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 Leon im Jahre 2525

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BeitragThema: Leon im Jahre 2525   Leon im Jahre 2525 Icon_minitime1Mo Mai 17, 2021 9:08 am

Ich heiße Leon, bin 12 Jahre alt und gehöre zur Familie Krautkundisch. Meine verehrte Mutter versteht sich auf die Wirkung der Wildkräuter aus Wald und Feld. Sie genießt eine hohe Achtung in unserem Dorf und wird oft bei leichten gesundheitlichen Problemen in den anderen Familien unseres Dorfes konsultiert.

Da ist es nur natürlich, dass ich durch das Begleiten meiner Mutter in die Umgebung viel über die Wirkung der Pflanzen erfahre, die sie mir übergibt, um sie für meine Mutter im Weidenkorb zu transportieren.

Daneben muss ich meinem Erzeuger, dem Knecht meiner Mutter, im Haushalt helfen, soweit ich nicht mit den gleichaltrigen Kerlen im Dorf spielen darf. Dabei schauen wir oft den anderen verehrten Müttern im Dorf bei ihrer Arbeit zu und dürfen auch selbst Hand anlegen.

Das Dengeln von Gebrauchsgegenständen macht uns am Meisten Spaß. Dabei haben wir viel zu Lachen. Aber auch das Schärfen der Schneiden von Ackergerät interessiert mich. Vor allem, weil man danach sieht wie leicht man danach damit arbeiten kann.

Halbtags gehe ich aber auch noch in die Schule meines Heimatdorfes. Herr Hamacher, unser Dorfschullehrer, ein hagerer großer Mann mit weißen Haaren, erzählt uns gerade etwas über den Kapitalismus.

Er zeichnet einen Zeitstrahl mit Kreide auf die Tafel und sagt, dass vor 900 Jahren Menschen versklavt wurden, um auf der anderen Seite des Ozeans in Zuckerrohrfeldern zu arbeiten. Er zeigt uns mit Strichen auf dem Zeitstrahl den großen Zeitraum über den er spricht, aber die Geschichte selbst fesselt mich am Meisten. Die versklavten Menschen bekamen Stoffe, um ihre Blöße zu verdecken und billige Nahrung, sagt Herr Hamacher. Sie selbst haben den Plantagenbesitzern wenig gekostet, denn ständig sind neue Transporte von solch rechtlosen Arbeitskräften angekommen und haben Abgänge durch Krankheit und Tod leicht ersetzt.

Die Kosten dieser ‚Zuckerrohrbarone‘ durch Anbau und Bewirtschaftung in ihren Plantagen, sowie Weiterverarbeitung und den Transport des Rohrzuckers zurück über den Ozean, haben sie inklusive eines hohen Gewinns, beim Endverbraucher, also den hier lebenden Menschen leicht wieder hereingeholt. Herr Hamacher erklärt uns, während wir ihm mit offenen Mündern zuhören, dies sei der Beginn des Kapitalismus gewesen.

Vor etwa sechshundert Jahren haben die ersten Menschen dagegengeredet und Mitstreiter gewonnen. Viele dieser Gegenströmungen haben sich als Fehlentwicklungen herausgestellt, weshalb es vor fünfhundert Jahren zu zwei planetenumspannenden Kriegen gekommen ist. Wieder kommt eine neue Markierung an den Zeitstrahl.

Da sich an der planetenzerstörenden Wirkungsweise des Kapitalismus, weil man den kurzfristigen Gewinn als oberstes Ziel festgelegt hat, nichts geändert hat, sind wenige Jahrzehnte später einige Umwälzungen in den westlichen Gesellschaften geschehen:

Bis dahin haben die Frauen nur als Hausfrau und unterwürfige Ehefrau etwas gegolten. Selbstverwirklichung der Frauen ist verpönt gewesen. Wenige Jahrzehnte nach dem zweiten großen Krieg haben die Frauen rebelliert. Diese sogenannte Emanzipation hat dazu geführt, dass Frauen Arbeitsstellen besetzen konnten und bald darin akzeptiert worden sind. Danach sind immer mehr Frauen auch in Entscheider-Positionen in Wirtschaft und Politik gekommen.

Seitdem hat sich die Gesellschaft grundlegend gewandelt. Heute entscheiden Frauen auf allen Ebenen, bis hinunter in die Familien. So ist auch meine Mutter bei uns der Familienvorstand.

Die Großindustrie hat man zerschlagen. Unsere Wirtschaft wird von kleinen Handwerksbetrieben bis hin zu kleinen Manufakturen geprägt. Da es diese großen Arbeitgeber nicht mehr gibt, die tausende Arbeitnehmer beschäftigen, sind auch die Millionenstädte weniger geworden.

Meine Familie lebt auf einem Dorf. Rundum liegen Felder, Wiesen und Wälder, die viel Kohlendioxyd in Sauerstoff umwandeln, wie uns Herr Hamacher erklärt.

Meine verehrte Mutter betreibt nun einen Kräuterladen im Dorf. Von ihr habe ich viel über Kräuterkunde gelernt, doch viel interessanter finde ich die Arbeit der Schmiedin im Dorf. Sie stellt viele Gebrauchsgegenstände und Werkzeuge her, die die Bäuerinnen des Dorfes gut gebrauchen können.

*


Zuletzt von hermann-jpmt am Fr Mai 21, 2021 10:09 am bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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BeitragThema: Re: Leon im Jahre 2525   Leon im Jahre 2525 Icon_minitime1Mi Mai 19, 2021 10:22 am

Vier Jahre später, als ich sechzehn Jahre alt geworden bin, muss ich meine Familie verlassen, um mir in der Fremde eine neue Bleibe zu suchen. Diese sogenannte ‚Walz‘ dient dazu, den Genpool nicht verarmen zu lassen. Auch dies hat uns der Dorfschullehrer Hamacher erklärt. Dadurch würde verhindert, dass mehr und mehr kranke Kinder geboren würden, weil die Dorfbewohner mit der Zeit alle miteinander verwandt sind.

Meine verehrte Mutter hat mir gesunde Kräuter und getrocknete Lebensmittel mitgegeben, damit ich eine Zeitlang versorgt bin. Sie tut das wie jede fürsorgliche Mutter in der Hoffnung, dass ich bald eine neue Bleibe in einem Dorf finde. Sie warnt mich extra vor Menschen, die es nicht gut mit mir meinen. Die meisten schlechten Menschen finden sich unter den Vagabunden. Das sind Männer, die zu alt für die Walz sind und Frauen, die man aus ihrem Heimatdorf verbannt hat. Verbannung winkt Männern und Frauen, die sich egoistisch gegen die Gemeinschaft im Dorf oder der Stadt gestellt haben und dabei erwischt wurden.

Ich bin schon tagelang unterwegs, als ich Geräusche im Wald höre, die auf Menschen schließen lassen. Ich klettere auf einen Laubbaum, um mir ein weites Gesichtsfeld zu verschaffen und mich gleichzeitig im Laub verbergen zu können, denn ich will keinen Vagabunden in die Hände fallen.

Von meinem Sitzplatz aus kann ich eine Jagdgesellschaft aus fünf 18- bis 22jährige Frauen zu Pferd erkennen. Ihre Jagdwaffen sind moderne Kompositbögen. Ihnen folgt mit einigem Abstand eine junge Frau mit einem Kaltblut, das einen Wagen zieht, auf dem schon einige erlegte Kälber liegen.

Das Gleiche kenne ich aus unserem Dorf: Die Kühe werden in den Ställen behalten, denn sie geben Milch. Um die Fortpflanzung zu sichern, steht auch ein Bulle dabei. Die Kälber werden nach der Entwöhnung selektiert. Die weiblichen Kälber behält man im Stall, während die männlichen Kälber in die Wälder getrieben werden, um als Jagdwild für die jungen Frauen zu dienen.

Nachdem wieder Ruhe eingekehrt ist, verlasse ich mein Versteck und wandere weiter. Wo eine solche Jagdgesellschaft unterwegs ist, kann eine Ansiedlung nicht weit sein. Vielleicht finde ich dort eine Frau, die einen Knecht braucht. Also halte ich mich in die Richtung aus der die jungen Frauen gekommen sind, nachdem ich vom untersten Ast auf den Boden gesprungen bin.

Nach einiger Zeit ist der Wald zu Ende und ich muss mich entscheiden, nun über die Felder und Wiesen weiter zu wandern. Hier gibt es kaum noch Deckung für mich. In der Dämmerung höre ich Pferdegetrappel hinter mir. Zur Vorsicht verlasse ich den Feldweg und warte im Feld hockend ab, um die Gruppe hinter mir vorbei zu lassen.

Plötzlich werde ich von der Gruppe aus angerufen:
„Hey! Wen haben wir denn da?“

Vorsorglich mache ich mich noch kleiner. Eine der Frauen hält ihr Pferd an und lenkt es in das Feld auf mich zu. Von hier unten kommen mir Pferd und Reiterin übermächtig hoch vor.

„Ich bin Leon Krautkundisch und auf der Walz, hohe Frau,“ entgegne ich unterwürfig.

