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BeitragThema: Re: Katamaran der Lüfte   Katamaran der Lüfte - Seite 2 Icon_minitime1Di Jun 20, 2023 10:25 am

Das Gespräch beim Essen ist irgendwie in geschäftlichem Rahmen verlaufen. Ich habe ein paarmal versucht, etwas Persönliches einzubringen, aber Frau Elasar ist immer wieder auf den Verlauf der zweitägigen Probefahrt zurückgekommen und auf den zweiten Piloten des Luftschiffes. Dazu habe ich angeregt, dass wir bei der Seglerjugend um einen jungen Mann werben sollten, dem eine Ausbildung zum Luftschiff-Piloten Spaß machen würde. Auf ihre Frage, wer denn die Ausbildung übernehmen soll, meine ich:

„Das will ich gerne selbst übernehmen. Das ich das kann, haben Sie ja an sich selbst erleben dürfen.“

Um halb zehn Uhr sind wir schließlich auseinander gegangen, ohne dass ich meinem Ziel nähergekommen bin. Deshalb habe ich gefragt, ob sie am darauffolgenden Tag Zeit für einen Spaziergang in die Umgebung des Ortes hat. Sie sagt zu, aber ich spüre ein gewisses Ressentiment.

Am nächsten Tag spaziere ich also von meinem Appartement zu ihrer Adresse und entdecke, dass sie in einem Haus wohnt. Obwohl dies hier eine Wohngegend ist, in der Einfamilienhaus neben Einfamilienhaus steht, weist ihre Türklingel auf dem polierten Messingschild unter ihrem Namen auch auf ihre Designfirma hin.

Unterwegs rekapituliere ich in Gedanken unser Beisammensein auf der Probefahrt und unser gestriges Treffen im Restaurant. Irgendwie löst diese Frau etwas in mir aus, was ich bisher noch nie gefühlt habe. Als ich ihr am späten Abend die Technik im Cockpit erklärt habe, bin ich ihr naturgemäß nahegekommen. Dabei ist mir ein Schauer den Rücken hinabgelaufen. Die restliche Zeit während der Fahrt hat jeder auf den Anderen geachtet.

Danach, als wir uns im Restaurant gegenübergesessen haben und ich sie im Gespräch angeschaut habe, hat sie ausgesehen wie jemand anderes. Zurückblickend muss ich mir eingestehen, dass ich mich noch nie in dieser Situation befunden habe, wie beim gestrigen gemeinsamen Essen. Daher habe ich kaum etwas gesagt, so dass Frau Elasar schließlich die Gesprächsführung übernommen und das Problem mit dem fehlenden zweiten Piloten angesprochen hat.

Ich klingele und kurz darauf öffnet sie mir die Tür.

„Ah, guten Tag, Herr Wyss. Entschuldigen Sie, ich bin gleich soweit. Kommen Sie gerne ins Wohnzimmer und trinken Sie ein Tässchen Kaffee, bis ich zu Ihnen komme!“

Sie zeigt mir durch die geöffnete Zimmertür die Ledercouch und auf dem Couchtisch davor eine Tasse Kaffee und ein Schälchen Kaffeegebäck. Ich lasse mich also dort nieder, während sie die Treppe hinaufgeht.

Für den Spaziergang habe ich mir Wanderschuhe angezogen und als Frau Elasar zehn Minuten später den Raum betritt hat auch sie robuste Wanderschuhe an ihren Füßen. Kurz darauf verlassen wir beide ihr Haus und ich wende mich zum Ortsrand.

Ich habe einen Picknickkorb dabei und hoffe, dass wir auf einer Alm einen ansprechenden Platz finden, wo man sich setzen kann. Einen Platz, von dem man einen romantischen Ausblick auf den See und die Berge dahinter hat. Nach etwa einer Stunde wandern, denke ich diesen Platz gefunden zu haben. Ich schaue in die Runde und biete Frau Elasar an, sich an Ort und Stelle für ein kleines Picknick niederzulassen.

