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 Wilderness Trail

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BeitragThema: Wilderness Trail   Wilderness Trail Icon_minitime1Do Okt 20, 2022 9:18 am

Mein Name ist Ralf Wirth und ich lebe in einer Kleinstadt nahe Frankfurt am Main. Dort arbeite ich in der Verwaltung einer kleinen Firma, die High-Tech-Produkte herstellt. In meiner Freizeit wandere ich gerne, als Ausgleich zu meiner sitzenden Tätigkeit. Ich bin auch schon einige Trails in Skandinavien und außerhalb Europas gewandert.

Für meinen kommenden Urlaub suche ich mir im Internet einmal etwas Besonderes heraus. Eine Firma bietet eine Wanderung per GPS in Alaska an. Das interessiert mich. Deshalb lese ich mich dort ein.

Mit dem Flugzeug soll es von Frankfurt nach Anchorage in Alaska gehen. Der Flug überquert in einem großen Bogen Grönland und dauert daher 15 Stunden. Anschließend bin ich noch eine Stunde mit dem Bus unterwegs, der am Ufer einer tief ins Land schneidenden Bucht einen großen Bogen fährt.

In Houston, Alaska, angekommen, beziehe ich ein Bed&Breakfast. Auf dem Foto sieht das Gästehaus wie ein Blockhaus aus, bei dem man Baumstämme übereinander gestapelt hat. Am darauffolgenden Tag könnte ich schon losgehen, oder ich schaue mir zuerst noch die Stadt an. Aber das kann ich genauso gut auch nach der Rückkehr machen, während ich auf meinen Rückflug warte.

Ich kontaktiere den Anbieter und buche eine Tour in meinem Sommerurlaub. Für den Aufenthalt in Houston sehe ich zwei Wochen vor. Der Trail soll etwa sechs Tage dauern. Dementsprechend packe ich meinen Rucksack. Einen zusammengerollten Schlafsack hänge ich unten dran und einen kleineren, noch leeren Rucksack packe ich dazu. Diesen werde ich mir während der Wanderung vor den Bauch hängen und mit Lebensmitteln für unterwegs beladen, die ich in Houston zu kaufen gedenke.

Als der Abflugtag heran ist, fahre ich mit der Bahn nach Frankfurt und bin bald im Abflugbereich des Flughafens. Die Formalitäten dauern etwas über eine Stunde, so dass ich mich wartend noch etwas hinsetzen kann. Etwa eine Dreiviertelstunde später wird der Flug aufgerufen und ich gehe mit meinem Rucksack zum Gate.

Da er in das Gepäckfach über den Sitzen passt, brauche ich ihn nach der Kontrolle nicht abgeben. Am Gate wird meine Flugkarte von einer freundlichen Mitarbeiterin gescannt. Dann darf ich durch den Tunnel zur Maschine. Dort begrüßt mich eine Flugbegleiterin. Ich suche mir nun meinen Sitz, verstaue den Rucksack im Gepäckfach darüber und mache es mir im Sitz bequem. Ein US-amerikanisches Pärchen gesellt sich zu mir.

Dann müssen wir uns anschnallen und die Flugbegleiter kommen herum, um zu schauen, ob alle Passagiere angeschnallt sind, oder Hilfe benötigen. Kurz darauf startet die Maschine von Air Canada. Es ist immer wieder ein Erlebnis, wie der Pilot die Maschine am Ende der Startbahn hochzieht. Nach wenigen Minuten haben wir die Reiseflughöhe erreicht und der Pilot kippt sie wieder in die Waagerechte zurück.

Mein Flug ist gegen 14Uhr MEZ gestartet und der Flieger landet gegen 19 Uhr am frühen Abend nach der Ortszeit von Anchorage dort. Ich habe mir auf dem Flug zwei Movies angeschaut und sehr gut gegessen. Leider habe ich auf dem 15stündigen Flug den Überflug Grönlands dann verschlafen. Nach dem Auschecken im Ted Stevens Anchorage International Airport orientiere ich mich und sehe, dass der im vierstündigen Takt fahrende Bus nach Houston vor einer Stunde abgefahren ist.