„Hm,“ macht sie. „Kannst du kochen, waschen, plätten, sauberhalten…“

„Ja, hohe Frau. Das hat mir meine ehrenwerte Mutter wohl beigebracht.“

„Und du kennst dich mit Kräutern aus, wie dein Name verrät?“

„Auch das, hohe Frau! Meine Leidenschaft liegt jedoch bei der Pflege von Sichel und Pflug.“

„Oh, da haben wir wohl ein All-round-Genie entdeckt! Hübsch scheinst du ebenfalls zu sein. Kannst du aufsteigen und dich hinter mich setzen?“

Die Frau gibt einen Steigbügel frei und hält mir gleichzeitig eine Hand hilfreich entgegen. Mit einiger Mühe schaffe ich es, mich hinter sie zu setzen und ihre Taille mit meinen Armen zu umklammern. Sie lenkt ihr Pferd wieder auf den Weg zurück und weiter geht es nun hoch zu Pferd in ihr Dorf, das sicher nicht mehr weit entfernt sein kann. Die anderen Frauen machen unterwegs anzügliche Bemerkungen, aber das kenne ich aus unserem Dorf schon seit ein paar Jahren und macht mir nichts mehr aus.
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BeitragThema: Re: Leon im Jahre 2525   Leon im Jahre 2525 Icon_minitime1Fr Mai 21, 2021 10:08 am

Im Dorf trennen sich die Frauen und der Wagen mit der Jagdbeute fährt weiter zur Sattlerin. Dort werden den männlichen Kälbern die Häute abgezogen. Dann bringen sie die Jungen des Dorfes zur Fleischerin. Das kenne ich so aus meinem bisherigen Heimatdorf. Hier wird es bestimmt genauso gehandhabt.

Meine Reiterin hält ihr Pferd vor einem Gehöft, bei dem die nahe beieinanderstehenden Wohnhäuser durch einen Stall verbunden sind, lässt mich absteigen und steigt dann selbst ab. Ich habe währenddessen die Zügel in die Hand genommen und warte, dass sie das Stalltor geöffnet hat. Währenddessen klopfe ich dem Pferd der hohen Frau sanft auf den Hals und rede beruhigend auf das Tier ein. Meine Reiterin registriert das mit einem Lächeln.

Nachdem ich das Pferd in seine Box gebracht habe, führt mich die Frau in das linksseitige Wohnhaus. Sie möchte mich der Familie vorstellen. Im großen Wohnraum des Hauses finde ich eine alte Frau in der Nähe des Ofens sitzen. In ihrer Nähe befindet sich eine Gehhilfe. Außerdem sitzen dort zwei ältere Frauen am Tisch und spielen gerade ein Brettspiel, als wir eintreten. Dafür halte ich der Frau, die mich hierhergebracht hat, zuvorkommend die Zimmertür auf.

Anschließend kauere ich mich sofort nieder und warte, was passiert. Die junge Frau erhebt als Erste das Wort:

„Hallo! Wir waren wieder erfolgreich auf der Jagd. Auf dem Rückweg habe ich diesen Kerl aufgelesen. Er ist auf der Walz und scheint ganz brauchbar zu sein.“

Die Augen der Frauen richten sich auf mich.

„Ah, willkommen bei der Familie Jäger,“ begrüßt mich eine der älteren Frauen. „Wie kann ich das verstehen, dass du ganz brauchbar bist?“

„Ich habe der hohen Frau auf ihre Frage berichtet, dass ich gelernt habe zu kochen, waschen, plätten und sauber zu halten. Gern kümmere ich mich um die Pflege von Sichel und Pflug…“

„Das werden wir alles überprüfen, Kerl! Wenn du nicht geflunkert hast, darfst du bleiben. Wie ist eigentlich dein Name?“

„Ich heiße Leon Krautkundisch, verehrte Mutter,“ gebe ich gern Auskunft.

„So, so. Dein Geburtsname ist Krautkundisch. Dann kennst dich mit Kräutern aus?“

„Auch das, verehrte Mutter!“ antworte ich selbstbewusst.

Die junge Frau, die wohl die Tochter meiner Gesprächspartnerin ist, ergänzt nun:
„Unser Leon scheint auch empathisch zu sein und einen guten Draht zu Pferden zu haben. Er hat Lizzy nach unserer Ankunft eigenhändig in ihre Box gebracht und versorgt, bevor wir ins Haus gekommen sind!“

Die Mutter am Tisch nickt und schaut die junge Frau direkt an.

„Sabine,“ meint sie. „Der Kerl wird in Tante Karlas Haushalt dringend gebraucht!“

Die junge Frau ist sichtlich enttäuscht, aber sie fügt sich dem Urteil ihrer Mutter. Wenig später scheint das Brettspiel zu Ende zu sein. Die Frau auf, die bei meinem Verhör geschwiegen hat, sagt zu ihrer Schwester:

„Ich danke dir Birgit. Ja, Leon könnte Richi entlasten und kennt vielleicht einige Rezepte, die meine Schmerzen lindern.“

Mutter Birgit lächelt und sagt:
„Das wäre zu wünschen! Viel Glück mit dem Kerl!“

Mutter Karla geht zu einer Zimmertür. Sie nutzt einen Gehstock zur Fortbewegung und kommt dabei nur langsam voran. Ihr Gang ist ziemlich unsicher. Ich bin mit zwei schnellen Schritten bei ihr und stütze sie ein wenig. Im Nebenzimmer sehe ich einen kleinen Jungen und einen älteren Mann mit Holzspielzeug spielen.

„Dennis, komm. Wir gehen nachhause!“ sagt Mutter Karla und der kleine Junge kommt auf sie zugelaufen.

„Danke, Manni, dass du Dennis beschäftigt hast,“ sagt sie zu dem Mann, der nun das Spielzeug zusammenräumt. Der Mann lächelt und neigt seinen Kopf.

„Das ist Leon,“ stellt die Mutter Karla mich Dennis vor. „Sei lieb und bleib an seiner Hand!“

Nun verabschiedet sie sich und führt uns über die Dorfstraße zu ihrem Haus. Im Nachbarhaus angekommen, gleich auf der anderen Seite des Stalles, ruft sie:

„Richi!“
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BeitragThema: Re: Leon im Jahre 2525   Leon im Jahre 2525 Icon_minitime1So Mai 23, 2021 9:55 am

Kurz darauf schaut ein älterer Mann aus der Küche. Sie stellt mich auch ihm vor:
„Richi, ich habe eine Hilfe für dich! Leon scheint überall einsetzbar zu sein. In wie weit das stimmt, das wirst du mit der Zeit sicher noch selbst feststellen.“

*

Drei Jahre bin ich nun bei der Familie Jäger in diesem kleinen Dorf. Ich habe mich gut eingelebt und darf auch immer wieder nach Lizzy schauen, Sabines Pferd.

Sie holt mich dafür hin und wieder in ihr Bett. Bisher habe ich noch keinen Körperkontakt zu Frauen gehabt. Ich bin in dieser Beziehung noch ganz jungmännlich. Sabine ist sehr zärtlich und geduldig mit mir, und führt anfangs meine Hand.

Lizzy hat über ein Jahr nach meiner Ankunft in der Familie Jäger ein Fohlen geboren. Um dieses Tier kümmere ich mich seitdem besonders liebevoll. So habe ich das Vertrauen von Stute und dem kleinen Hengst erlangt. Wir sind einander ans Herz gewachsen.

Meine Familienmutter Karla kommentiert das einmal bei Tisch anerkennend:
„Du besitzt ein Pneuma wie es sonst nur Mädchen hervorbringen! Die Energie, dein Temperament und die Kraft, dich in die Natur einzufühlen, meine ich damit. Du musst versuchen sie zu kanalisieren, um sie wirkungsvoll einsetzen zu können. Dazu musst du mit der Zeit zu dir selbst finden. Du musst die drei hohen Tugenden Loyalität, Mut und Wahrhaftigkeit dabei immer im Hinterkopf behalten. Alles was du tust muss diesen drei Tugenden entsprechen!“

Seit ich zur Familie Jäger gestoßen bin, habe ich mein Haar nicht schneiden müssen, so bin ich äußerlich und vom Temperament kaum von einer der jungen Frauen im Dorf zu unterscheiden.

‚Wahrscheinlich ist das so, weil Mutter Karla mich in ihr Herz geschlossen hat. Sicher wünscht sie sich insgeheim sehr so eine Tochter, wie ihre Nichte Sabine,‘ sage ich mir in Gedanken.

Jedenfalls ist das mein Eindruck, und ich bin mächtig stolz darauf!

Einmal habe ich sie zu einem Spaziergang über die Felder am Dorfrand begleitet. Sie hat sich auf einer Bank am Wegesrand ausgeruht. Ich habe einen dünnen Stecken im Gras gefunden und damit einen imaginären Gegner bekämpft. Mutter Karla hat mir zuerst erschrocken zugesehen. Also habe ich ihr gesagt:

„Schau, verehrte Mutter Karla! Ich verteidige Euch gegen jeden, der Euch etwas Böses antun will. Wer in Euch ein hilfloses Opfer sieht, hat nicht mit mir gerechnet!“

Ihre Miene wird milde. Schließlich sehe ich Freude in ihrem Gesicht. Sie antwortet mir:
„Sei sehr vorsichtig, Leon! Dein Pneuma, die Lebensenergie, ist inzwischen so stark, wie die einer gleichaltrigen jungen Frau. Wenn Fremde dich als jungen Mann erkennen, droht dir Schande und Verbannung! Unspezifisches Verhalten duldet unsere heutige Gesellschaft nicht.“

Mein Enthusiasmus wird dadurch etwas gedämpft. Ich lassen den Stecken sinken. Dabei fällt mir ein Anachronismus auf: Wenn die Gesellschaft unspezifisches Verhalten ablehnt und mir Schande und Verbannung drohen, warum sind dann nicht schon missgünstige Stimmen im Dorf laut geworden?

Möglicherweise sieht man mir hier einiges nach, weil Mutter Karla zum Einen eine große Kriegerin ist und im letzten Krieg im Osten dabei gewesen ist. Zum Anderen habe ich mir durch meine Kräuterkunde Respekt verschaffen können. Viele Dorfbewohner sind zu Mutter Karla gekommen, weil sie ein Wehwehchen geplagt hat und sie hat ihnen dafür Tees und Tinkturen von mir verkauft.