Sie geht darauf ein, hockt sich mir gegenüber in das Gras und ich öffne den Korb. Ich frage sie, was sie mag und mache ihr ein entsprechendes Sandwich. Wir essen, was ich mitgebracht habe, dann beginne ich damit, in der Umgebung meines Sitzplatzes Gänseblümchen zu zupfen. Ich lege sie mir in den Schoß und flechte einen Zopf aus Gänseblümchen.
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BeitragThema: Re: Katamaran der Lüfte   Katamaran der Lüfte - Seite 2 Icon_minitime1Mi Jun 21, 2023 10:22 am

Sie schaut mir mit gerunzelter Stirn zu und fragt:
„Was machen Sie da eigentlich, Herr Wyss?“

„Ich versuche, mich zu erinnern, wie man einen Gänseblümchenkranz macht,“ antworte ich und schaue ihr in die Augen. „‚Herr Wyss und Frau Elasar‘ hören sich so förmlich an. Ich heiße Richard. Früher wurde ich oft ‚Richi‘ gerufen. Darf ich fragen, wie Sie heißen?“

Frau Elasar schlägt ihre Augen nieder. Ihre Stirn glättet sich. Dann flüstert sie:
„Ich heiße Julia. Früher hat man zu mir ‚Lia‘ gesagt.“

Ich füge die Enden des Zopfes zusammen, so dass ein kleiner Kranz entsteht und halte ihn ihr entgegen.

„Ich schenke dir den Gänseblümchenkranz,“ sage ich nun und schiebe ihn ihr über die Hand auf ihr Handgelenk.

Reglos und stumm sitzt sie mir nun gegenüber. Fasziniert schaut sie auf ihr neues Armband. Dann lächelt sie und als sie wieder spricht, klingt ihre Stimme so ganz und gar nicht businessmäßig, sondern viel sanfter. Sie legt ihre Hand auf meine. Ich merke, dass ich ihr mit dem Gänseblümchenkranz auch noch ein Stück meines Herzens geschenkt habe. Ob sie es annimmt?

Sie hat es angenommen! Beschwingt bin ich anschließend neben ihr her, wieder in den Ort zurückgegangen.

*

Als ich Julia wieder treffe, hat sie eine Probefahrt mit ihrem Luftschiff-Prototyp hinter sich gebracht, bei der ein Ehepaar mit einer Kamera an Bord dabei gewesen ist. Daraus soll ein Werbefilm entstehen für die großen Luftfahrt- und Yachtmessen, an denen die Werft teilnehmen will.

Während der Fahrt ist sie mit dem Piloten des Luftschiffs menschlich nähergekommen. Das freut mich. Eigentlich könnte ich meinen Auftrag als ‚bester Freund‘ als beendet betrachten und mich um ein anderes Menschenkind kümmern. Irgendetwas hält mich davon ab. Julia ist noch nicht so emotional gefestigt, wie sie sollte, scheint es mir.

Als sie vom Spaziergang mit Picknick in Begleitung von Richard Wyss zurückkommt und allein auf ihr Haus zustrebt, findet sie mich, Hannes, auf dem Mäuerchen sitzen, das ihr Grundstück eingrenzt.

„Ich sehe Sie in fröhlicher Stimmung, Julia!“ bemerke ich. „Das ist schön und freut ganz besonders Ihre Mutter.“

Sie schaut auf und scheint bei meinem Anblick zu erschrecken. Deshalb beschwichtige ich sofort:
„Denken Sie bitte nicht, ich stelle Ihnen nach, Julia! Ich bin kein Stalker. Diese Leute gönnen den gestalkten Menschen meist ihr Glück nicht. Ich gönne Ihnen dagegen ihr Glück, wie es einem besten Freund gebührt.“

Julia schließt leicht zitternd ihre Haustür auf. Sie flüstert:
„Aber wenn die Nachbarn sehen, dass ich mal den einen Mann in mein Haus bringe, mal einen Anderen, bin ich bald Gesprächsstoff im Ort.“
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BeitragThema: Re: Katamaran der Lüfte   Katamaran der Lüfte - Seite 2 Icon_minitime1Do Jun 22, 2023 9:31 am

