ich dürfe nur kurz zu ihm und solle die Mädchen auf Abstand halten. Markus hätte Fieber bekommen, das bekämpft werden müsste.
Ich sage Markus darum nicht, dass der Arzt auf die Frage nach seinem Zustand mit Schulterzucken reagierte und sagte:
"Hoffen wir das beste!"
Stattdessen verabschiedete ich mich nach wenigen Minuten mit:
"Wir gehen jetzt besser, Liebling. Soll ich dir etwas mitbringen, wenn ich wiederkomme?"
"Ja, bitte, etwas zum Lesen. - Ich liebe euch. Bis bald!"
"Ooch, schoon? - Bis bald, Papa!"
Es wird dunkel. Es wird wieder hell. Dann kommt die Visite.
"Guten Morgen, Herr Peters, wie geht es Ihnen heute?"
"Ich weiß nicht recht, etwas ist anders heute! Besser?"
Der Arzt bestätigt zuversichtlich:
"Ihre Werte gefallen mir heute viel besser, Herr Peters. Wissen Sie welchen Wochentag wir heute haben?"
Ich runzele die Stirn.
"Sonntag?"
Der Arzt schüttelt lächelnd den Kopf.
"Wir mussten Sie wieder in Narkose versetzen und mit einem Medikament künstlich über einen Tubus beatmen. Sie hatten eine Lungenentzündung entwickelt. Wir haben heute Dienstag. Ich denke, wir können auch die intravenöse Ernährung einstellen. Dann können Sie heute Mittag schon etwas leichtes zu sich nehmen! Sie sind nun schon eine Woche bei uns. Ich denke, wir können es riskieren, Sie am Wochenende auf die normale Station zu verlegen."
"Dann geht's jetzt bergauf mit mir?" frage ich erleichtert.
"So kann man sagen," erwidert der Arzt im Gehen.
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Thema: Re: Nicht ohne Deine Liebe Di Aug 18, 2015 12:59 pm
Ich habe noch etwas auf dem Herzen. Tief Luft holend frage ich:
"Sagen Sie - was mein Vater letzte Woche ansprach. Stimmt das?"
"Ich war leider nicht dabei, Herr Peters."
"Er sprach davon, dass bei dem Unfall jemand getötet wurde!" erkläre ich mit gefasstem Gesichtsausdruck.
Der Arzt hüstelt. Er antwortet ausweichend:
"Sie sehen noch nicht gut aus, Herr Peters! Denken Sie nicht soviel darüber nach! Werden Sie erstmal gesund! Ich weiß auch nichts näheres."
Später kommt Becki wieder ans Bett.
"Wie geht es dir heute, Liebling?" fragt sie und küsst mich zärtlich zur Begrüßung.
"Viel besser! Wie geht's Stephi und Marie?" frage ich, ihre Hand sanft streichelnd.
"Die sind wieder bei Oma und Opa und halten sie auf Trab!" antwortet Becki schmunzelnd.
"Schau mal, was ich dir mitgebracht habe! Einen ganzen Arm voll Magazine gegen die Langeweile," macht sie mich aufmerksam. Sie legt den Stapel auf den Tisch neben meinem Krankenbett.
"Vielen Dank, Liebling!" freue ich mich.
Dann spannt sich mein Gesichtsausdruck.
"Weißt du etwas über andere Unfallopfer?" frage ich leise. "Mein Vater redete letzte Woche etwas von einem Toten!"
Becki antwortet mit gedämpfter Stimme und besorgtem Blick:
"Du hast den Wagen vor dir unter einen Lkw geschoben. Der andere hatte keine Chance. Er ist auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben."
*
Markus Frage habe ich mit leichter Furcht entgegen gesehen. Irgendwann musste sie kommen. Ich drücke seine Hand und halte sie fest, um ihm ein Gefühl von Geborgenheit zu vermitteln. Ich sehe wie es in seinem Gesicht arbeitet. Die Augen werden feucht. Darum zupfe ich mit der freien Hand ein Taschentuch hervor und reiche es ihm. Dann streiche ich sanft über seine Wange.
Nach einiger Zeit, als Markus sich wieder gefangen hat, fragt er:
"Kannst du die Adresse herausfinden? War er verheiratet? Hatte er Kinder? Ich möchte den Angehörigen einen Brief schreiben!"
"Ich schaue mal, was ich machen kann!" verspreche ich. "Ich helfe dir, die Last zu tragen, Liebling! Werd' vorrangig gesund!"
Ich bleibe noch eine ganze Weile, die Hand haltend, neben Markus sitzen und streiche ihm von Zeit zu Zeit über Wange, Stirn und Haare mit zärtlichem Blick. Die diensthabende Intensivschwester muss mich wieder einmal zum Gehen ermahnen.
Am Wochenende wird Markus verlegt. Ein Krankenwagen bringt ihn die 200km nachhause auf die "Knochenstation" des hiesigen Krankenhauses. Hier soll er noch vier Wochen bleiben. Er erhält täglich Besuch:
Seine Schwester mit Mann, seine Schwiegereltern, Schwager mit Frau, seine Eltern etwas kleinlaut, Betriebsangehörige und natürlich unsere quirligen Mädchen in meiner Begleitung.
In der letzten Woche erhält er Krankengymnastik. Die Muskulatur des rechten Beines muss wieder bewegt werden. Es ist ziemlich steif geworden! Dann heißt es üben: Wie läuft es sich mit Krücken? Wie steigt man mit Krücken Treppen hinauf und hinab?
Stephi und Marie halten Markus ständig auf Trab, wenn sie da sind. Man sieht ihm an, dass er sich sehr darüber freut. Wir spazieren dann zu viert durch den Krankenhauspark.
Wie ich erleichtert schmunzelnd feststelle, ist er auf "drei Beinen", mit Hilfe der Krücken, schneller als seine Mädchen an der Parkbank! Es gibt wieder einen Grund zum Lachen und Fröhlichsein. Auf der Parkbank ruht er sich zwischendurch Arm in Arm neben mir aus, während wir dem Treiben unserer Mädchen zuschauen.
*
Am Morgen des Entlassungstages packe ich nach dem Frühstück meine Tasche. Ich ziehe meine Alltagskleidung an und hole meine Entlassungspapiere. Im Schwesternzimmer bedanke ich mich mit einer Packung Pralinen beim Personal und gehe hinunter in die Eingangshalle. Dort warte ich auf Becki.
In den Magazinen blätternd schaue ich immer wieder zum Portal mit der gläsernen Drehtür. Draußen ist heller Sonnenschein. Endlich taucht sie in der Tür auf. Ich stehe auf. Meine Augen leuchten.
"Becki, Liebling, ich bin soweit."
"Einen wunderschönen guten Morgen, mein Schatz! Schön, dich wieder ganz bei uns zu haben!"
Wir umarmen uns zur Begrüßung gegenseitig. Dann greife ich nach meiner Reisetasche, aber Becki schüttelt den Kopf.
"Liebster, lass mich das machen. Achte du auf deine Krücken!"
"Danke, Liebes!"
Erleichtert gebe ich ihr einen Kuss und folge ihr nach draußen zum Auto.
Wieder zu Hause mache ich einen Termin bei einem Neurologen. Irgendeinen Grund muss es doch geben, warum das Gehirn so plötzlich abschaltete.