Kurz nach diesem gemeinsamen Spaziergang erhalte ich von Mutter Karla den Auftrag, die Schafherde unseres Dorfes auf die benachbarte Wiese zu führen. Ich gehe mit Yucca, der Hündin einer Nachbarin, auf die Weide und dirigiere Yucca durch Zuruf, damit sie die Tiere richtig führt.

Yucca umkreist die Herde so, dass sie den Schafen in der gewünschten Richtung Raum lässt, während sie sonst nahe an der Herde vorbeiläuft. Die Tiere nutzen den Raum, der Yucca ihnen lässt und bewegen sich so auf die benachbarte Weide zu.
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BeitragThema: Re: Leon im Jahre 2525   Leon im Jahre 2525 Icon_minitime1Di Mai 25, 2021 9:50 am

Dort zähle ich die Tiere durch und muss erschreckt feststellen, dass zwei Schafe fehlen. Ich lasse Yucca bei der Herde, laufe zum Stall zurück und sattele ‚Wind‘, den jungen Hengst. Zusammen reiten wir zur alten Weide und ich schaue genauer hin. Vom Rücken des Hengstes habe ich einen größeren Überblick und finde die beiden Abgänge friedlich an einer Hecke rupfend.

Sie aufscheuchend, bringe ich die Beiden zur Herde zurück. Der Ritt bereitet mir viel Freude. In mir entsteht ein Gefühl von Freiheit. Abenteuerlust überkommt mich.

*

Wenige Tage später spricht mich meine Schwester Birgit beim Brettspiel an:
„Leon wird äußerlich mehr und mehr eine junge Frau, Karla! Ich verstehe ja, dass du dich sehnlichst eine Tochter wünschst – wie Sabine. Aber er ist nun einmal ein Mann, Karla.“

„Ich weiß, Birgit!“

„Man erzählt sich im Dorf schon Geschichten!“ lässt meine Schwester nicht locker. „Warum beschäftigst du ihn nur im Haushalt und Stall? Warum soll er nicht einmal Einkaufen gehen, im Auftrag von Richi, oder andere Besorgungen machen? Dadurch, dass du ihn versteckst, nährst du die Märchen, die man sich über Leon erzählt.“

„Ich möchte ihn vor den Anderen beschützen. Außerdem hütet er ja auch unsere Schafe!“

„Papperlapapp! Seine Aufgabe nach der Walz ist es, Ehre über die neue Familie zu bringen. Jeder soll sehen, dass er eine Bereicherung unserer Familie ist! Weißt du, was man sich erzählt? Er hütet die Schafe nicht zu Fuß wie es sich für einen Kerl gebührt, sondern vom Sattel eines Pferdes aus! Das geziemt sich aber nicht!“

Ich will meiner Schwester darauf eine Antwort geben, als eine Rolle in das Postrohr geschoben wird. Ein Glöckchen ertönt und Manni geht zur Tür. Er bringt die Papierrolle seiner Familienmutter Birgit, die die Schleife öffnet und das Papier auf dem Tisch glattzieht.

„Wir sollen heute Abend zur Dorfmutter kommen,“ erklärt sie und schaut auf die Uhr. „Es ist schon Zeit! Geh schonmal rüber zu Richi, damit er Bescheid weiß. Ihr habt sicher auch eine Benachrichtigung! Dann gehen wir gemeinsam zum Versammlungshaus.“

Neugierig gehen wir kurz darauf ins Versammlungshaus. Alle Familienmütter unseres Dorfes sind zusammengekommen, um zu hören, was die Dorfmutter zu sagen hat.

*

Als Mutter Karla von der Besprechung im Versammlungshaus zurückkehrt, ist ihre Stimmung auf dem Tiefpunkt. Sie setzt sich an den Tisch, ruft Richi und mich zu sich, und erklärt traurig:

„Unsere amtierende Präsidentin ruft die Frauen zu den Waffen. Aus jeder Familie muss mindestens eine Frau ihrem Ruf folgen…“

„Darf ich dazu etwas sagen?“ fragt Richi. Mutter Karla nickt.

„Wer soll denn aus unserer Familie dem Ruf der verehrten Präsidentin folgen?“ fragt er leise und ruft Dennis zu sich, der gerade das Schulalter erreicht hat.

„Die Einberufung gilt somit für mich persönlich,“ stellt Mutter Karla emotionslos fest.

„Aber Ihr seid nicht gut zu Fuß!“ wirft er ein.

„Dann werde ich als Marketenderin im Hintergrund bleiben und helfen, die Truppen zu versorgen,“ meint sie entschieden.

„Aber ehrenwerte Mutter…“ versuche ich es auch.

Mutter Karla schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch und sagt im ärgerlichen Ton mit lauter Stimme:

„ICH bin hier die Mutter! Du bist bloß ein Kerl!“

Sie erhebt sich schwankend, wendet sich ab und geht auf den Gehstock gestützt in ihr Schlafzimmer. Ich möchte sie stützen, aber sie wehrt meine Hilfe ab. Klein-Dennis will ihr folgen, doch Richi hält ihn zurück:

„Komm,“ sagt er zu dem kleinen Kerl. „Wir basteln etwas. Mama will jetzt alleine sein.“

Zu mir gewandt, ergänzt er:
„Wir müssen stark sein, Leon. Dieses Mal kehrt sie sicher nicht zurück…“
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BeitragThema: Re: Leon im Jahre 2525   Leon im Jahre 2525 Icon_minitime1Do Mai 27, 2021 10:02 am

Dann steht er auf und verlässt mit Dennis den Wohnraum. Nun allein in dem großen Raum, kann ich nicht anders. Ich öffne die Tür zu Mutter Karlas Schlafraum und finde sie, wie sie eine Truhe auf das Bett gewuchtet hat. Darin sehe ich eine Rüstung aus hölzernen Schindeln.

„Das waren noch Zeiten,“ resümiert die Mutter, als sie mich in der Tür sieht. „Damals besaß ich noch genug Pneuma, um im Kampf zu bestehen. Nun habe ich niemanden, der würdig wäre, die Rüstung zu tragen. Schau hier, die Schindeln bestehen aus Eisenholz. Ich habe sie im Kampf erbeutet. Da war ich noch jung und voller Energie…“

Sie öffnet eine flache, reich verzierte Schatulle.

„Und dies hier hat mir unzählige Male mein Leben gerettet. Mein Kurzschwert.“

„Was bedeuten die Zeichen auf der Klinge?“ frage ich voller Ehrfurcht mit leiser Stimme und trete näher heran.

„Sie bezeichnen die Tugenden Loyalität, Mut und Wahrhaftigkeit. Nach meiner Erfahrung sind Treue und Ehre ihnen gleich.“

In mir formt sich ein Gedanke. Ich könnte mich doch melden, statt Mutter Karla. Dann wäre dem Befehl ‚Eine Frau aus jeder Familie‘ genüge getan. ‚Wind‘, mein junger Hengst, strotzt ebenfalls vor jugendlichem Tatendrang!

Die Mutter legt alles vorsichtig zurück und verschließt die Truhe sorgfältig. Ich helfe ihr, sie vom Bett herunter zu heben und sie an ihren Platz an der Wand zu schieben. Darüber prangt ein fliegendes Sagentier an der Wand.

„Was ist denn der Grund, weswegen die ehrwürdige Präsidentin von Europa zu den Waffen ruft?“ frage ich Mutter Karla.

„Die Dorfmutter sagt, dass die Asiaten im Osten ein großes Heer nach Westen geschickt haben. Ich war beim Kampf gegen die Asiaten als junge Frau dabei. Wir konnten sie nicht besiegen! Wir konnten sie nur stoppen und mit Diplomatie auf dem alten Gebiet der Rus halten.
Nun versuchen sie es knapp eine Generation später erneut, ihren Herrschaftsbereich bis zum großen Ozean im Westen auszudehnen. Damit hätten sie die größte Landmasse der Erde unter ihrer Verwaltung. Ob ihnen das reicht, oder sie ihre Finger irgendwann danach in Richtung Afrika, Australien und Amerika ausstrecken werden? Wenn niemand es schafft, ihnen Einhalt zu gebieten, werden sie wohl bald über den ganzen Planeten herrschen.“

Nachdenklich verlasse ich die Familienmutter.

Am Abend gehen wir alle zu Bett. Ich kann heute nicht schlafen. Was, wenn die Mutter im Kampf stirbt, weil der Feind unsere Truppe vom Nachschub abschneiden will? Kurz nach Mitternacht stehe ich auf und schleiche mich in das Schlafzimmer der Mutter. Sie schläft zur Wand gedreht tief und fest. Also beginne ich leise damit, mir die Rüstung anzulegen.

Immer wieder rutscht mir das Herz in die Hose, wenn die Mutter einen kurzen Schnarchlaut ertönen lässt. Zum Schluss nehme ich das Schwert aus dem verzierten Kasten und gürte mich damit. Ich nehme die Einberufung vom Tisch im Wohnraum und stecke sie ein. Danach schleiche ich durch die Verbindungstür in den Stall und ziehe dort meine Stiefel an.

Ich wecke ‚Wind‘ und lege ihm einen Sattel auf den Rücken. Bald habe ich Wind im Mondlicht fertig zum Ausritt gemacht. Anschließend führe ich ‚Wind‘ so leise wie möglich aus dem Dorf und schwinge mich draußen auf dem Feldweg in den Sattel.