„Julia, Sie haben ein Büro in ihrem Haus. Da kann der eine Mann ein Geschäftskontakt sein, der Andere nicht. Oder Beide können mit ihrem beruflichen Projekt in Verbindung stehen… Außerdem können die Leute mich nicht sehen. Das können nur Lukas und Sie, Julia!“

Ich lächele ihr aufmunternd zu. Sie lässt mich eintreten und fragt:
„Möchten Sie einen Espresso, Hannes?“

„Gerne,“ antworte ich lächelnd und folge ihr in die Küche.

Julia schaltet ihre Espresso-Maschine ein und schaut mich an. Ich habe auf einer Ecke des Küchentisches lässig Platz genommen. Sie fragt:

„Sie haben eben meine verstorbene Mutter angesprochen. Was wissen Sie von ihr?“

„Nur so viel, dass sie Sie mir ans Herz gelegt hat. Ihre Mutter spürt ihr Seelenleid. Sie möchte, dass Sie glücklich werden! Wenn Sie mögen, erzählen Sie mir doch von ihr.“

Julia seufzt auf und stellt die Espressotassen auf den Tisch. Sie setzt sich mir gegenüber auf einen Küchenstuhl. Also setze ich mich ebenfalls auf einen Küchenstuhl, zwischen uns die Tischplatte, und warte. Nach einer Weile beginnt Julia zu erzählen:

„Meine Mutter war verspielt und abenteuerlustig, sorglos und vielleicht auch ein bisschen ein Nerd -Sonderling-. Sie war ständig auf der Suche nach neuen Einfällen. Viele davon waren aus heutiger Sicht völlig unrealistisch. So hat sie mir einmal versprochen, dass wir uns abends auf die Wiese legen und Sternschnuppen fangen, damit wir uns alles wünschen könnten, was uns einfiel. Sie wollte mit mir im Mondschein am Strand dinieren und danach barfuß im Sand tanzen…“

„Das hat sicher eine Menge Spaß gemacht,“ meine ich mit leiser Stimme.

„Ach, ich weiß nicht,“ sagt Julia daraufhin. „Wir haben ja nichts davon wirklich gemacht.“

„Aber ich wette, Sie haben das alles im Kopf ausprobiert,“ bin ich überzeugt. „Daher ihre Berufswahl ‚Design‘.“

Sie schaut mir in die Augen und erklärt:
„Hannes, ich habe noch nie mit jemand über das gesprochen, was ich Ihnen gerade erzählt habe…“

Ich greife über den Tisch und lege meine Hand auf ihre.

„Julia,“ sage ich. „Was Sie mir auch immer erzählen. Es ist bei mir sicher! Kein Mensch erfährt jemals etwas davon. Das ist eine unserer Grundregeln als ‚bester Freund‘!“

Wir schweigen uns eine Weile an und nehmen einen Schluck Espresso. Dann ergänze ich:
„Wenn Sie sich irgendwann dazu in der Lage fühlen, erzählen Sie mir ruhig vom Verlust ihrer Mutter. Ich glaube, dass Sie sich danach leichter fühlen. Auf vier Schultern trägt sich ein Gewicht leichter als auf zwei!“

Ich schaue sie lächelnd an, und auch Julia lächelt wieder.

„Irgendwann gerne,“ antwortet sie. „Was sagen Sie zu Herrn Wyss? Ist er anders als die Männer, die mich bisher umkreist haben wie die Schmeißfliegen?“

Ich überlege eine Weile. Danach schaue ich Julia an und stelle mit fester Stimme klar:
„Ja, er ist anders! Hat Ihnen bisher sonst jemand ein Armband aus Gänseblümchen geknüpft?“

Sie schaut auf ihr Handgelenk und schüttelt leicht den Kopf.
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BeitragThema: Re: Katamaran der Lüfte   Katamaran der Lüfte - Seite 2 Icon_minitime1Fr Jun 23, 2023 9:12 am

„Noch niemand!“ meint sie.