Die Hirnstrommessung ergibt nichts eindeutiges. Der Arzt entscheidet sich für eine Überweisung in eine Röntgenpraxis. Die Sprechstundenhilfe dort vereinbart mit mir einen Termin.
Auf dem Rückweg von der Praxis fragt Becki, die den Wagen fährt:
"Magst du ein wenig spazieren gehen? Sollen wir einen Kaffee trinken, Schatz?"
"Gerne," antworte ich und berühre zärtlich ihr Knie.
"Dann fahren wir zum 'Haus am See'!" beschließt sie.
Ich lächele.
Wenig später biegen wir auf den Parkplatz ein, verlassen das Auto und gehen am Café mit der romantischen Seeterrasse vorbei zum See hinunter.
Wir schlendern schweigend Arm in Arm über den Uferrundweg und kommen an die Weide, deren Zweige bis ins Wasser hängen. Zwischen den von den Wellen und einem schwachen Wind bewegten Zweigen paddeln Enten herum.
Ich bleibe stehen, um das Bild ein paar Augenblicke zu geniessen. Becki fragt:
"Möchtest du zu der Bank dort gehen und ein wenig ausruhen?"
"Ja, gerne, Schatz!" antworte ich.
Wir setzen uns und legen uns gegenseitig die Arme um unsere Schultern. Ich genieße die Ruhe des Parks und Beckis Nähe, die sich sanft an mich lehnt. Wir tauschen verliebte Blicke miteinander und vergessen darüber die Zeit.
Plötzlich klingelt das Handy: "Mama, wo seid ihr?"
"Hallo, Stephi, alles in Ordnung, Maus. Wir haben uns kurz dazu entschlossen, am 'Haus am See' ein wenig spazieren zu gehen und zu entspannen. Wir sind nachher wieder zurück! Alles klar bei dir?"
"Hier ja - und bei Papa?"
"Nichts neues, Maus! Nur wieder eine Überweisung. Bis nachher dann!"
"Tschüssi!"
*
Ein paar Tage später begleite ich Markus zum Termin in die Röntgenpraxis in einem anderen Stadtteil. Die Praxis liegt idyllisch in einer Villengegend mit viel Grün. Wir sind beide nervös. Markus ergreift meine Hand beim Eintritt.
"Guten Tag," grüßt er die Frau an der Rezeption.
"Was kann ich für Sie tun?" werden wir von der Sprechstundenhilfe freundlich empfangen.
Markus legt ihr die Überweisung vor und sagt:
"Peters, mein Name. Ich habe heute einen Termin."
"Ja, ich sehe. Würden Sie bitte noch etwas Platz nehmen?"
Wir nehmen im Wartezimmer Platz. Während er seinen Gedanken nachhängt, lehnt er sich unmerklich an mich. Ich schiebe meine Hand hinter dem Rücken um seine Hüfte.
Dann wird er aufgerufen. Wie selbstverständlich begleite ich ihn. Der Arzt erklärt uns die Computertomografie und zeigt das Gerät. Danach muss sich Markus auf die Liege legen, deren Kopfteil nun in eine mannshohe Röhre hinein geschoben wird.
*
Becki verlässt mit dem Arzt den Raum. Das Gerät schaltet sich ein. Ein Rattern, wie eine Maschinengewehrsalve, ist zu hören. Ich versuche an nichts zu denken, halte die Augen geschlossen und lausche auf die Geräusche. Dann öffnet sich die Tür wieder und die Liege wird zurück gezogen. Ich atme auf und öffne die Augen. Unwillkürlich hatte ich die Luft angehalten. Der Arzt sagt:
"Sie dürfen aufstehen, Herr Peters. Würden Sie noch etwas Platz nehmen im Wartezimmer. In der Zwischenzeit wird das Attest für ihren Neurologen geschrieben. Dann möchte ich es mit ihnen noch kurz besprechen."
Ich gehe ins Wartezimmer und setze mich neben Becki, die dort schon Platz genommen hat. Nach einer weiteren halben Stunde und werden wir ins Sprechzimmer gerufen.
"Setzen Sie sich doch, Herr und Frau Peters! Also - die Schichtaufnahmen haben etwas Erstaunliches gezeigt. Sehen Sie, die beiden Hirnhälften sind normalerweise mit einer "Brücke" verbunden, durch die die beiden Hirnhälften miteinander kommunizieren. Diese Brücke wird bei der Hirnentwicklung im Mutterleib angelegt oder eben nicht. Fehlt die Brücke - wie bei Ihnen - dann funktioniert die Koordination zwischen Sehen und Sprechen zum Beispiel nicht und schon das Neugeborene bekommt epileptische Anfälle!" führt der Arzt aus.
"Sie wollen damit sagen, dass bei mir eine "Brücke" fehlt, durch die Millionen Nervenverbindungen laufen, und ich deshalb von Geburt Epileptiker bin? Warum hatte ich denn bisher Jahrzehntelang ein normales Leben führen können?" frage ich erstaunt.
"Das ist eines der Mysterien des Lebens, Herr Peters. Vielleicht sind Nervenverbindungen durch den Hirnstamm entstanden, die aber bei großem oder länger dauerndem Stress instabil wurden?... Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Glück! Das Attest schicken wir ihrem Neurologen per Post zu. Sie hören dann von ihm. Auf Wiedersehen."
Gedankenverloren fahren wir beide nach Hause.
Da ich für die Dauer der Genesung krank geschrieben wurde, organisiere ich die Firmenspitze neu. Ich lasse mich von Becki in den Betrieb fahren und bespreche mich dazu mit Herrn Klausen. Dann berufe ich eine Betriebsversammlung ein.
"Liebe Mitarbeiter, vielen Dank erstmal für die langjährige Treue zum Unternehmen, die uns zu so etwas wie eine Familie zusammenwachsen ließen. Und besonderen Dank möchte ich Herrn Klausen aussprechen, der in den vergangenen zwei Monaten die Firma mittels Rücksprachen bei meiner Frau kommisarisch sehr gut führte. Da mein momentaner Gesundheitszustand voraussichtlich noch etwa vier Monate anhält und ich dann das Okay zum Durchstarten von ärztlicher Seite noch brauche, möchte ich daran nicht viel ändern: Herr Klausen behält weiterhin alle Vollmachten für das Tagesgeschäft und wird die richtungsweisenden Entscheidungen mir überlassen. Wer dazu noch Fragen hat, kann sich jederzeit an mich wenden!"
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Thema: Re: Nicht ohne Deine Liebe Di Aug 18, 2015 1:03 pm
Ab jetzt soll ich täglich Antiepileptika einnehmen. Auch muss ich auf ärztlichen Rat hin drei Jahre lang auf das Autofahren verzichten. Wenn in dieser Zeit kein weiterer Anfall auftritt, darf ich wieder fahren, heißt es!
Dann ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen mich wegen fahrlässiger Tötung. Ich bin unruhig, denn bisher dachte ich, so etwas passiert nur dem, der etwas absichtlich getan hat. Mein Anwalt sagt mir, genau das will man ja durch die Ermittlungen erst herausfinden. Erst dann würde sich entscheiden, ob eine Anklage erhoben wird oder nicht. Ein ärztliches Attest führt nach vielem Hin und Her zur Einstellung des Verfahrens. Dies alles zehrt sehr an meinen Nerven, was auch meinen "drei Frauen" nicht verborgen bleibt.