Weil Mutter Karla irgendwann einmal gesagt hat, dass die Präsidentin dort im Westen residiert, schlage ich diese Richtung ein. Unterwegs komme ich an vielen Ruinen der vergangenen Zivilisation vorbei. Die Betonbauten, angeblich für die Ewigkeit errichtet, haben schon nach fünfzig Jahren die ersten Risse bekommen, hat uns Herr Hamacher im Unterricht erzählt. Heute kann man sie von natürlichen Felsen nur noch unterscheiden, da sie schroff und kaum verwittert in der grünen Wildnis einsam herumstehen. Ziegelsteine hat man schon lange vom Mörtel befreit und für neue Häuser in den umliegenden Ansiedlungen verwendet.

Nach vielen einsamen Tagen Richtung Sonnenuntergang treffe ich eine junge Frau, die sich mir anschließt. Ich stelle mich ihr als Leonie Jäger vor und sie nennt mir Alexa Barbier als ihren Namen.

Nun sind wir zu zweit, was das Reisen sehr viel einfacher macht. Sie besitzt einen hochmodernen Kompositbogen und zwei Dutzend Pfeile, ist aber zu Fuß unterwegs. Ihr zuliebe gehe ich zu Fuß neben ‚Wind‘ her. Dafür überlässt sie mir ihren Bogen für die Jagd zu Pferd unterwegs. Beim Überqueren von Flüssen nimmt ‚Wind‘ sie ebenfalls auf ihren Rücken.
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BeitragThema: Re: Leon im Jahre 2525   Leon im Jahre 2525 Icon_minitime1Fr Mai 28, 2021 10:10 am

Wir sind mehrere Wochen auf diese Weise unterwegs, als wir in der Ferne eine hohe Mauer sehen mit Türmen und Torhäusern. Im Feld davor befinden sich in Abständen Zeltlager. Auf eins dieser Lager gehen wir zu. Inzwischen ist unsere Gruppe auf elf Personen angewachsen. Um mich unter all den Frauen zu verstecken, muss ich eine von ihnen werden, ist mir bewusst.

Kurz vor dem Erreichen des Lagers werden wir von drei Soldatinnen gestoppt.
„Halt! Wohin des Weges?“

„Wir haben die Einberufung erhalten und sind auf dem Weg, uns als Soldatinnen zu melden!“ antwortet die Forscheste von uns, die ganz selbstverständlich unsere Gruppe anführt.

Wir weisen uns als Einberufene aus.

„Okay! Mitkommen!“ sagt eine der Soldatinnen.

Sie führt uns nun auf das nächste Zeltlager zu, während ihre Begleiterinnen sich an unserer rechten und linken Flanke positionieren. Im Zeltlager angekommen, soll unsere Gruppe anhalten.

„Halt! Wartet hier!“

Sie betritt ein Zelt, nachdem sie sich vor dem Eingang gemeldet hat und hereingerufen wurde. Kurz darauf kommt sie in Begleitung einer älteren Frau heraus:

„Hallo, Leute!“ begrüßt uns diese. „Ich kommandiere diesen Haufen! Mein Name ist Feldweibel Schuhmacher. – Soso, ihr habt also die Einberufung erhalten und euch zur Truppe gemeldet. Ich werde aus euch Mädels in den nächsten Wochen Frauen machen! Das ist euch sicher klar.
Stillgestanden! Seid ihr bereit?“

Wir stehen steif und skandieren laut:
„Jawoll, Frau Feldweibel!“

Sie nickt lächelnd und beauftragt die drei Soldatinnen, uns unsere Quartiere in den Zelten zu zeigen. Dabei geben wir unsere Einberufungsschreiben ab, damit wir registriert werden.

*

Am Morgen nachdem die Familien in unserem Dorf die Einberufungen erhalten haben, wache ich auf und schütte als erstes etwas Wasser aus dem Krug in die Schüssel auf dem Waschtisch. Das kalte Wasser hat eine erfrischend belebende Wirkung. Ich will mich jetzt anzukleiden, drehe ich mich vom Waschtisch weg und sehe dabei die offene Truhe. Beim Nähertreten sehe ich, dass meine Rüstung fehlt! Auch die Schatulle mit einem Kurzschwert ist leer!

Zuerst bin ich starr vor Schreck, dann rufe ich laut nach Richi. Kurz darauf streckt der Knecht seinen Kopf in mein Zimmer.

„Einen wunderschönen guten Morgen, verehrte Mutter!“ sagt er lächelnd.

Ich versuche mich zur Ruhe zu zwingen und frage ihn:
„Was tust du gerade?“

„Ich bin in der Küche, habe das Feuer im Herd angefacht und will dann das Frühstück bereiten, Mutter Karla,“ antwortet er.

„Und was macht Leon?“

„Ich weiß es nicht, Mutter Karla! Vielleicht ist er bei ‚Wind‘ und der Stute, und versorgt sie? Er wird sicher einmal Pferdewirt werden.“

Bei dem Gedanken lächele ich versöhnlich. Dieser Kerl, dieser liebenswerte Schuft! Aus jeder Familie soll eine Frau Waffendienst leisten. Von uns hier wäre ich die Frau, die dem Ruf Folge leisten müsste. Nun gibt der Schuft sich sicher für meine Tochter aus und kämpft statt meiner, um mich zu schützen!

Ich denke inbrünstig:
„Gott im Himmel! Sende ihm deine Schutzengel, auf dass er wohlbehalten zurückkehrt! Diana, Göttin des Krieges, führe seine Hand und flüstere ihm die richtigen Ideen ein!“

Danach ziehe ich mich an und gehe an den Esstisch im Wohnraum. Wie erwartet liegt die Einberufung nicht mehr an ihrem Platz.

„Dennis!“ rufe ich.
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BeitragThema: Re: Leon im Jahre 2525   Leon im Jahre 2525 Icon_minitime1So Mai 30, 2021 9:44 am

Mein Sohn kommt aus dem Schlafraum der Männer gelaufen und fällt mir um den Hals.
„Guten Morgen, Mama! Musst du heute schon fort?“

Ich schüttele den Kopf und streiche dem Jungen durchs Haar.
„Heute noch nicht,“ antworte ich ihm mit sanfter Stimme.

Richi beginnt damit den Tisch zu decken, als an der Haustür geklopft wird.

„Schau mal, wer das so früh ist, Dennis,“ beauftrage ich meinen Jungen.

Er läuft zur Tür, öffnet sie und lässt meine Nichte Sabine herein. Sie hat die Rüstung meiner Schwester angelegt, mit einem Dolch am Gürtel und einem Bogen in der Hand. Auf dem Rücken trägt sie einen Köcher mit Pfeilen.

„Guten Morgen, Mutter Karla,“ wünscht sie mir und fragt: „Ist Leon bei euch?“

„Komm, setz dich erst einmal und frühstücke, damit du etwas im Magen hast bevor du aufbrichst.“

Höflicherweise setzt sich Sabine an den Tisch. Sie schaut mich fragend an. Ich beantworte die unausgesprochene Frage mit einem Kopfschütteln und sage:

„Leon, dieser liebenswerte Schurke, wollte nicht, dass ich mich für den Tross der Truppe melde. Kämpfen kann ich ja nicht mehr. Aber Leon besitzt das nötige Pneuma. Er ist eine Kämpfernatur. Leon ist in der Nacht in mein Zimmer geschlichen und hat die Rüstung mit dem Kurzschwert an sich genommen. Dann ist er sicher in den Stall und hat ‚Wind‘ mitgenommen. Den Beiden zusammen möchte ich als Feind nicht gegenübertreten!“

Sabine macht große Augen.
„Du willst mir damit sagen, dass Leon sich statt deiner bei der Truppe melden will?“

Ich schüttele lächelnd den Kopf.
„Das wird ihm nicht gelingen! Aber er wird sich als meine Tochter ausgeben.“

Sabine springt auf. Ich hebe beschwichtigend die Hand.

„Lass ihn, Sabine! Mit Glück sehen wir ihn wohlbehalten wieder. Ich habe ihn Diana persönlich ans Herz gelegt!“

Langsam setzt sich Sabine wieder. Nach einer Weile frage ich sie:
„Wann wollt ihr aufbrechen?“

„Wenn alle bereit sind,“ antwortet sie. „Ich denke, es wird wohl heute Nachmittag werden.“

„Ich wünsche euch alles Glück der Welt! Beweist Mut, seid aber ebenso umsichtig.“

Sabine nickt.

„Wir haben alle vor, wieder zurückzukehren. Aber der Feind wird uns kennenlernen!“

„Wohin wollt ihr euch wenden?“

„Es heißt, es gibt mehrere Ausbildungszentren. Zwei liegen in der Nähe der Hauptstadt. Dahin zu reisen, dauert aber einige Wochen. Nur wenige Tagereisen im Norden liegt auch eines. Dahin wollen wir uns wenden.“

*

Drei Monate bin ich schon in dem Ausbildungshaufen. Unter der Leitung der Feldweibel Schumacher habe ich gelernt mit vielen verschiedenen Waffen umzugehen. Sie bringt uns auch eine Menge Finten bei. Kraft und Ausdauertraining steht ebenfalls auf dem täglichen Plan.

Anfangs hat sie mich auf meine ‚raue Stimme‘ aufmerksam gemacht.

„Soldatin Jäger, Zu Mir!“

Ich trete näher. Sie sagt:
„Ich habe dich beobachtet. Du gibst dich ganz und gar nicht wie ein Mann. Du besitzt die Energie, Kraft und das Temperament einer jungen Frau! Aber woher kommt dann die Stimme eines Mannes, mit der du sprichst?“

Ich verbeuge mich ehrerbietig und antworte schlagfertig:
„Feldweibel Schuhmacher, leider ist das die Nebenwirkung einer Operation im Rachenraum in jungen Jahren. Danach hätte ich ein paar Wochen nur das Nötigste flüstern sollen. Leider hat das junge Mädchen Leonie das damals nicht verstanden, oder verstehen wollen…“
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BeitragThema: Re: Leon im Jahre 2525   Leon im Jahre 2525 Icon_minitime1Di Jun 01, 2021 9:22 am

Meine Vorgesetzte, die Mutter der Ausbildungseinheit, lacht nun auf und schickt mich wieder zu den Anderen zurück.