Nun muss ich drei Stunden auf die nächste Abfahrt warten. Ob um 23Uhr noch jemand in meinem Hostel ist, der mich einchecken lässt? Ich entscheide mich, auf den Sitzen zu übernachten und erst am nächsten Morgen mit dem Bus nach Houston zu fahren.
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BeitragThema: Re: Wilderness Trail   Wilderness Trail Icon_minitime1Fr Okt 21, 2022 10:41 am

Ich nehme den Bus um 6 Uhr am nächsten Tag. Die Fahrt um die Bucht ist ein Erlebnis. Kurz nach 7 Uhr erreiche ich das Bed&Breakfast und gehe auf den Eingang zu. Es ist schon geöffnet, also betrete ich den Gastraum und warte. Einige Minuten später begrüßt mich eine Frau und führt mich zu einem Zimmer. Es ist sehr einfach gehalten, aber Luxus brauche ich sowieso nicht.

Nach dem Auspacken gehe ich in den Gastraum zurück und bestelle mir ein Frühstück. Nach dem Essen informiere ich mich an einem Prospekte-Ständer über die Trails, die von hier abgehen. Einer der Trails soll recht einfach sein, kaum Steigungen oder Gefälle. An der Theke lasse ich mir ein Gewehr und eine Schachtel voll Munition geben. Dafür zahle ich eine Kaution von 100$. Danach verlasse ich das Hostel wieder und schaue, was ich an Lebensmittel für die nächsten Tage kaufen kann. Im ‚Carrs Store‘ der Supermarktkette Safeway werde ich fündig.

Zurück im Hostel belade ich den kleineren Rucksack mit den Lebensmitteln. Gerätschaften, wie einen Gaskocher und ein paar Kartuschen, und eine Ersatzgarnitur Kleidung kommen in den Rucksack auf meinen Rücken. Endlich kann es losgehen. Angetan bin ich mit festen Wanderschuhen, Jeans, einem atmungsaktiven Hoodie und einer Running-Vest, in der ich Schlüssel, Papiere, Handy und eine Trinkflasche aufbewahre. Wanderstöcke vervollständigen meine Ausrüstung. Das Gewehr habe ich geladen, gesichert und danach geschultert.

Ich kalibriere meinen GPS-Tracker und gebe ihm die Tour ein. Er zeigt mir meinen aktuellen Standort an und den Weg, den ich nehmen soll. Zehn Stunden später wähne ich mich vollkommen in der Wildnis. Wir haben schönstes Wetter. Die Sonne strahlt. Bäume und Sträucher sind grün. Es stimmt mich fröhlich und ich beginne ein Lied zu summen.

Gegen Mittag mache ich eine Pause und setze mich dafür auf einen liegenden Baumstamm. Ich nehme nun einen Doppel-Hamburger aus seiner Verpackung, den ich am Morgen bei ‚Carrs Store‘ gekauft habe, und ziehe den Deckel von einer Plastikschüssel voll Salat aus verschiedenen Sachen. Darüber drücke ich eine Tüte Salatsoße aus und nehme mir die Gabel meines Survival-Bestecks zur Hand.

Nachdem ich satt bin, wandere ich geführt von der App weiter. Auf diese Weise komme ich drei Tage und zwei Nächte weit nach Osten. Allmählich sollte ich mich mit dem Gedanken vertraut machen den Rückweg anzutreten, um nach etwa einer Woche, wieder mein Hostel zu erreichen. Ich entscheide, dass ich dem Trail noch bis zur Dunkelheit folge, dann übernachte und morgen früh den Rückweg antrete.