Stephi legt eines Morgens ein Prospekt wie beiläufig auf den Tisch. Marie grabscht sofort danach.
"Disney-World!" ruft sie aus. "Oh, wie schön! Papa, Papa, bittöö... Fahren wir da hin?"
'Dieser Augenaufschlag,' fährt mir belustigt durch den Kopf. 'Woher hat sie das nur?'
Ich lächele. Etwa aufkommende Widerstände werden durch diese Mimik bei mir gleich im Keim erstickt.
"Irgendwann bestimmt einmal, mein Mädchen!" antworte ich, fürs Erste ausweichend, und schon hängt mir Marie am Hals.
"Bittöö, Papa, es sind doch bald Ferien!"
"Also gut, Maus. Aber nur zwei oder drei Tage!"
"Ja!! Danke, Papa!"
Sie strahlt übers ganze Gesicht.
Becki hat die Szene lächelnd verfolgt.
*
Drei Wochen später, am ersten Ferienwochenende, fährt der französische Hochgeschwindigkeitszug Freitags Nachmittags mit Rebecca, unseren Mädchen und mir ab - dreieinhalb Stunden Richtung Paris. Die Landschaft fliegt nur so an uns vorbei. Eine Digitalanzeige informiert uns, dass wir gerade 298km/h fahren.
In Paris angekommen, versuche ich im Gard du Nord Metrokarten für uns alle zu kaufen. Zum Glück kann der Mann im Fahrkartenschalter am Eingang zur Metro englisch sprechen. Er überredet mich, statt der acht Einzelfahrscheine für Freitag zum Hotel und Montag von dort zurück zum Bahnhof, zehn Karten zu kaufen. Im Zehner-Paket wären sie billiger als acht Einzelkarten. Ich bezahle, schiebe vier Karten aus Millimeterdickem Karton in den Automaten, der ein schräg stehendes Dreibein um jeweils einen Stiel weiterdreht. Eine Stunde später, nach rasender Tunnelfahrt, checken wir im Disneyland-Hotel ein.
Nach dem Beziehen unserer Zimmer werden wir von lauter Musik zum Balkon gelockt. Marie öffnet die Flügeltür. Im ersten Augenblick habe ich die Assoziation eines Rosenmontagszuges: tanzende Fussgruppen in Baloukostümen wechseln mit Cheerleadermädchen mit ihren typischen Federbüschen. Blaskapellen in Nussknackerkostümen und Wagen mit Disneymärchenmotiven ziehen vorbei.
Wir stehen da und staunen stumm.
Dann beginnt ein prächtiges Feuerwerk. Marie will sofort losziehen und das Parkgelände erkunden.
"Papa, gehen wir runter und schauen uns nochmal um? Bittöö..."
"Nein, Maus. Schau mal, es ist schon dunkel. Ja, die Lichter sind faszinierend, aber lass uns den Park morgen im Hellen erkunden, dann könnt' ihr gerne bis spät abends draussen bleiben! Wir wissen doch jetzt noch gar nicht, was alles abends angeboten wird. Wir kennen die Anfangszeiten der Shows noch nicht. Lass uns morgen erstmal orientieren, mein Mädchen!"
Ich lege tröstend meinen Arm um meine Kleine.
"Och, Papaa..."
Stephi wirft ein:
"Wir könnten doch vor die Tür gehen und in der Nähe des Hotels heute bleiben, Papa?"
Becki versucht einen Kompromiss:
"Was haltet ihr davon, wenn wir unten an der Rezeption nach Prospekten schauen und uns dann ein Restaurant in der Nachbarschaft suchen?"
Begeistert wird der Vorschlag angenommen. Draussen gehen wir an hell erleuchteten Souvenir- und Spielzeugläden vorbei und betreten ein ganz in Rot-Weiß-Blau gehaltenes Restaurant. Dort werden wir von rollschuhfahrenden Kellnerinnen eingewiesen und bedient.
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück verlassen wir unser Hotel im Park und betreten die MAIN STREET nun bei Tag. Vorbei an Restaurants und Geschäften im Baustil um etwa 1900 gehen wir zum zentralen Platz des Parks. Von dort wenden wir uns zuerst ins DISCOVERYLAND. Hier erinnert alles an die Zukunftssicht des Jules Verne. Beide Mädchen haben staunende Augen und Maries Wangen glühen.
Beim SPACE MOUNTAIN, einer Indoor-Achterbahn, stoppen wir das erste Mal. Marie möchte sich sofort in die Schlange einreihen. Stephi fährt mit ihr, während ich mit Becki draussen auf unsere Mädchen warten. Eine Viertelstunde später sind beide wieder da. Aus Marie sprudeln die Worte nur so vor Begeisterung. Mich macht das glücklich, was Becki sicher mit einem Seitenblick erkennt, denn im Weitergehen hakt sie sich bei mir ein.
Gemeinsam betreten wir ein 3-D-Effekt-Kino und später fahre ich mit den Mädchen auf der Kartbahn AUTOPIA, während Becki uns zuschaut.
Im ADVENTURELAND erkunden wir die Attraktion "Indiana Jones und der Tempel der Gefahr" sowie das Baumhaus der SWISS FAMILY ROBINSON und nach dem Mittagessen dürfen die Mädchen alleine losziehen. Ich gebe Stephi den Plan des Parks, damit sie sich orientieren können.
In der DISNEYLAND RAILROAD-MAINSTREET STATION besteigen wir die von einer Dampflok gezogene Parkbahn und machen eine Sightseeing-Tour durch alle Bereiche des Parks.
Danach setzen wir uns in ein Café und beobachten entspannt die vorbei spazierenden Parkgäste, während wir auf Stephi und Marie warten. Ich finde es spannend zu sehen, wie einige Leute vorbei schlendern und die Umgebung bestaunen, andere dagegen hetzen, als verpassten sie irgend etwas. Vor den Attraktionen müssen die Leute ja doch lange in der Schlange warten. Ich schmunzelt, als ich unsere Mädchen draußen vorbei gehen sehe und stubse Becki sanft an:
"Schau mal, Liebes, unsere Wildfänge..."
Ich lege einen Arm um Becki und winke nach draußen. Becki streicht mir zart über die Wange und winkt ebenfalls.
Marie schaut mit unsicherem Gesichtsausdruck, ob sie ihre Eltern findet, dann strahlt sie und winkt zurück. Danach sind beide Mädchen bis Sonnenuntergang im Gewühl verschwunden.
Becki wirkt etwas geistesabwesend infolge. Ich denke mir, sie hängt ihren Gedanken nach - 'sie wird sicher von Kindheitserinnerungen bestürmt' - und lasse sie an mich anlehnen. Ich will das Gefühl der Zweisamkeit nicht durch Bemerkungen stören, sondern streichele ihr nur zärtlich den Oberarm.
Abends schauen wir zu viert noch einen Disneyfilm im Kino des Parks nach der obligatorischen Disneyparade und dem Feuerwerk. Es ist schon Nacht, als wir in unsere Zimmer kommen.