Eine Nebenwirkung des Krafttrainings ist die Vergrößerung der großen Brustmuskeln. Nun habe ich auch ‚etwas‘ in meinem flachen BH, was mich meinen Kameradinnen noch ähnlicher macht.

Nachdem wir Feierabend haben, spielen wir in den Schlafzelten zumeist irgendwelche Brettspiele zum Entspannen. Man merkt, dass wir kein gewöhnliches Lager von Schülerinnen auf Klassenfahrt sind, denn es herrscht eine unterschwellige Nervosität vor. Sie äußert sich schon manchmal darin, dass die Verliererin eines Brettspiels aufspringt und dabei das Spielbrett mit den Figuren umstößt.

Einmal gerate auch ich in eine solche Situation auf dem freien Platz vor dem Zelteingang. Meine Spielpartnerin springt auf und greift eine der Lanzen, die dort im Ständer stehen. Sie richtet sie auf mich und behauptet lautstark, ich hätte sie im Spiel betrogen.

Ich springe ebenfalls auf und sage nervös:
„Wenn das dein Ernst ist, dann stoße doch zu! – Na?“

Sie stößt mit der Lanze nach mir. Ich greife die metallene Spitze und ziehe mit aller Macht, so dass meine Spielgegnerin überrascht nach vorne stolpert. Nun trete ich ihr in den Magen. Im ersten Moment will sie sich übergeben, aber sie fängt sich wieder. Die Lanze hat sie losgelassen. Ich springe hinter sie und halte ihr die Lanze stoßbereit entgegen. Sie dreht sich um und zieht gleichzeitig ihr Schwert. Sofort lasse ich die Lanze fallen und ziehe ebenfalls mein Schwert.

In diesem Moment ruft eine Offizierin, die unbemerkt nähergetreten ist:
„Stopp! Ich dulde keine Händel untereinander!“

Im Nu hat sie uns beide entwaffnet und sagt:
„Eure Schwerter könnt‘ ihr euch bei der Feldweibel wieder abholen!“

Spricht es und stapft in Richtung des Kommandeurzeltes davon. Nach einer Schrecksekunde folgen wir beide der Offizierin. Sie betritt das Zelt und kommt nach wenigen Minuten wieder heraus.

„Soldatin Müller!“ ertönt die Stimme der Feldweibel von drinnen.

Meine Kontrahentin betritt das Zelt. Wenige Minuten darauf höre ich sie laut sagen:
„Jawoll, Frau Feldweibel!“

Sie kommt heraus. Ihr Schwert baumelt an ihrer Seite. Mich würdigt sie keines Blickes. Da ertönt schon mein Name aus dem Mund der Feldweibel. Die Offizierin neben mir macht eine Geste in Richtung des Zelteingangs.

Nachdem ich das Zelt betreten habe, höre ich:
„Haltung, Soldatin Jäger!“

Ich versteife mich.

„Was war draußen los?“

Nun erzähle ich ihr, dass wir ein Brettspiel gespielt haben, das ich gewonnen habe. Die Soldatin Müller hat sich dann als schlechte Verliererin gezeigt.

Die Feldweibel antwortet:
„Ich dulde keine Händel untereinander! Verstanden, Soldatin Jäger?“

Ich schlage die Hacken zusammen und sage laut:
„Jawoll, Frau Feldweibel!“

Sie hat mein Schwert in der Hand und hebt die Klinge waagerecht. Darauf schauend fragt sie mich nachdenklich:

„Ist das dein Familienschwert?“

Ich antworte ihr wahrheitsgemäß:
„Es gehört meiner Mutter, Karla Jäger! Sie wurde in der letzten großen Schlacht gegen die Asiaten verwundet. Nun bin ich, statt ihrer, der Einberufung gefolgt.“

Die Feldweibel gibt mir mein Schwert zurück, mich noch einmal im mütterlichen Ton ermahnend.
Wir üben weiter den Gebrauch der unterschiedlichen Waffen. Das Krafttraining wird beibehalten. Auch der Kampf zu Pferd steht auf unserem Ausbildungsplan. Beim Schwertkampf zu Pferd, den wir mit hölzernen Schwertern üben, lasse ich mich einmal an der der Gegnerin abgewandten Seite von ‚Wind‘ herunter, um einem Stoß auszuweichen. Dann wende ich ‚Wind‘ und gehe ungestüm gegen die Kameradin, meine Übungsgegnerin, vor. Sie kann meiner Attacke nichts entgegensetzen und fällt von ihrem Pferd.
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BeitragThema: Re: Leon im Jahre 2525   Leon im Jahre 2525 Icon_minitime1Do Jun 03, 2021 10:03 am

Wir üben weiter den Gebrauch der unterschiedlichen Waffen. Das Krafttraining wird beibehalten. Auch der Kampf zu Pferd steht auf unserem Ausbildungsplan. Beim Schwertkampf zu Pferd, den wir mit hölzernen Schwertern üben, lasse ich mich einmal an der der Gegnerin abgewandten Seite von ‚Wind‘ herunter, um einem Stoß auszuweichen. Dann wende ich ‚Wind‘ und gehe ungestüm gegen die Kameradin, meine Übungsgegnerin, vor. Sie kann meiner Attacke nichts entgegensetzen und fällt von ihrem Pferd.

Die Feldweibel ist immer dabei und schaut mal dem einen, mal dem anderen Übungskampf zu. Im Nachhinein ruft man mich zur Feldweibel. Sie meint, ich besitze eine besondere Begabung, die ich ihrer Meinung nach vor der Truppe versteckt halte.

Ich versuche zu relativieren, aber sie schneidet mir das Wort ab und erklärt:
„Auch ich verstecke etwas vor dir, Soldatin Jäger: Ich kenne deine Mutter Karla Jäger, eine großartige Kämpferin mit starkem Pneuma. Unglücklicherweise wurde sie verwundet und hatte schweren Herzens dem Militärdienst den Rücken gekehrt. Ich dagegen bin zum Ausbildungsoffizier, zur Feldweibel, aufgestiegen in der Zwischenzeit.
Ich freue mich, ihre begabte Tochter in meinem Haufen zu haben! Dein Pneuma ist mächtig, Soldatin Leony Jäger! Du musst deine Gabe weiterentwickeln, nicht verstecken! Das Pneuma durchströmt das Weltall und alles Leben. Wir alle wurden damit geboren. Doch nur die Wahrhaftigste hat eine starke Verbindung zu ihrem Pneuma und wird eine große Kriegerin.
Ruhig wie ein Wald, aber ein loderndes Feuer verbirgt sich in ihrem Inneren. Die Kriegerin nimmt die Kraft ihres Gegners auf und lenkt sie um. Ein Nachteil kann zu einem Vorteil werden. Wenig kann viel bewegen!“

*

Feldweibel Schuhmacher wird regelmäßig aus der Hauptstadt über die aktuelle Situation des Kriegsgeschehens informiert. Beobachterinnen folgen dem feindlichen Heer aus dem Osten und setzen immer wieder Berichte ab. Sie greifen nicht in die Kämpfe unserer Truppen ein, bleiben stets in erhöhten Verstecken. So erfahren wir die Richtung, in der das feindliche Heer marschiert.

Sie müssten bald die Ostsee erreichen, eine flache Ausbuchtung des großen Ozeans im Westen. Sie wird von einer schmalen Landzunge von der Nordsee getrennt. Die Bewohner der Küstendörfer sind angehalten worden, ins Landesinnere zu flüchten. Noch ist nicht ersichtlich, welche Strategie die Asiaten verfolgen.

Vor ungefähr 1.300 Jahren hat es so etwas schon einmal gegeben, lernen wir. Wie damals führen die Asiaten große Herden an Pferden, Schafen und Ziegen mit sich. Anders als damals ist Europa nicht mehr so dicht bewaldet. Das gegnerische Heer kann also tiefer nach Europa vordringen, weil die Herden bessere Weiden vorfinden.

Wir müssen ihnen also mit großen Heeren Einhalt gebieten und andere Möglichkeiten der Kriegführung anwenden. Wenn wir in die Hände des Feindes fallen, würden wir misshandelt und versklavt, sagt man uns in den Unterweisungsstunden. Die asiatischen Kämpfer sind ausnahmslos Männer, aber andere Männer, als wir sie kennen, heißt es. Sie sind grausam und herrschsüchtig. In ihrer Gesellschaft haben die Frauen den dienenden Part inne.

In den vergangenen zwanzig Jahren, also ungefähr seit meiner Geburt, haben die Asiaten ihr Herrschaftsgebiet bis an die Küste des Nordmeeres ausgedehnt, hat schon Herr Hamacher in der Dorfschule erzählt. Die Rus in Sibirien sind hinter den Ural auf europäisches Gebiet geflohen und haben sich neu angesiedelt. Die Urvölker Sibiriens sind entweder von den Asiaten integriert worden, wie über fünfzig andere Völker auch, oder haben sich im Ural neu angesiedelt.

Dann haben die Asiaten den Ural vor etwa zwölf Jahren mit einem Riesenheer überschritten. Nach kurzer Zeit haben sie sich das Gebiet der Rus einverleibt. Nun wurde von ihnen ein Expeditionsheer nach Mitteleuropa entsandt. Das ist der Zeitpunkt der aktuellen Mobilmachung gewesen. Einige unserer Amazonenheere haben Testangriffe gestartet. Sie haben deren Entschlossenheit verspüren müssen, nach und nach die Welt unter ihre Herrschaft zu bringen.