Sie erhebt sich, nimmt ein Nachtisch-Schälchen, füllt an der Spüle Wasser hinein und stellt es mitten auf den Küchentisch. Danach streift sie sich ihr Armband ab und legt es vorsichtig in das Glasschälchen.

„Er ist ihr Seelenverwandter,“ erkläre ich ihr. „Der Samen, den ihre Mutter in ihnen gepflanzt hat, ist aufgegangen und hat seine Entsprechung in Richi gefunden. Sie Beide haben – wie ihre Mutter zu Lebzeiten – ihr inneres Kind bewahrt und sind in der Lage, es ab und zu herauszulassen!“

*

Wieder einmal ist Lukas über das Wochenende zu Besuch, weil seine Eltern zur Auszeit von der Familienpflicht eine Städtereise vorhaben. Als ich am Samstagmorgen erwache und ins Bad gehe, sehe ich durch die offene Gästezimmertür Lukas noch selig schlafen. Kurz darauf gehe ich in die Küche hinunter, um das Frühstück vorzubereiten. Ich habe Richi vom heutigen Wochenende erzählt und er ist einverstanden gewesen, dass ich mit Lukas alleine sein möchte.

„Später einmal stelle ich euch einander vor!“ habe ich ihm versprochen.

Ich bin mir bewusst, dass ich Richi spätestens der Familie vorstellen muss, wenn aus der Freundschaft mehr werden sollte.

Unten finde ich Hannes am Tisch sitzen und durch die Fensterwand in den Garten schauen.

„Guten Morgen, Hannes,“ sage ich lächelnd, und ergänze: „Magst du mit uns frühstücken?“

„Gerne,“ antwortet dieser und lächelt zurück.

„Hast du eine Idee, was man heute unternehmen könnte?“

„Es gibt so viele Freizeitmöglichkeiten in der Umgebung…“ beginnt er.

Ich unterbreche ihn und meine:
„…die wir alle schon mehrfach besucht haben. Gibt es nichts Fantasievolles draußen in der Natur?“

„Oh, da kenne ich eine Menge!“ erklärt er.

Als ich das Frühstück fertig habe, fordere ich Hannes auf, Lukas zu wecken. Wenig später sitzt der Junge bei uns am Frühstückstisch und fragt:

„Fahren wir heute hinaus auf die Alm?“

Ich verspreche es ihm und kurz nach dem Frühstück sitzen wir zu Dritt im Auto. Wir fahren aus dem Ort hinaus und einige Serpentinen hinauf in die umliegenden Berge. Auf einem Parkplatz halte ich an. Von hier kann man verschiedene Wanderwege nutzen. Aber Lukas springt aus dem Wagen und Hannes folgt ihm. Sie spielen auf der angrenzenden Wiese Nachlaufen. Ich schaue den Beiden vom Auto aus zu.

Auf einmal sagt Hannes etwas zu Lukas. Daraufhin pflückt dieser eine Pusteblume und bläst die Samen fort. Er lässt den Stiel fallen und jagt den Samenschirmchen hinterher. Nach einer Weile hat er tatsächlich ein Schirmchen aus der Luft gefangen. Nun ruft er laut:

„Ich wünsche mir, dass Tante Julia zu uns kommt und mit uns Schirmchen fängt!“

Danach streckt er seine Hände in die Luft, öffnet sie und lässt den Samen davonsegeln. Er dreht sich zum Auto um, hoffend, dass sein Wunsch in Erfüllung geht.

Seine Miene zeigt die Erwartung, dass sein Wunsch in Erfüllung geht. Aber ich kann mich nicht dazu überwinden. Wünsche sind doch nur sentimentale Lügen, habe ich in meinem Leben schmerzlich erfahren müssen. Soll ich zulassen, dass Lukas an Märchen glaubt? Ich habe mich abgewandt. Als ich jetzt wieder zu den Beiden auf die Wiese schaue, läuft Lukas wieder mit ausgebreiteten Armen hinter Löwenzahnsamen her. Kurz darauf hat er wieder ein Schirmchen erwischt und brüllt von seinem entfernten Platz seinen Wunsch ein zweites Mal herüber.