Am nächsten Tag wachen wir erst spät auf und gehen zum Brunch in das Restaurant mit den Rollschuhkellnerinnen. Becki fühlt sich unwohl. Sie klagt über Kopfschmerzen. Während Stephi und Marie wieder durch den Park ziehen, gehen wir gemeinsam in die Apotheke in der MAINSTREET und kaufen dort ein Schmerzmittel. Dann besuchen wir noch eine Rodeoshow im FRONTIERLAND und setzen uns danach in den nahen Saloon.
Dort passe ich unsere Mädchen ab und verabrede mit ihnen, dass sie den Abend selbst gestalten dürfen und zu Bett gehen, wann sie möchten. Nur nicht zu spät, weil am nächsten Tag schon die Rückreise beginnt.
Danach besuche ich mit Becki die Show "Mickeys Winter Wonderland" und gehen dann früh zu Bett, weil es ihr immer noch nicht besser geht.
Am nächsten Tag müssen wir schon wieder auschecken und die Rückreise antreten. Am Nachmittag erreicht der Hochgeschwindigkeitszug heimatlichen Boden. Als wir die Halle des Hauptbahnhofs betreten, entdeckt Marie Beckis Eltern.
"Oma, Opa! Dahinten stehen Oma und Opa!"
Sie lässt ihren Koffer los und läuft ihren Großeltern entgegen. Stephi schaut auf und beschleunigt ihre Schritte. Ich greife mit der anderen Hand nach Maries Koffer und lenke meine Schritte an Beckis Seite hinter unseren Mädchen her.
Marie freut sich riesig Oma und Opa wieder zu sehen und berichtet in einem großen Wortschwall erregt von den vergangenen Tagen im EURODISNEY PARIS. Stephi greift ab und zu korrigierend ein, wenn Marie's Fantasie mit ihr durch zu gehen droht. Ich habe Becki im Arm und lächele glücklich. Nach einer Viertelstunde etwa in der Bahnhofshalle dränge ich zum Aufbruch.
"Marie, wenn du magst, übernachte doch bei Oma und Opa! Wir sollten langsam sehen, dass wir nach Hause kommen, Maus!"
Beckis Vater pflichtet mir bei und so gehen wir zum Parkhaus. Unterwegs macht Beckis Mutter ein besorgtes Gesicht:
"Rebecca, was ist mit dir?"
"Ach, Mama, nicht weiter schlimm. Kopfschmerzen halt..."
"Ich begleite sie morgen zum Arzt, Martha. Ich mache mir etwas Sorgen," ergänze ich.
In der Folgezeit werden verschiedene Untersuchungen gemacht. Ein Tumor konnte glücklicherweise ausgeschlossen werden. Aber die Kopfschmerzen drücken trotz der Medikamente auf das Gemüt. Was soll ich in dieser Situation nur machen?
Dann eröffnet mir Stephi, dass sie mit ihrem Freund zusammenziehen möchte. Wenige Tage später haben wir ein halbes Dutzend junger Leute im Haus und am Abend ist ein Kinderzimmer leer. Ein paar Tage danach sind wir zu der Einweihungsparty eingeladen, doch etwas Wehmut bleibt.
Ich bin froh, dass wir Marie noch bei uns haben, um weiter gemeinsame Unternehmungen machen zu können. Doch auch das geht einmal zu Ende. Was bleibt uns beiden dann für den gemeinsamen Lebensabend?
"Dieser dritte Lebensabschnitt könnte so schön werden. Endlich wieder viel Zeit füreinander," denke ich wehmütig über unsere Zukunft nach, denn Becki zieht sich immer mehr zurück. Ich möchte ihr so gerne eine Stütze sein. Sie füllt immer noch mein ganzes Herz aus. Das ist doch kein Zustand!
"Ist es krankhaft? Kann ein Arzt ihr aus der Depression helfen?"
Ich mache mir große Sorgen.
Dann der Hammer: Becki scheint wohl genervt zu sein von meiner Sorge! Laut Becki ist es keine Krankheit, sondern ich sei daran Schuld! Angeblich würde ich sie nicht mehr als Frau betrachten, behauptet sie. Sie sei nicht mehr begehrenswert in meinen Augen!
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Thema: Re: Nicht ohne Deine Liebe Di Aug 18, 2015 1:05 pm
"In was steigert sie sich da hinein?" denke ich traurig.
Wie kann ich ihr glaubhaft machen, dass dem nicht so ist? Dass auch ich unter diesem Zustand leide, der sich wie ein Keil zwischen uns zu schieben scheint. Ich fühle mich doch immer noch als Mann und sie war und ist immer noch mein Engel. Nicht ich gehe zu ihr auf Abstand, sondern sie zu mir...
Sie hält peinlich genau einen Sicherheitsabstand zu mir ein. Körperliche Nähe ist so nicht möglich. Alle drei Monate spreche ich Becki in der Folgezeit darauf an. Jedesmal wechselt sie dann das Thema.
Alles prallt an ihr ab. Als ob nicht sein darf, was angeblich nicht sein kann! Während der Nächte liege ich oft wach und schaue auf Beckis Rücken. Selbst zarte Berührungen möchte sie nicht mehr haben.
Ich gehe wieder in die Firma, nachdem ein halbes Jahr krank'feiern' um ist. Aber ich überlasse Herrn Klausen weiterhin das Tagesgeschäft. Ich brauche einfach Ablenkung. Nach Feierabend bleibe ich noch lange sitzen und mache Rundgänge durch die Halle und die Büros.
Einige Jahre sind so vergangen, als Frau Otto, die Kollegin von Frau Feld, unsere Reinigungskräfte, mich während des abendlichen Rundgangs anspricht. Frau Otto ist Rentnerin, die ihre karge Rente mit Putzen aufbessert. Sie sagt:
"Hallo, guten Abend, Herr Peters. Entschuldigen Sie, wenn ich kurz störe! Darf ich Sie etwas persönliches fragen?"
Ich bleibe bei ihr stehen und erwidere aufmunternd lächelnd:
"Nur zu, Frau Otto. Was haben Sie auf dem Herzen?"
Frau Feld kommt hinzu, hält sich aber im Hintergrund. Frau Otto beginnt:
"Sie verbringen den ganzen Tag im Büro und fahren erst spät nach Hause! Entschuldigen Sie bitte die indiskrete Frage: Sie tragen einen Ehering. Sind Sie verheiratet?"
Ich lächelt zurückhaltend:
"Sicher ist das ungewöhnlich. Vieles von dem, was ich nach Büroschluss noch mache, könnte ich tagsüber von meinen Mitarbeitern erledigen lassen. - Ja, ich bin verheiratet. Meine Frau schaut zuhause fern, während ich hier bin."
Frau Otto wendet sich jetzt an Frau Feld, schüttelt den Kopf und sagt:
"Lisa, ich rate dir, lass die Finger davon, du könntest sie dir verbrennen!"
Frau Feld reagiert darauf auf ungewöhnliche Weise: Sie bewegt den Oberkörper ruckartig, so dass ihre Brüste schlenkern, als wollte sie sagen: Nimm mich!
Ich ziehe die Stirn kraus und gehe nachdenklich weiter. So etwas habe ich bisher noch nicht erlebt. Früher, vor Becki, habe ich mich immer um reichlich kühle Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts bemühen müssen. Becki war damals die erste und bisher einzige, die mir unbekümmert und mit Natürlichkeit begegnet ist, ohne sich aber jemals dermaßen zu präsentieren.