Trotzdem ist es unseren Heeren gelungen, mit Mut, Entschlossenheit und Verschlagenheit den Asiaten empfindliche Stiche zu versetzen. Jedoch erst der Kampf gegen die wehrlosen Herden im Rücken des Feindes hat deren Vormarsch zum Stehen gebracht. Sie ziehen sich brandschatzend zurück auf das Gebiet der Rus.
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BeitragThema: Re: Leon im Jahre 2525   Leon im Jahre 2525 Icon_minitime1Sa Jun 05, 2021 9:24 am

Dabei haben sie sich zweimal geteilt. Das erste Mal geschah das jenseits des Flusses, den man früher die Oder genannt hat. Das zweite Mal hat eine Schlacht mit unserem Heer sie zum Abbiegen nach Süden gezwungen jenseits des Flusses Rhein. Auch hier haben sie sich geteilt. Einer kleinen Einheit ist es gelungen den Fluss zu überqueren und sich so den Kampfhandlungen zu entziehen.

Diese Einheit bewegt sich weiter in westlicher Richtung und muss von uns bekämpft werden, weil ihr Vorstoß unserer Hauptstadt Bruksel gefährlich werden könnte.

Währenddessen haben wir unsere Ausbildung abgeschlossen und sind in die Schutztruppen der Hauptstadt integriert worden. Zuerst sind wir angetreten und die Feldweibel hat zu uns gesprochen:

„Bis zum jetzigen Zeitpunkt seid ihr Mädels gewesen, die Soldatinnen gespielt haben. Nun werdet ihr zu Frauen! Ihr legt den Eid als Kriegerin ab, indem ihr den drei Tugenden Gehorsam schwört. Zieht das Schwert!“

Nach einer kurzen Pause ruft sie die drei Tugenden einzeln auf. Wir wiederholen sie im Chor und stoßen dabei jedesmal unser Schwert in den Himmel:

„Loyal!“ – „Loyal!“

„Mutig!“ – Mutig!“

„Wahrhaftig!“ – „Wahrhaftig!“

Beim letzten Schwur zögere ich etwas. Mir bleibt für einen Moment mein Herz stehen. Beruht doch meine ganze Existenz als Soldatin unserer Truppe auf einer Unwahrheit, die schon mit meinem Vornamen beginnt.

„Das Schwert – steckt ein!“ ruft die Feldweibel gerade.

*

Die Offiziere kommen aus dem Zelt des Heerführers. Es hat eine Besprechung über unser weiteres Vorgehen gegeben.

Die Amazonen Europas sind nicht so leicht zu überwinden.

Nachdem wir uns im Land der Rus etabliert haben, hat der Oberkommandierende, unser Präsident in Ulan Bator, entschieden, dass ein Expeditionsheer nach Bruksel entsandt wird, der Hauptstadt des Feindes, das sich aber auf seinem Weg aufteilt, um die eigentliche Absicht zu verschleiern.

Wir sind zu einem großen Binnenmeer marschiert. Etwa die Hälfte des riesigen Heeres hat sich dort von uns getrennt und sind am rechten Flussufer eines größeren Flusses südwärts marschiert. So hätten wir unser Staatsgebiet mit Kriegsglück bis zu dieser natürlichen Grenze vorgeschoben.
Die restliche Truppe ist bis zu einem breiten Strom weiter vorgedrungen. Wir erreichen ihn, wo er nach Westen fließt. Der Heerführer hat befohlen, ihm auf der rechten Seite nach Süden zu folgen.

Bei Nacht lässt er die Elitesoldaten unserer Truppe auf die andere Seite übersetzen. Seine Überlegung ist, dass ein so kleines Heer der Aufmerksamkeit der Amazonen entgeht, wenn zum Einen unsere Brüder jenseits der Flüsse die feindlichen Heere binden und vielleicht besiegen. Zum Anderen hat der Heerführer entschieden, kleine Kundschaftergruppen vorauszusenden, um einen möglichst menschenleeren Korridor zur feindlichen Hauptstadt zu finden.

Wir sind mit dieser Strategie der feindlichen Hauptstadt Bruksel schon sehr nahe gekommen. Eine unserer Kundschaftergruppen bleibt verschollen. Wir denken, dass sie Feindberührung bekommen haben und gemäß unserer Philosophie weder Gefangene gemacht haben im Kampf, noch Gefangene der Amazonen geworden sind. Dem zu Folge werden sie allesamt heldenmutig im Kampf gestorben sein.

Natürlich heißt das, dass wir uns nun beeilen müssen. Der Feind darf nicht zuviel Zeit erhalten, eine Abwehrtaktik zu entwickeln.

Nahe der feindlichen Hauptstadt treffen wir auf freiem Feld auf eine kleine Streitmacht, nicht viel größer als unsere. Der Oberkommandierende lässt stoppen, um sich deren Aufstellung anzuschauen. Nach einigen Minuten ruft der das Wort „Attacke!“ und wir galoppieren gegen den Feind.

*
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BeitragThema: Re: Leon im Jahre 2525   Leon im Jahre 2525 Icon_minitime1Mo Jun 07, 2021 10:08 am

Wir reiten zu zweit in alle Richtungen Patrouille. Immer eine erfahrene Soldatin mit einer Debütantin. Der Umkreis der Hauptstadt ist in zehn Sektoren unterteilt worden. Da wir immer für vier Stunden unterwegs sind und dann acht Stunden ruhen dürfen, sind also sechzig Soldatinnen mit ihren Pferden für die Patrouillenritte ausgewählt worden. Ich bin eine davon, die Soldatin Leonie Jäger.

Nach einem Monat Patrouille hören wir eine Galoppstunde von der Hauptstadt entfernt typische Lagergeräusche in einem Wald. Wir sind seit wenigen Minuten auf der Rücktour im leichten Trab. Sofort lässt die erfahrene Soldatin neben mir halten und übergibt mir die Zügel ihres Pferdes. Während ich warten soll, schleicht sie sich näher an das Wäldchen heran, um das fremde Lager auszukundschaften.

Ich warte einige Minuten. Plötzlich ändern sich die Geräusche. Die fröhlichen Stimmen in der fremden Sprache verändern sich zu Kampfgeschrei. Soll ich weiter warten? Soll ich zu meiner Einheit zurückgaloppieren und sie alarmieren? Soll ich der bedrängten Kameradin zu Hilfe eilen?

Kurz darauf werde ich aus der Dunkelheit heraus angegriffen. Die beiden Angreifer sinken zu Boden und ich schwinge mich auf ‚Winds‘ Rücken. In die Richtung galoppierend, in der wir vorhin die Geräusche wahrgenommen haben, komme ich wie der Teufel über die Fremden. Schwerthiebe nach rechts und links austeilend, lasse ich ‚Wind‘ alle Zelte niederreiten. Anschließend springe ich ab und wüte wie ein Berserker unter den noch lebenden Feinden, während ‚Wind‘ weiter trabt. Meine Kameradin finde ich in den Trümmern eines Zeltes, ihrer Rüstung teilweise beraubt.

Mein Eingreifen hat wohl Schlimmeres verhindert. Sie bedient sich bei den Waffen der Feinde, während ich in die weittragende Pfeife blase, die um meinen Hals hängt. ‚Wind‘ kommt nach wenigen Minuten näher und schnaubt. Nun steigen wir beide auf ‚Winds‘ Rücken und versuchen, so schnell es ‚Wind‘ mit dem Gewicht von zwei Reiterinnen möglich ist, unsere Einheit zu alarmieren.

Am Morgen werden fünf Soldatinnen in das Wäldchen entsandt, um den Ort der nächtlichen Schlacht bei Tageslicht zu inspizieren. Sie kommen gegen Mittag zurück. Jede Soldatin führt zwei Pferde am langen Zügel. Eins der Pferde gehört zu uns. Es ist das Pferd meiner Kameradin. Die anderen Tiere sind von dem gedrungenen Typ, den die Asiaten bevorzugen.

Noch einmal wird eine Gruppe losgeschickt, die die Kampfspuren beseitigen soll. Gleichzeitig wird eine Meldung an die Truppen-Kommandantin abgesetzt. Der Feind versucht anscheinend, mit kleinen Gruppen kundschaftend, sich der Hauptstadt zu nähern.

Daraufhin verdoppelt die Truppen-Kommandantin aus Bruksel die Anzahl der Patrouillen und auch die Räume, die die Patrouillen abdecken. Nun haben wir ein schmäleres Dreieck zu überwachen. Wir sollen uns darin aber schneller fortbewegen, um einerseits tiefer ins Umland vorzustoßen, andererseits einem möglichen Gegner ein schlechteres Ziel zu bieten.

Eine Patrouille kommt im gestreckten Galopp zurück. Sie springen bei unserem Haufen ab, nehmen Haltung an und eine der Beiden macht der Feldweibel Meldung:

„Der Feind ist nah und in der Überzahl!“

Anschließend reiten sie weiter, um der Truppen-Kommandantin ebenfalls Meldung zu machen.

Die Feldweibel bestimmt:
„Wer den ersten Zug macht, beherrscht den Feind! Wir werden ausrücken und ihn im Feld stellen!“

Meine Kameradinnen und ich schauen uns an. Ihre Gesichter sind erstarrt. Einige zeigen weinerliche Mienen. Ich sage:

„Meine verehrte Mutter hat einmal gesagt, zur Tapferkeit gehört auch die Furcht! Hört mir zu: Wir werden überleben! Weil wir einander beschützen! Weil wir füreinander kämpfen!“

Wir müssen uns bereitmachen zum Ausrücken. Dazu stellen wir uns in Kampfformation auf und die Feldweibel befiehlt den Abmarsch.