Ich sage mir, dass wir nur ein Spiel spielen, und steige aus. Nachdem ich den Wagen verschlossen habe, betrete ich die Wiese und bücke mich nach der nächststehenden Pusteblume.
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BeitragThema: Re: Katamaran der Lüfte   Katamaran der Lüfte - Seite 2 Icon_minitime1Sa Jun 24, 2023 9:40 am

Als Urs Elasar langsam mit seinem Traktor an der Wiese vorbeifährt, auf dem Weg zu der Alm, die er heute mähen will, traut er seinen Augen nicht. Auf dem kleinen Parkplatz steht das Auto seiner Tochter und auf der Wiese erkennt er Julia mit Lukas, wie sie jauchzend herumtollen. Sie versuchen, etwas aus der Luft zu fangen, scheint ihm. Urs stoppt den Traktor und hält den Atem an.

Ihm kommt es vor, als sehe er einen Geist. Am ganzen Körper zitternd beobachtet er die sich ihm bietende Szene. Urs erinnert sich an seine Jugend, als ihn Emilia, seine spätere Frau, öfters zu solchen Unternehmungen animiert hat. Sie ist leider verstorben. Jedoch, immer wenn er seiner Tochter Julia in die Augen schaut, sieht er sich Emilia gegenüber. Plötzlich holt ihn ein Hupen in die Gegenwart zurück und drängt ihn zum Weiterfahren.

Beat hat sich in seinen Wagen gesetzt und fährt zu seinen Eltern. Er freut sich auf das gemeinsame Mittagessen, als er von einem mitten auf der Bergstraße stehenden Traktor gestoppt wird. Auf dem Fahrzeug sitzt ein älterer Mann und starrt mit kreidebleichem Gesicht in die Ferne.

Beat fragt sich, ob er aussteigen und dem Mann vielleicht erste Hilfe angedeihen lassen soll. Er folgt dem Blick des älteren Mannes. Ein breites Grinsen überzieht sein Gesicht, als er eine Frau und einen Jungen auf der Löwenzahnwiese herumtollen sieht. Bald erkennt er Julia Elasar. Sie lacht, jauchzt und hüpft derart herum, wie er es noch nie von ihr gesehen hat.

Statt ihrer strengen Businesskleidung trägt sie legere Joggingsachen. Ihre Haare trägt sie heute Morgen offen und sie flattern im Wind. Er hätte nicht gedacht, dass sie einen Sohn hat, aber wer sollte der Junge sonst sein, der so vertraut mit ihr über die Wiese springt. Manchmal hebt sie ihn an und hilft ihm anscheinend, irgendetwas zu fangen. Der kleine Junge kichert vor Vergnügen.

Beat grinst noch breiter. Die Szene gefällt ihm sehr gut. Gerne hätte er noch weiter zugeschaut, aber da holt ihn ein Hupen hinter ihm in die Gegenwart zurück. Der Traktor fährt weiter und zieht inzwischen eine kleine Schlange von Fahrzeugen hinter sich den Berg hinauf.

Auf der Rückfahrt in den Ort fühle ich, Julia, mich regelrecht aufgewühlt vor Glück. Mehr als zwei Stunden sind wir auf der Wiese herumgerannt und haben Pusteblumen-Schirmchen gefangen, bis wir dann völlig außer Puste gewesen sind. Danach haben wir uns einfach ins Gras sinken lassen und die Bergluft eingeatmet. Wann habe ich das letzte Mal so gelacht? Habe ich überhaupt jemals so viel gelacht wie heute? Das muss ich unbedingt mit Richi wiederholen, wenn sich die Gelegenheit ergibt! Ich wende mich zu Hannes um und flüstere:

„Danke!“

*

Aus einem Impuls heraus, lasse ich heute meine Küche ‚links liegen‘ und gehe zu Reto’s Café. Wir haben halb neun Uhr und im Gastraum drängen sich die Touristen. Bevor sie in den Bus steigen und wieder ihrer Heimat zustreben, stärken sie sich hier. An allen Tischen wird heute Morgen hochdeutsch geredet. Reto eilt hektisch von Tisch zu Tisch, sammelt benutztes Geschirr ein, bringt es in die Küche und verteilt Frühstück, das von seiner Frau liebevoll arrangiert wurde.