'Was war das denn jetzt?' frage ich mich in Gedanken. 'Muss man erst über 50 Jahre alt werden, um einen Rollentausch zu erleben? Was wäre passiert, wenn sie nicht diese alte Frau vorgeschickt hätte, sondern selbst aktiv geworden wäre?'
Auf der Heimfahrt und noch bis zum Einschlafen lässt mich das Erlebnis nicht los. Ich überdenke meine Situation und frage mich, was ich nun machen soll. Es wäre doch schön, wieder einmal nach so langer Zeit in den Armen einer Frau einzuschlafen, nachdem Becki seit Jahren nebenan im Wohnzimmer schläft. Bei dem Gedanken bekomme ich ein Kribbeln in der Nase und die Augen werden feucht. Ich entscheide mich für eine Aussprache mit Frau Feld in ruhiger Atmosphäre.
Am Abend des nächsten Tages bringt Frau Otto eine Türkin zum Reinigen mit und sagt, dass Frau Feld den Objektleiter um Versetzung gebeten hat. Ich frage mich, ob ich versuchen soll, Frau Feld's Adresse herauszubekommen. Aber dann lasse ich es. Vielleicht ist es gut so! Ich öffne meine Geldbörse und nehme Beckis Bild heraus. Gedankenverloren betrachte ich es. Wie schön sie darauf aussieht. Wie schön wäre es doch, wenn es zwischen ihnen wieder stimmen würde.
Was soll ich nur machen. Habe ich den Kampf um Beckis Liebe verloren? Beckis Eltern kommen mir in den Sinn. Aus dem einen Schlafzimmer und zwei Kinderzimmern in deren Wohnung haben sie jetzt zwei Schlafzimmer und ein Gästezimmer für die Enkel gemacht. Beide schlafen auch getrennt und engagieren sich tagsüber getrennt voneinander in unterschiedlichen Vereinen. Es ist dort wie bei mir und Rebecca: Persönliche Gespräche, tiefe Gefühle sind erloschen. Geredet wird nur noch darüber, was zum Beispiel eingekauft werden soll.
'Wenn meine Schwiegereltern so leben können, ich kann das nicht!' denke ich und wieder schiessen ihm Tränen in die Augen. 'Ich brauche den Körperkontakt. Das zärtliche Aneinanderkuscheln ist für mich lebenswichtig. Zwischen Mama's Tod und Becki waren schon über zwanzig Jahre Lieblosigkeit. Bitte, lieber Gott, wenn es dich gibt... Bitte, Mama, du schaust doch sicher von oben zu, hilf mir ..."
Ich erinnere mich an früher. Wie habe ich Becki geliebt. Auch sie hat mir immer wieder gezeigt, dass ich ihr geliebter Mann bin. Dafür habe ich sie 'auf Händen getragen'. Und jetzt?
*
Am Sonntag Morgen im Euro Disney Paris wachen wir auf, als die Sonne schon hoch am Himmel steht. Wir entscheiden uns zum Brunch in das Restaurant mit den Rollschuhkellnerinnen zu gehen. Irgendetwas ist mit mir. Ich fühle mich nicht wohl. Es ist, als wäre mein Gehirn in Watte gepackt. An den Schläfen fühle ich einen dumpfen Druckschmerz, aber ich will meinen Dreien die Laune nicht verderben. Also sage ich erst einmal nichts. Während Stephi und Marie wieder durch den Park ziehen, spreche ich Markus darauf an. Dann gehen wir gemeinsam in die Apotheke in der MAINSTREET und kaufen dort ein Aspirin. Wir verbringen den Tag gebremst, immer wieder im Schatten sitzend, denn irgendwie scheine ich keine Sonne mehr vertragen zu können. Trotzdem schaffe ich noch eine Rodeoshow im FRONTIERLAND Markus zuliebe. Schließlich setzen uns in den nahen Saloon.
Dort passen wir unsere Mädchen ab und Markus verabredet mit ihnen, dass sie den Abend selbst gestalten dürfen und zu Bett gehen, wann sie möchten. Nur nicht zu spät, weil am nächsten Tag schon die Rückreise beginnt.
Am Nachmittag besuche ich mit Markus nur noch die Show "Mickeys Winter Wonderland", dann gehen wir früh zu Bett, weil es mir trotz Tabletten immer noch nicht besser geht.
Am nächsten Tag reisen wir wieder nach Deutschland zurück. Irgendwie bin ich froh, dass der Trubel ein Ende hat. Im Hauptbahnhofs werden wir von meinen Eltern willkommen geheißen. Auf dem Weg zum Auto fragt Mama mit besorgter Mine:
"Rebecca, was ist mit dir?"
"Ach, Mama, nicht weiter schlimm. Kopfschmerzen halt..." wiegele ich ab.
Markus schüttelt beruhigend den Kopf und ergänzt: "Ich begleite sie morgen zum Arzt, Martha. Ich mache mir etwas Sorgen."
Unser Hausarzt macht gleich mehrere Termine für verschiedene Untersuchungen. Ein Tumor kann glücklicherweise ausgeschlossen werden. Da bin ich schon sehr erleichtert. Aber die Kopfschmerzen drücken trotz der Medikamente auf das Gemüt. Zunehmend will ich keinen Menschen mehr in meiner Nähe haben. Ich werde wenig belastbar und schnell gereizt.
Markus versucht immer wieder in mich zu dringen. Ich mag das nicht! Ich will meine Ruhe!
Schließlich lasse ich mich in einem Anfall von Aggressivität dazu hinreißen, ihm Vorwürfe zu machen. Ich sage:
"Lass mich doch endlich in Ruhe! Ich bin nicht krank! Es ist alles deine Schuld! Für dich bin ich doch nicht mehr anziehend!"
Gleich darauf tun mir die harten Worte schon wieder leid. Aber für den Moment verfehlen sie nicht die ihnen zugedachte Wirkung. Markus schreckt zurück und lässt mich in Ruhe.
Ich gehe ins Schlafzimmer, ziehe die Vorhänge zu und lege mich auf das Bett mit dem Rücken zur Türe. Hier kann ich nun unbeobachtet meinen Tränen freien Lauf lassen.
In der Folgezeit gehe ich Markus aus dem Weg, indem ich im Wohnzimmer bin, wenn er im Schlafzimmer ist und umgekehrt. Ich habe bald keinen Antrieb mehr, lasse das Leben an mir vorbei laufen.
Stephi ist ausgezogen. Sie wohnt jetzt mit ihrem Freund zusammen. Marie wohnt noch bei uns. Sie ist noch in der Ausbildung. Aber auch sie ist bald nur noch zum Schlafen zuhause. Die Hausarbeit macht Markus weitgehend. Seit er nicht mehr krankgeschrieben ist, verbringt er die meiste Zeit des Tages in der Firma, so dass ich in unserem Haus nun wirklich meine Ruhe habe. Das ist zwar schön. Ich genieße die Ruhe regelrecht. Andererseits sehne ich mich so sehr nach Markus' Nähe. Ich kann es ihm einfach nicht erklären. Es ist schizophren. Ich mag seine zärtlichen Berührungen einerseits nicht, andererseits ist da diese Sehnsucht.