Zwei Stunden marschieren wir in die Richtung, aus der die Patrouille gekommen ist. ‚Wind‘ lasse ich an der Flanke der Truppe im Schritt gehen. Am Horizont sehen wir kleine schwarze Punkte schnell größer werden. Es sind die Asiaten auf ihren robusten Ponys.

Sie verhalten einen Moment. Möglicherweise haben sie nicht damit gerechnet, uns im Feld zu treffen. Dann aber beginnt ihre Attacke im Galopp. Die Feldweibel befiehlt die Verteidigung durch unsere Bogenschützen. Wir holen einige Feinde von ihren Ponys. Nun teilt sich der Feind auf und versucht, uns einzukreisen.

Feldweibel Schuhmacher befiehlt den Reitern an den Flanken, ihnen entgegen zu treten. Darunter bin auch ich mit ‚Wind‘. Sofort galoppieren wir dem Feind entgegen. Er soll uns nicht einkesseln können!

Der Feind weicht aus. Wir setzen nach. Ich nehme meinen Bogen und hole mit meinen Kameradinnen nach und nach einige Feinde vom Pferd. Als wir den Feind erreichen, fliegen uns ebenfalls Pfeile entgegen. Ich kann einigen davon ausweichen, indem ich mich bücke und an ‚Winds‘ Flanke Schutz finde. Meine Kameradinnen erwischt es ärger. Als wir mitten unter den Feinden sind, lassen wir unsere Schwerter sprechen und als der letzte Feind vom Pferd geholt ist, reiten wir zu unserer Truppe zurück. Wir sind nur noch zu Dritt.

Dort kämpfen meine Kameradinnen inzwischen Mann gegen Mann zu Fuß gegen den Feind. Während meine Begleiterinnen absitzen, um zu helfen, reite ich im Galopp mitten unter die Kämpfenden und springe dort von ‚Winds‘ Rücken. ‚Wind‘ galoppiert weiter. Mein Schwert ziehend, erledige ich einen Asiaten nach dem Anderen, der sich mir in den Weg stellt.

Anscheinend sind die Asiaten den Kampf zu Pferd eher gewohnt. Unsere Feldweibel muss ihnen in meiner Abwesenheit den Kampf zu Fuß aufgezwungen haben.

Unsere Feldweibel!

Wo ist die Kommandantin? Lebt sie noch?

Plötzlich ergreift der Rest des Feindes die Flucht. Da ertönt unser Signal zum Sammeln. Die Soldatinnen um mich herum schauen nach ihrer Ausrüstung und gehen dann dorthin, wo die Trompeterin steht. Eine Kameradin in meiner Nähe fragt:

„Hat jemand die Soldatin Jäger gesehen?“

Es muss jemand aus meinem Haufen sein. Da sehe ich die Feldweibel. Sie ruft:
„Soldatin Jäger?“

Ich trete näher und falle auf die Knie. Die rechte Hand an den Helm hebend, sage ich leise:
„Ich bin Leon Jäger, Feldweibel Schuhmacher! Vergebt mir.“

Die Feldweibel fragt mit erstauntem Gesicht:
„Du… Du bist ein Hochstapler!“

Eine Kameradin in der meiner Nähe flüstert:
„Sie… Sie ist ein Kerl!“

Die Feldweibel hat sich inzwischen gefangen. Sie ergänzt:
„Du hast die Truppe betrogen, Leon Jäger! Du hast deine Familie bloßgestellt! Deine Heuchelei ist meine Schande! Ich verbanne dich deshalb ab sofort aus der Truppe!“

„Ich würde lieber sterben wollen!“ antworte ich mit fester Stimme.

„Von jetzt an bist du aus der Truppe ausgeschlossen!“ ergänzt eine junge Offizierin neben der Feldweibel.

Warum habe ich das gemacht? Warum habe ich mich geoutet? Ich habe auf die drei Tugenden geschworen. Eine davon ist die Wahrhaftigkeit. Dieser falsche Schwur hat seitdem in meiner Seele gelodert. Ich habe ihn abschütteln müssen. Jetzt, angesichts unseres Teil-Sieges, erschien mir der rechte Zeitpunkt gekommen.
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BeitragThema: Re: Leon im Jahre 2525   Leon im Jahre 2525 Icon_minitime1Mi Jun 09, 2021 9:19 am

Tief enttäuscht erhebe ich mich und entferne mich von meinen Leuten. Nach einigen Minuten des Wanderns hole ich meine Pfeife hervor und rufe damit ‚Wind‘ herbei. Anschließend entfernen wir uns langsam nebeneinander her gehend von der Truppe.

Durch Zufall sehe ich eine Soldatin, die mir im gestreckten Galopp entgegenkommt und an mir vorbeireitet. Ihre Rüstung und die ihres Pferdes sind von Pfeilen gespickt. Sie wird eine Beobachterin sein und muss Feindkontakt gehabt haben.

Bald darauf höre ich die Trompete schallen. Das Signal zum Kampf ertönt. Viel hätte ich darum gegeben, nun Seite an Seite mit den Kameradinnen zu kämpfen. Ich halte ‚Wind‘ an und warte. Tatsächlich sehe ich unsere Truppe bald in Schlachtordnung auf dem freien Feld näher rücken. Enttäuscht lasse ich ‚Wind‘ schräg zu der Linie wegtraben, die die Soldatin galoppiert ist. Ich möchte nicht zwischen die Kämpfenden geraten. Der Feind wird sich wieder gesammelt haben und der Rest der feindlichen Soldaten sind erneut in die Schlacht geschickt worden.

In einiger Entfernung halte ich ‚Wind‘ an und drehe ihn um. Eine Stunde danach haben sich die Heere auf Bogenschuss-Entfernung genähert und die Kampfhandlungen beginnen erneut. Während unsere Truppe in Formation bleibt, scheint der Feind diesmal in ungeordneten Haufen anzugreifen. Auf der anderen Seite des Schlachtfeldes, mir gegenüber, entdecke ich eine kleine Gruppe Reiter, von denen ab und zu verschiedenfarbige Fahnen hochgehalten werden.

Sollte sich dort der Kommandant des Feindes positioniert haben und Fahnensignale an seine Kommandanten im Feld weitergeben? Ich lasse ‚Wind‘ um das Schlachtfeld herum galoppieren, um hinter diese Gruppe zu kommen.

Dort angekommen stelle ich fest, dass die Gruppe nur ungefähr so groß ist, wie die Kundschafter-Gruppe, die ich vor wenigen Wochen in der Nacht ausgelöscht habe. Sicher ist die Gruppe hochdekorierter Offiziere vor mir kampferprobter als die Kundschafter, aber der Überraschungseffekt und mein unbedingter Siegeswille werden mir helfen. Anderenfalls werde ich heute noch an der Tafel der Diana sitzen und auf die Kämpfer herunterschauen.

Die Offiziere in der Gruppe haben kein Auge dafür, was hinter ihnen geschieht. Ihre Aufmerksamkeit gilt dem Schlachtfeld. So kann ich ‚Wind‘ im Schritt näher heranbringen, bis ich den feindlichen Oberkommandierenden erkannt habe.

Nun lasse ich ‚Wind‘ die restliche Entfernung im gestreckten Galopp zurücklegen. Wie gelernt, spanne ich den Bogen auf meinem galoppierenden Pferd und ziele auf den Nacken des Oberkommandierenden. Anschließend gehe ich neben ‚Winds‘ galoppierenden Körper in Deckung.

Kurz darauf treffen die ersten Pfeile auf ‚Winds‘ Rüstung, aber da bin ich schon heran und ziehe mein Schwert. Mit zwei Feinden muss ich nun meine Klinge kreuzen, die anderen sind zu überrascht zum Reagieren. Mit Mühe erkämpfe ich mir den Sieg. Anschließend nehme ich meine Pfeife und stoße mehrmals kurz hinein.

Das Geschehen auf dem Schlachtfeld wendet sich gegen den Feind, auch weil die Gruppen des Feindes keine Fahnensignale mehr erhalten und zunehmend kopflos handeln.

Nachdem unsere Truppe gesiegt hat, nähert sich eine Gruppe hoher Offiziere im gestreckten Galopp der Stelle, an der ich gekämpft habe. Ich habe diese Soldatinnen noch nie zuvor gesehen. Sie müssen aus der Hauptstadt kommen.

Die Oberkommandierende in Begleitung einiger hoher Offizierinnen hält ihr Pferd vor mir an. Ich habe abgesessen und schaue meinem Schicksal unerschrocken in die Augen, denn mir kann jetzt doch eigentlich nur die Todesstrafe drohen.

Meine Augen werden groß, als ich die hochdekorierte Frau auf ihrem Schimmel erkenne. Es ist unsere Präsidentin persönlich! Meine Knie geben nach und ich begebe mich in eine demutsvoll kniende Haltung.