Er schaut auf, als ich zur Tür hereinkomme. Ich signalisiere ihm, dass ich ein Getränk möchte und er nickt mir im Vorbeigehen zu. Ich schaue mich nach einem Sitzplatz um und entdecke Richi an einem sonst freien Tisch. Ein Lächeln stiehlt sich auf mein Gesicht und ich wandere auf ihn zu.

„Hallo,“ begrüße ich ihn.

„Grüessech, Julia,“ lächelt er zurück.

Wir starren einander in die Augen. Nach einer Gedankenpause ergänzt er:
„Ich habe uns einen Tisch freigehalten.“

„Woher wussten Sie denn, dass ich heute außer Haus frühstücke?“ frage ich und lege meine Stirn in Falten, nachdem ich mich zu ihm gesetzt habe.

„Hm, sagen wir, ich habe es gehofft…“

Reto ist herangetreten, Stift und Notizblock gezückt.

„Möchten Sie Frühstück bestellen?“

Ich nicke lächelnd und er macht zwei Striche hinter der Tischnummer und ist wieder im Gewühl verschwunden.

„Ich mag es, wenn Touristen im Ort sind,“ sage ich, um ein Gespräch in Gang zu bringen. „Dann wird sie lebendig und man kann sich zwischen ihnen prima verstecken.“

„Warum willst du dich verstecken?“ fragt Richi nun.

„Richi, der ganze Ort kennt mich, weiß mehr über mich, als ich selbst.“

„Ich höre nicht auf die Leute, Julia. Ich höre dir zu!“
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BeitragThema: Re: Katamaran der Lüfte   Katamaran der Lüfte - Seite 2 Icon_minitime1So Jun 25, 2023 10:11 am

„Im Sommer ist der Ort wie ein Laubbaum. Man kann sich in den Blättern wunderbar verstecken. Im Winter dagegen ist der Baum kahl. Er bietet keinerlei Schutz oder Privatsphäre.“

„Möchtest du mehr Privatsphäre?“

„Nein, nein, darum geht es nicht. Der Ort braucht einfach mal ein bisschen Schwung, wie jetzt durch die Touristen. Er braucht manchmal einen Tritt in seinen Hintern. So in etwa, wenn ich vor die Tür gehe und den Kaffee auf die Straße gieße. Dann kommt wohl endlich einmal ein wenig Leben in die Bude.“

„Warum machst du es dann nicht?“ fragt Richi.

Ich schaue ihn an, als ob ich an seinem Verstand zweifele und antworte:
„Wie meinst du das?“

„Julia Elasar, als dein Luftschiffkommandant fordere ich dich hiermit auf: Nimm deine Kaffeetasse mit. Wir gehen!“

„Aber…“

„Keine Ausflüchte! Komm einfach,“ fordert er, erhebt sich und strebt dem Ausgang zu.

Verwirrt folge ich ihm mit der Kaffeetasse in der Hand. Zum Glück bezahlt man hier sofort, wenn das Frühstück serviert wird. Draußen vor der Tür des Cafés frage ich: „Und nun?“ und nehme noch einen Schluck.

„Mach schon!“ meint er und stößt gegen die Tasse in meiner Hand, dass der Kaffee leicht überschwappt und ein Tropfen auf die Straße fällt.

„Uuuups,“ kommentiert er trocken.

Ich lache laut auf.

„Jetzt wirst du albern, Richi!“

„Warum? Du hast das doch vorgeschlagen,“ antwortet er und stößt stärker gegen die Tasse in meiner Hand.