Ich finde einfach nicht aus diesem Dilemma heraus. Mit Markus mag ich darüber nicht reden. Warum nur? Schließlich fragt er alle paar Monate, versucht zu ergründen, warum ich so bin. Ich mag einfach nicht mit ihm darüber reden. Ich weiß es mir ja eigentlich selber nicht zu erklären.
Jahre gehen nun schon darüber ins Land. Durch Zufall treffe ich Sabine wieder. Sie war damals in der Schule meine beste Freundin. Wir haben uns alles erzählen können. Eines Tages klingelt es an unserer Tür.
"Hallo Becki."
"Hallo Sabine, das ist aber eine Überraschung!"
"Ja, ich war zufällig hier in der Gegend und da dachte ich, ich schneie einfach so mal hier rein!"
Sie lächelt mich an und ich mache die Tür frei, lasse sie eintreten. Wir gehen ins Wohnzimmer und ich mache uns schnell Kaffee in der Küche. Als ich mich dann zu ihr setze, sagt sie mit ernstem Gesicht:
"Du siehst aber gar nicht gut aus! Was ist los?"
Ich hole tief Luft.
"Markus und ich verstehen uns nicht mehr..."
Sie kräuselt die Stirn.
"Ehekrach? Hängt der Haussegen schief?"
"Ja und nein, Sabine. Wir haben uns nicht verkracht. Wir haben uns auseinander gelebt. Wir verstehen uns einfach nicht mehr..."
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Thema: Re: Nicht ohne Deine Liebe Di Aug 18, 2015 1:08 pm
"Aber das ist doch kein Zustand!" bricht es aus Sabine hervor. Sie nimmt meine Hand und schaut mir eindringlich in die Augen. "Da gibt es zwei Wege: Die Scheidung oder die Eheberatung! Es muss sich etwas ändern, es muss..."
Ich senke wortlos meinen Blick.
"Wonach sehnst du dich, Becki? Was möchtest du?"
"Ich weiß nicht..."
"Du darfst dich nicht gehen lassen, Becki! Du sprühtest doch einmal vor Energie! Wo ist die hin?"
"Hm, da ist so viel zusammen gekommen in den letzten Jahren..."
"Dann erzähl' mal von Anfang an..."
Sie hält immer noch meine Hand fest.
"Ich bekam Migräne. Nichts half. Ich zog mich zurück, suchte den Schatten, blieb zuhause, hatte an nichts mehr Lust, stieß Markus Zärtlichkeiten zurück. Hinzu kamen dann Hitzewallungen, und so weiter und so fort..."
"Hm, ein Unglück kommt selten allein. Du bist in eine Abwärtsspirale gerutscht. Dem Menschen, der dir am nächsten stand, hast du dann auch noch die Möglichkeit genommen, helfend einzugreifen."
"Ich hab doch selbst keinen Ausweg gesehen..." Ich bin den Tränen nah.
Sabine zieht ein Papiertaschentuch und reicht es mir.
"Aber mit ihm sprechen hättest du doch können. Vielleicht hätte Markus eine Idee für einen Ausweg gehabt..."
"Vielleicht... Ich konnte einfach nicht. Ich hab mich in mich zurück gezogen."
Sabine steht aus ihrem Sessel auf und setzt sich neben mich auf die Couch. Sie legt ihren Arm um meine Schultern und sagt mit gedämpfter Stimme:
"Danke, dass du dich wenigstens mir geöffnet hast, Becki. Wenn du willst, dass ich dir helfe, kann alles wieder gut werden! Wir waren doch schon immer die besten Freundinnen..."
Ich schluchze auf und nicke unter Tränen mit dem Kopf. Gleichzeitig versuche ich ein befreiendes Lachen.
"Zweierlei, Becki: Wenn du dich nicht traust, Markus darauf anzusprechen, darf ich das für dich tun?"
Sabine hält inne und schaut mich an. Ich schneuze mich, wische noch einmal unter den Augen und nicke ihr lächelnd zu.
"Dann," redet sie lächelnd weiter, "gehst du in meiner Begleitung zu deinem Hausarzt und lässt dir eine Therapie verschreiben! Ruhig zusammen mit einem Kuraufenthalt!"
Auch hier stimme ich zu. Es tut gut, so eine Freundin zu haben, die mich aus meiner Lethargie reißt.
Noch in ihrem Beisein mache ich telefonisch einen Termin bei unserem Hausarzt, damit Sabine sich zu diesem Zeitpunkt Zeit nehmen kann. Sie wohnt ja inzwischen in einer anderen Stadt und hatte heute nur beruflich in unserer Stadt zu tun.
Bis zum Arzttermin hatte sie ein längeres Telefongespräch mit Markus geführt und unter anderem etwas über die Wechseljahre gesagt. Dann bekam ich eine Kur genehmigt in alten Klostergebäuden im Alpenvorland. Antidepressiva, Ruhe, Spaziergänge in der Natur und eine Lichttherapie brachten mir meine Lebensgeister wieder zurück.
Schließlich besuche ich mit Markus eine Eheberatung. Der Mann dort sitzt nur dabei und hört zu, was wir beide uns zu erzählen haben. Nur ab und zu greift er vermittelnd ein, er moderiert.
*
In dieser Zeit entdeckt Markus mich einmal im Schlafzimmer vor dem großen Spiegel. Die Schranktür steht offen und ein Berg von Kleidungsstücken liegt auf dem Bett. Angesichts dessen sagt Markus zu mir:
"Becki, Liebling, komm' mit. Wir fahren in die Stadt. Ich möchte dich überraschen!"
Ich kräusele die Stirn und schaue ihn fragend an. Er sagt:
"Lass' alles stehen und liegen. Komm' bitte mit!"
Ich lasse mich darauf ein. Er führt mich zum Auto vor dem Haus und fährt zum Einkaufszentrum. Dort steuert er eine Boutique an. Ich verhalte im Schritt, aber er zieht mich mit sich und sagt aufmunternd:
"Schau' dich um, Becki. Suche dir etwas Schönes aus!"
Meine Augen leuchten als ich in die Runde blicke. Ich beginne zu stöbern und finde ein elegantes schwarzes Cocktailkleid und ein paar Assesoires dazu. Markus möchte, dass ich das Kleid anlasse und steckt Hose und Pullover, in denen ich den Laden betreten habe, in die Tüte der Boutique. Draußen zieht er mich dann in den Friseursalon gegenüber. "Schau bitte einmal in den Frisurenkatalog," sagt er. "Lass dir ein neues Styling geben, danach lade ich dich zum Essen ein."
Erst zögere ich, dann gebe ich mir einen Ruck. Mit strahlenden Augen gebe ich Markus einen Kuss und betrete mit ihm den Salon. Ich zeige ihm einige Frisuren im Katalog, aber er wiegelt lächelnd ab:
"Becki, es ist mir wichtig, dass du dich wohl fühlst. Entscheide dich also nach deinem Gefühl. Ich trage deine Entscheidung mit, denn du gefällst mir, wenn du dich wohl fühlst! Am besten wird sein, wenn ich dich allein lasse. Ich gehe schon mal einen Tisch reservieren und hole dich nachher ab!"