„Soldat!“ spricht sie mich an. „Ist dies hier allein dein Werk? Weißt du, dass du den feindlichen Heerführer und seine Offiziere im Alleingang besiegt hast?“

Ich kann nur nicken.
„Du hast Loyalität und Mut bewiesen! Dafür sollst du eine Belohnung erhalten.“

Eine der Offizierinnen, wahrscheinlich aus der Umgebung von Feldweibel Schuhmacher, meldet sich nun zu Wort:

„Der Zivilist Leon Jäger hat sich in die Truppe als Leonie Jäger eingeschlichen und ist unehrenhaft entlassen worden, als sein Lügengebäude zusammenbrach!“

Die hochverehrte Präsidentin wendet sich wieder an mich und fragt:
„Stimmt das, Leon Jäger? Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?“

„Hochverehrte Präsidentin. Als die Einberufung meine tapfere Familienmutter erreichte, die aufgrund früherer Kämpfe gegen die Asiaten heute einen Gehstock braucht, sprach sie davon, dass sie sich für den Tross der Truppe melden wird.
Ich habe mich statt ihrer bei der Truppe gemeldet. Damit wollte ich meine tapfere Familienmutter vor einem sicheren Tod in der Schlacht schützen.“
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BeitragThema: Re: Leon im Jahre 2525   Leon im Jahre 2525 Icon_minitime1Fr Jun 11, 2021 9:43 am

"Gut, also verkünde ich nun das Urteil über dich, Leon Jäger:
Du wirst wieder in die Truppe aufgenommen und zum Offizier befördert! Das europäische Volk verdankt dir sehr viel!"

Ich beuge mich vor der hohen Dame zu Boden und entgegne:
"Hochverehrte Präsidentin, ich fühle mich zutiefst geehrt, aber ich bitte um Nachsicht. Ich kann nicht Soldat werden, bevor ich nicht meine Mutter für meine Tat um Verzeihung gebeten und mich ihrem Urteil gestellt habe!
Ich habe mein Zuhause bei Nacht verlassen und damit ihr Vertrauen missbraucht. Ich habe dann Entscheidungen gefällt, die meine Familie in Schande fallen lassen könnten. Dann habe ich den Eid geschworen loyal zu sein, mutig und wahrhaftig.
Um mich an diesen Eid zu halten, muss ich nachhause zurückkehren und sie demütig um Verzeihung bitten."

"Wie du wünschst, Leon Jäger," sagt die Präsidentin. "Das Ehren der Familie ist eine wesentliche Tugend, aus der die drei anderen hervorgehen!"

Ich nicke. Die hohe Frau wendet ihren Schimmel. Die Offizierinnen folgen ihr.

Nachdem sie ein Stück entfernt sind, erwache ich aus meiner Erstarrung. Ich schwinge mich auf ‚Wind‘ und verlasse den Kampfplatz in östlicher Richtung, um nachhause zu kommen.

*

Aufgeregt kommt Dennis ins Haus gelaufen. Er hat mit anderen Kindern auf dem Dorfplatz gespielt.
"Mutter Karla! Mutter Karla! Leon ist zurück! Leon und 'Wind' sind soeben eingetroffen!"

Ich stütze mich an der Tischkante ab und ziehe mich aus dem Sessel in den Stand. Dann greife ich nach meinem Gehstock und gehe zu der Tür, über die man aus dem Wohnraum direkt in den Stall kommt.

Richi streckt seinen Kopf neugierig aus der Küchentür, sieht seine Familien-Mutter unsicheren Fußes quer durch den Wohnraum gehen und kommt schnell herbei, um mir seinen Arm als Stütze zu bieten.
Dennis ist schon vorgelaufen und öffnet uns Beiden die Tür.

Sofort strömt uns der typische Stallgeruch entgegen. Lizzy, die Stute, die vor Jahren den jungen Hengst 'Wind' geboren hat, steht da und schnaubt. 'Wind' und sie beschnuppern sich. Leon versorgt die Tiere. Als er das Knarzen der Verbindungstür hört, dreht er sich um. Er sieht uns in der Tür, macht einen Schritt auf mich zu und fällt vor mir auf die Knie. Tief beugt er sich vor und flüstert:

"Verzeiht mir, verehrte Mutter. Ich habe dein Schwert gestohlen und deine Rüstung. Außerdem habe ich mir 'Wind' unrechtmäßig angeeignet. Ich bin Soldatin geworden und schließlich verstoßen worden."

"Mein Junge! Steh auf, komm in meine Arme!" sage ich mit Freude in der Stimme und breite den freien Arm aus.

Ich lege meinen Arm um seine Brust und Rücken und fasse fest zu. Nun sage ich unter Tränen der Freude und Rührung:

"Schön, dass du wieder zuhause bist, mein Junge! Ich bin es, die sich entschuldigen sollte. Ich habe deinem Pneuma früher nicht genug Beachtung geschenkt!
Eine Kriegerin sollte die andere erkennen! Du warst immer bei mir, mein Leon, trotzdem sehe ich dich heute zum ersten Mal wirklich!"

Leon hält mich, denn mein Gehstock ist bei der Begrüßung zu Boden gefallen. Dennis bückt sich, hebt ihn auf und reicht ihn mir. Auf den Gehstock gestützt, füge ich an:

"Komm herein, mein Junge, du musst hungrig sein!"

Leon nickt lächelnd und antwortet:
"Gleich, Mutter Karla! Ich versorge zuerst die Tiere."

Später entledigt sich Leon im Schlafraum der malträtierten Rüstung. Er legt sie ordentlich in die Truhe zurück und platziert das Schwert in der Schatulle. Anschließend zieht er seine Arbeitskleidung wieder an. Nach dem Essen legt er sich in den Gesinderaum zum Schlafen.

In den Tagen darauf kommen immer mehr junge Frauen zurück. Viele haben Verletzungen. Auf Einige warten deren Familien leider vergeblich.

Zwei Monate, nachdem Leon zu uns zurückgefunden hat und sich wieder nützlich macht, als wäre er nie fort gewesen, erreicht eine Gruppe von Reiterinnen mit dem offiziellen Stander der Präsidentin unser Dorf. Sie wird von Sabine, meiner Nichte, geführt.
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BeitragThema: Re: Leon im Jahre 2525   Leon im Jahre 2525 Icon_minitime1So Jun 13, 2021 10:02 am

Eine Ausruferin entfaltet auf dem Dorfplatz ein Papier und ruft so laut, dass es in jedem Haus gehört wird. Die Türen öffnen sich und die Bewohner kommen näher an die Gruppe der Reiterinnen heran.

Die Ausruferin fragt laut:
„Im Namen der Präsidentin! Wohnt in diesem Dorf ein Leon Jäger?“

Leon drückt sich durch die Menge und sagt:
„Ja! Ich bin Leon Jäger!“

Eine Offizierin steigt ab. Ich erkenne meine frühere Kampfgefährtin Schuhmacher. Nun dränge ich mich durch die Umstehenden und stelle mich neben meinen Jungen, schwer gestützt auf meinen Gehstock.

„Offizierin Schuhmacher! Es ist mir eine große Freude, euch nach so langer Zeit wiederzusehen!“ sage ich.

Wir umarmen uns unter Freudentränen.

„Auch ich freue mich sehr!“ entgegnet sie. „Dürfen wir die Pferde ein paar Tage unterstellen, bis sie fit für den Ritt zurück zur Hauptstadt sind?“

„Das Dorf freut sich, die präsidiale Garde als Gäste zu beherbergen!“ gebe ich laut zurück.

Um uns herum werden Hochrufe laut. Nun sitzen auch die anderen Reiterinnen ab. Eine der Offizierinnen nimmt etwas aus einer Satteltasche und nähert sich meinem großen Jungen. Sie hält ihm lächelnd eine lange, reich verzierte Schatulle beidhändig entgegen.

„Auf Befehl unserer Oberkommandierenden, der verehrten Präsidentin, überreichen wir dir dieses Geschenk, Leon Jäger!“ sagt die Feldweibel mit fester Stimme.

Laut und zu den Umstehenden gewandt, ergänzt sie: „Er hat uns vor dem Feind aus dem Osten gerettet! Die freie westliche Welt steht in seiner Schuld!“

Leon streicht ehrfürchtig über das Holz. Entschlossen öffnet er die Schnallen und klappt den Deckel hoch. Ein Raunen geht durch die sich näherdrängende Menge. Auch sein Atem stockt, als er das Schwert darin erblickt. Leon nimmt die verzierte Schwertscheide mit beiden Händen hoch. Mit links hält er die Scheide und zieht das Schwert mit der rechten Hand am Griff heraus. In die Klinge eingeprägt sind die Symbole der drei Tugenden, wie beim Schwert von Mutter Karla.

Die Feldweibel redet weiter:
„Er hat unseren Ahnen Ehre gebracht, sowie seinem Dorf, seiner Familie und seiner Heimat.“

Die Offizierin, die die Schatulle in Händen hält, sagt nun:
„Einem großen Krieger würdig, trägt das Schwert die Symbole der Tugenden…“

Ich, Karla, rezitiere:
„Loyal, mutig, wahrhaftig!“

Leons Augen spiegeln sich in der Klinge. Er dreht sie in der Hand. Auf der anderen Seite ist ein weiteres Symbol aufgeprägt.

Ich sage freudestrahlend:
„Vierte Tugend…“

Feldweibel Schuhmacher fällt mir ins Wort:
„Was bedeutet das Zeichen, Soldat Leon?“

Er antwortet:
„Familienehre…“

Die Ausruferin ist bis jetzt auf ihrem Pferd sitzen geblieben. Sie sagt nun lautstark:

„Unsere hochverehrte Präsidentin bittet den Soldat Leon Jäger, seine Entscheidung erneut zu überdenken und das Angebot anzunehmen, die Stellung eines Offiziers in der präsidialen Garde zu übernehmen!“

Die Feldweibel ergänzt:
„Soldat Leon Jäger, nimmst du das Angebot an?“

Leons Haltung versteift sich. Er erwidert mit fester Stimme:
„Ich nehme das Angebot der hochverehrten Präsidentin an!“

Er schiebt das Schwert in die Scheide zurück.

„Dann solltest du uns bei unserer Rückkehr begleiten, Offizier Jäger!“ antwortet sie in mütterlichem Ton.

*

Der Junge wurde zum Soldaten. Der Soldat wurde dank seines starken Pneumas zum Anführer.
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