Ich stoße einen Schrei aus, springe zurück, um meine Schuhe in Sicherheit zu bringen, und muss wieder lachen. Nun spüre ich neugierige Blicke aus dem Café in meinem Rücken. Ich drehe mich etwas zur Seite.

Was wir hier veranstalten, ist albern, lächerlich, vollkommen kindisch. Als mir das bewusst wird, muss ich an das Fangen der Löwenzahnsamen denken. Ein paar Wochen ist es erst her, dass Hannes mit mir und Lukas auf der Almwiese herumgesprungen ist und Schirmchen gefangen hat. Damals habe ich mir gesagt, dass ich das auch einmal mit Richi machen muss. Ich habe mich bisher nicht getraut, ihn darauf anzusprechen. Nach diesem Erlebnis jetzt, ändere ich meine Meinung. Richi scheint mir ein ‚großes Kind‘ zu sein. Ein ‚Kind‘, das trotzdem Verantwortung tragen kann und zu führen versteht.

Ich setze die leere Tasse vor der Tür des Cafés auf die Stufen und biete Richi an, mich zu begleiten. Wir gehen zu meinem Haus und ich biete ihm Platz auf meinem Beifahrersitz an. Dann starte ich den Wagen und kurve rückwärts auf die Straße.

Unterwegs frage ich ihn, ob sich inzwischen ein junger Mann für eine Ausbildung zum Luftschiffpiloten gemeldet hat.

„Ja, Frau Durant hat mir gesagt, dass sie einen Ausbildungsvertrag unterzeichnet hat. Ihr Mann hat den eidgenössischen Fachausweis ‚Ausbildung der Ausbilder‘ im Berufsbildnerkurs in der Tasche, also kann die Ausbildung im Herbst starten,“ antwortet er.

Ich nicke dazu. Es läuft gerade alles wunderbar.

Bald haben wir den kleinen Parkplatz am Straßenrand erreicht und ich sage zu ihm:
„Richi, ich möchte dir etwas zeigen.“

Neugierig steigt er aus dem Wagen und schaut sich um. Stirnrunzelnd sieht er mich danach an und fragt:

„Was gibt es hier zu sehen, außer Berge und Wiesen?“

Also bücke ich mich und pflücke eine Pusteblume. Während ich mich aufrichte, schweben schon einige Schirmchen davon. Ich lasse den Stiel fallen und springe hinter den Schirmchen her. Ich habe schließlich eines erwischt, bevor es wieder zu Boden geschwebt ist, umfasse es mit meinen Händen und rufe laut:

„Lia und Richi sind ein Liebespaar und ziehen auch beruflich an einem Strang!“

Danach öffne ich meine hohlen Hände und lasse das Schirmchen frei. Ein kurzer Luftstoß in seine Richtung durch Anblasen und ich schaue Richi auffordernd an.

„Wenn man dem Löwenzahnsamen einen Wunsch mit auf den Weg gibt, erfüllt er sich vielleicht,“ erkläre ich ihm.

Wieder bücke ich mich und schicke die Schirmchen auf die Reise. Richi lacht und kommt hinter mir her. Auch er bückt sich und wünscht sich etwas, nachdem er ein Schirmchen gefangen hat. Sein Wunsch ähnelt dem Meinen stark. Dabei versucht er mich zu erhaschen, aber ich bin schneller als er.
Als ich erschöpft bin, lasse ich mich fangen und sinke mit ihm zusammen ins Gras. Dort trifft sein Mund den Meinen und ich umarme ihn liebevoll, während er mich küsst.

Nachdem wir in den nächsten Wochen verschiedenes in der Freizeit gemeinsam unternommen haben, frage ich ihn, ob er zu mir ziehen und sein Appartement kündigen will. Er ist einverstanden und ich bin überglücklich.

Nun stelle ich ihn auch meinem Bruder mit seiner Familie und meinem Vater vor. Bald eröffnet Richi mir, dass wir im Standesamt einen Termin machen sollten, wenn ich das möchte.
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