*
Ich will nicht, dass sich Becki für Mich schön macht. Sie soll sich Selbst schön finden, also verlasse ich den Salon. Als ich zurück komme, sitzt Becki bei der Kosmetikerin nebenan. Sie hat nun kurze glatte Haare. Augenbrauen, Wimpern und Fingernägel sind verändert. Mit unsicherem Blick schaut sie auf. Ich lächele ihr aufmunternd zu.
Als sie fertig ist, geht ich ihr entgegen, nehme ihre Hand und drehe sie um ihre Achse.
"Becki," flüstere ich. "Du siehst wunderschön aus! Das muss gefeiert werden: Komm' mit, wir gehen essen!"
Das wurde ein wunderbarer Abend. In der folgenden Nacht überlasse ich Becki, wieviel Nähe sie zulässt. Es muss ja nicht alles passieren, was möglich ist. Was sich im Laufe von Jahren eingeschliffen hat, ist nicht mit einem Mal überwunden. Körperliche Nähe muss in diesem Fall erst wieder 'erlernt' werden. Sie muss erkennen, dass ich nicht dränge, ihr die Zeit gebe, die sie braucht.
Ich frage sie am Morgen, als sie sich im Nachthemd an mich kuschelt, ob wir noch einmal verreisen sollen - nur wir beide.Sie antwortet mit einem Kuss. Im Laufe der Woche gehe ich also mit ihr zum Reisebüro in der Nähe und lasse sie eine Reise aussuchen.
Wir buchen schließlich unseren ersten gemeinsamen Urlaub ohne Kinder seit langem. Es geht nach Andalusien. Der Flieger braucht zweieinhalb Stunden bis Malaga. Wir haben viel Sonne bei 25grad. Gerade jetzt im Frühjahr, das sich zuhause novembermäßig zeigt, ist das für Beckis Seele eine Wohltat. Sie lebt dort richtig auf.
Wieder zuhause nach dem Rückflug zwei Wochen später habe ich meine 'alte' Becki wieder! In Zukunft nehmen wir uns wöchentlich mindestens eine Auszeit ganz spontan zum Reden, haben wir uns versprochen. Spontan, wenn einem etwas auf der Zunge liegt!
In der Nähe liegt ein kleines Wäldchen. Hier können wir meistens ganz alleine spazieren gehen. Ich lege einen Arm um Becki. Ich bin glücklich, dass sie wieder Zärtlichkeiten zulässt.
Bei einem der Spaziergänge lenke ich nach einiger Zeit zärtlicher Zweisamkeit vorsichtig die Gespräche auf berufliche Themen. Ich bemerke, dass Becki wieder Anteil an meiner Arbeit nimmt. Wir haben wieder ein gemeinsames Thema. Ein Stein fällt mir vom Herzen. Ich schlage ihr vor, wieder stundenweise mitzuarbeiten, damit sie eine Aufgabe außer Haus bekommt. Becki hat ja jetzt Zeit, da die Mädchen nun groß sind.
Am Samstagabend gehe ich zum Bowlingtraining unseres Betriebssportvereins. Becki erklärt sich bereit mit zu kommen. Es wird ein schöner Abend, der nicht enden will. Nach dem Training gehen wir zu fünft noch in ein Lokal zum Klönen. Vom folgenden Montag an übernimmt Becki die Kundenbetreuung.
*
In Kürze steht das dreißigjährige Firmenjubiläum an. Ich biete mich an, die Feier organisieren zu wollen. Markus sagt erfreut zu. Das 25-jährige Jubiläum ist ja durch die vergangenen privaten Turbulenzen ins Wasser gefallen. Nur die jährlichen Bowlingturniere fanden statt, von Herrn Klausen organisiert.
Corinna, Markus' Assistentin, trifft sich in der Folgezeit mehrfach zu konspirativen Zusammenkünften mit mir. Trotz gelegentlicher Nachfragen erfährt Markus nichts zum geplanten Programm des Abends. Das haben wir uns hoch und heilig versprochen!
Am Tag der Feier wird die Firma um zwei Uhr Mittags geschlossen. Ich fahre noch schnell etwas Dekomaterial besorgen. Auf dem Rückweg stoppe ich zuhause, um mich umzuziehen. Ich wechsele die Bürokleidung gegen das kleine Schwarze. Das schlichte mattschwarze, knielange Kleid hat eine enge Taille und eine eingearbeitete Korsage. Ich stecke mit stolzem Gefühl die Brosche daran, die Markus mir zu Stephis Geburt geschenkt hat und schminke mich dezent.
Zurück in der Firma bemerke ich mit einem Gefühl der Genugtuung die bewundernden Blicke der Mitarbeiter. Ich geht lächelnd darüber hinweg und organisiere das Dekorieren der Werkstatt.
Nach dem gemeinsamen Dekorieren bringt ein Partyservice ein warm-kaltes Buffet. Markus kommt dazu, nachdem er seine Arbeit am Computer beendet hat. Er sieht Corinna und mich das Besteck auf die Plätze legen und beteiligt sich daran.
Dabei nähert er sich uns. Als er an meiner Seite angekommen das Besteck abgelegt hat, fasst er mich an der Taille und flüstert anerkennend:
"Wie schön du bist, Becki! Ich liebe dich."
Ich bin auf die Berührung nicht gefasst und schrecke daher leicht zusammen, fange mich aber und drehe mich zu Markus um.
Er küsst mich und ich erwidere seinen Kuss, stolz darüber, dass Markus bemerkt hat, dass ich mich für ihn zurecht gemacht habe. Langsam drehe ich mich um mich selbst.
"Gefalle ich dir?" frage ich blinzelnd.
"Ich kenne keine attraktivere Frau auf der Welt!" kommt es zurück.
"Oh, Liebster," antworte ich und merke, wie mir Tränen der Freude und Rührung in die Augen schiessen. Schnell nehme ich mir eine Serviette und putze mir die Nase. "Wir sollten uns beeilen. Hilfst du mit, den Rest fertig zu stellen?"
"Gern, Becki!" antwortet er mir.
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Thema: Re: Nicht ohne Deine Liebe Di Aug 18, 2015 1:10 pm
Nach und nach füllt sich die Werkstatt. Jeder nimmt noch etwas in die Hand und schon sind sie fertig. Dann sagt Markus zu den Anwesenden:
"Da jetzt alle hier sind, schlage ich vor, dass wir das Buffet eröffnen und sich jeder einen Platz sucht."
Er nimmt sich einen Teller und geht damit an den Schüsseln vorbei, um sich hier und da etwas auf seinen Teller zu laden. Die Mitarbeiter tun es ihm gleich. Jeder nimmt sich, was er möchte und setzt sich damit an einen der Partytische. Im allgemeinen Messerklirren steht Corinna Heinz auf mein Zunicken hin wie unvermittelt auf und sagt:
"Entschuldigt, ich will es kurz machen: Ich möchte mich bei allen Anwesenden für das aktive Mitmachen bedanken. Wir freuen uns sicher alle, dass die alte Tradition der Jubiläumsfeiern wieder aufgenommen wurde und dann möchte ich unserem Chef diesen Brief hier überreichen."
Sie gibt Markus ein Kuvert. Markus bedankt sich und schaut sich den Umschlag von allen Seiten an.
"Das ist ja ein Brief vom Kanzler unserer Universität hier! Was will der denn? Mit der Uni hatte ich doch nie zu tun. Ich war doch damals auf der Fachhochschule."
Ich werde etwas ungeduldig.
"Nun öffne den Brief doch schon, Liebling!"
Markus reißt das Kuvert auf und nimmt den Brief heraus. Er liest laut vor:
"Wir freuen uns, Sie am 27. Oktober um 20:00 Uhr in der Aula der Universität begrüßen zu dürfen. - Das ist ja schon am Wochenende! Was wollen die? Bin tatsächlich ich gemeint? Was ziehe ich an?"
"Nimm deinen dunklen Anzug mit Krawatte und lass dich überraschen!" antworte ich, geheimnisvoll lächelnd.
Den Rest des Abends ist Markus ungewöhnlich still. In ihm scheint es zu kämpfen. Soll er hingehen - soll er nicht - soll er - soll er nicht... Ich kenne ihn und weiß daher, dass es ihm widerstrebt, so in die Öffentlichkeit gezogen zu werden. Dort sind ganz sicher auch Fotografen, die Presse...
*
Am Wochenende fahren wir mit Stephi und Marie zur Uni. Meine 'Mädels' sind heute betont festlich gekleidet. In mir grummelt es. Ich wäre am liebsten zuhause geblieben. In der Aula angekommen, werden wir zu unseren Plätzen geführt. Die Veranstaltung beginnt.
Ein Chor singt ein Lied. Der Kanzler der Uni begrüßt danach die Gäste und erzählt etwas über die Lebensläufe früherer Ehrendoktoren und den Grund der Verleihung der Ehrendoktorwürde an diese Leute. Neben Prominenten sind darunter auch einige Normalbürger, die etwas Herausragendes geleistet haben. Ich höre nur mit halbem Ohr zu. Das ficht mich alles irgendwie nicht an. Meine 'Damen' scheinen ihm an den Lippen zu hängen, wie mir ein Seitenblick sagt.
Als nächstes folgt der Auftritt einer Opernsängerin. Dann treten einige Professoren nach vorne und lesen eine Laudatio über eine anwesende Person zu einem Thema, das in ihr Fachgebiet fällt. Einer der Herren stellt sich als Professor für Marketingwissenschaften vor. Er referiert über Familienunternehmen, deren Stellung im Markt und stellt unsere Firma als beispielhaft hin, auf eine Stufe mit Henkel, Benz und anderen. Ich möchte am liebsten im Boden versinken.
Der Mann benennt die 30jährige Erfahrung im Vermarkten eines innovativen Produktes und bittet mich nach vorne. Zögerlich stehe ich auf. Aufmunternde Blicke von Becki und meinen Töchtern geben mir endlich den erforderlichen Schub. Entschlossen, die Sache hinter mich zu bringen, gehe ich festen Schrittes zum Podium. Der Professor drückt mir unter Beifal des Saales die Hand, übergibt mir lächelnd eine Urkunde, den Doktorhut und einen Scheck.
In mir arbeitet es. Ich bin überrascht und gerührt zugleich. Aber es widerstrebt mir, so in die Öffentlichkeit gezogen zu werden.
'Andererseits,' denke ich mir, 'eine bessere Firmenwerbung gibt es nicht. Besonders, da die Presse anwesend ist.'
Die obligatorische Dankesrede muss aus dem Stegreif gehalten werden. Ich beginne:
"Ich möchte dem Komitee, das mich für würdig befunden hat die Ehrendoktorwürde zu erhalten, herzlich danken. Aber nicht mir allein gebührt die Ehre. Alle meine Mitarbeiter haben Anteil an dem Erfolg und dem bis jetzt 30jährigem Bestehen unserer Firma. Besonders aber möchte ich meiner Frau danken für ihre Liebe und die selbstlose Stütze, die sie mir in mancher schweren Stunde bot, so dass ich erst in die Lage versetzt wurde, dem Uni-Komitee aufzufallen. Ihr verdanke ich alles! Zu dem mit der Ehrendoktorwürde verbundenen Preis möchte ich bemerken, dass ich das Geld in eine Stiftung einbringen werde, die sich um Mütterkuren für einkommensschwache Frauen kümmert. Wie sie alle wissen, hat die letzte Gesundheitsreform aus Berlin dazu geführt, dass die Härtefallregelung für diese Personengruppe wegfiel."
Ich verlasse das Podium und gehe unter Klatschen des Publikums zu meinem Platz zurück. Nachdem ich mich wieder gesetzt habe, flüstert Becki mir zu:
"Liebster, ich ahnte schon immer, was für einen großartigen Mann ich habe!"
"Becki, Liebes," flüstere ich zurück und küsse sie.
"Ich bemühe mich ständig..." vervollständige ich, verhalten lächelnd. "Nur - musste es gerade dieser komische Deckel auf meinem Kopf sein, um mir das zu zeigen, Liebes? Auch die Industrie- und Handelskammer prämiert Unternehmerpersönlichkeiten, aber in weniger steifem Rahmen!"
Becki bekräftigt: "Ja, das musste sein!"
Sie lächelt mit zwinkerndem Auge.
Klassische Musik beginnt zu spielen. Einige Herren stehen auf und bitten ihre Damen zum Tanz.
"Auch das noch!" denke ich.
Nachdem sich die seitliche Freifläche immer mehr füllt und ich in den Augenwinkeln Beckis Blick auf mich gerichtet sehe, stehe auch ich auf. Ich drehe mich zu Becki um, die ebenfalls aufgestanden ist und flüstere:
"Auf deine Verantwortung."
Becki lächelt, legt sich seine Hände zurecht und flüstert zurück:
"Keine Bange, ich führe!"
Wenig später bemerke ich aus einiger Entfernung einen jungen Mann, vielleicht Anfang Dreißig, der bei Stephi steht. Dann sehe ich beide tanzen. Nach ein paar Minuten - nach meinem Gefühl eine Ewigkeit - setzen wir uns wieder. Ein anderer junger Mann kommt hinzu.
"Guten Abend, mein Name ist Jürgen Gunther. Darf ich Ihnen Ihre Tochter auf die Tanzfläche entführen?"
Meine Mundwinkel zucken vor unterdrückter Heiterkeit ob der respektlosen Bemerkung in dieser Umgebung.
"Guten Abend, Herr Gunther. Aber da müssen Sie meine Tochter schon selbst fragen!"
Der junge Mann wendet sich nun an Marie, die lächelnd zusagt.
Nachdem beide außer Hörweite sind, wendet sich Becki an mich, lächelt mich verliebt an und sagt:
"Wofür eine Tanzschule doch manchmal gut ist ..."
Ich lächele zurück, nehme ihre Hand, drücke ihr einen Kuss auf den Handrücken und antworte in gespielter Entrüstung:
"Gib's mir nur! Du weißt, dass ich nicht schwimmen kann, weil ich Probleme habe, die Arm- und Beinbewegungen zu koordinieren. Wie soll ich da jemals tanzen lernen, wenn ich ständig überlegen muss, wohin ich den Fuß als nächstes setzen muss, damit ich dich nicht trete..."
Becki legt beschwichtigend ihre Hand auf meinen Arm und küsst mich zärtlich.
Nachdem die Tageszeitung und der lokale Fernsehsender einen Bericht über diesen Abend herausgegeben haben, verzeichne ich freudig einen Anstieg von Interessentenanfragen nahe fünfzig Prozent.