Am frühen Nachmittag sehe ich am Wegesrand ein totes Reh liegen. Ob es eines natürlichen Todes gestorben, oder einem Beutegreifer zum Opfer gefallen ist, lässt sich durch flüchtiges Betrachten im Vorbeigehen nicht feststellen. Ich muss hier aber jederzeit darauf gefasst sein, einem Wildtier zu begegnen. Aus einem Impuls heraus, wechsele ich den rechten Walking-Stick zu dem anderen in die linke Hand und greife den Gurt meines Jagdgewehres, das über meine rechte Schulter hängt.

Keine hundert Meter weiter bleibe ich wie angewurzelt stehen. Vor mir liegt ein großer Wolf auf dem Boden und versperrt mir den Weg. Total überrascht lasse ich die Wanderstöcke fallen und nehme das Gewehr von der Schulter. Normalerweise riechen Wölfe die Annäherung von Menschen und halten von sich aus Abstand.

Dieser Wolf verhält sich in meinen Augen völlig ungewöhnlich. Er schaut mir entgegen, aber bleibt an Ort und Stelle. Weder greift er mich an, noch rennt er weg. Stattdessen liegt er nur da, leicht auf die Seite gedreht. Ich richte das Gewehr auf den Wolf und gehe ganz langsam näher heran. Einen seiner Vorderläufe hält er lang ausgestreckt.

Das erscheint mir ungewöhnlich und ich schaue mir den Vorderlauf genauer an. Dabei erkenne ich, dass seine Pfote in einer Wildfalle gefangen ist, bei der zwei halbrunde Eisen hochschnellen und festhalten, was dazwischen auf den Auslöser getreten ist.
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BeitragThema: Re: Wilderness Trail   Wilderness Trail Icon_minitime1Sa Okt 22, 2022 10:38 am

Ich bin empört. Wer versteckt hier solch antike Fallen unter Laub? Sind Wölfe hier keine geschützten Wildtiere? Der Wolf macht den Eindruck erschöpft zu sein. Ich versuche mich, ihm weiter zu nähern, weil ich die Eisen auseinanderbiegen will. Nun knurrt mich der Wolf an. Er lässt mich nicht näher an sich heran.

Da der Wolf halb auf der Seite liegt, kann ich jetzt geschwollene Zitzen an seinem Bauch erkennen. Hier habe ich eine Wölfin vor mir, die momentan Junge säugt! Demnach müssen sich wohl hungrige Welpen in der Nähe befinden.

Die Wölfin sieht aus, als stecke sie schon ein paar Tage in der Falle. Demnach werden die Welpen auch in keiner guten Verfassung sein. Ich muss sie befreien! Aber wie? Nähere ich mich, warnt sie mich durch Knurren. Sie würde unweigerlich zubeißen. Genauso, wie ich Angst vor ihr habe, hat sie Angst vor dem unbekannten Menschen, der sich ihr nähert.

Denn jetzt fletscht sie auch die Zähne und zeigt mir ihr beeindruckendes Gebiss. Wie kann ich ihr Vertrauen gewinnen? Vielleicht, indem ich ihre Welpen suche und sie ihr zuführe? Es erscheint mir ein Strohhalm zu sein. Da mir aber im Moment nichts anderes einfällt, verlasse ich die Wölfin und begebe mich auf die Suche. Der Abend dämmert schon. Ich bin allmählich überzeugt, dass ich sie nicht finden kann. Mir fällt ein, dass ich versuchen könnte, wie ein Wolf zu heulen. Das soll unter Wölfen so etwas wie der Ruf zum Sammeln sein, habe ich einmal gelesen.

Also halte ich die Hände an die Mundwinkel, nachdem ich mein Gewehr wieder geschultert habe und versuche ein Wolfsgeheul nachzuahmen. Nach einer Weile höre ich Tiere im Unterholz. Habe ich Erfolg gehabt? Die Geräusche nähern sich. Ängstlich nehme ich mein Gewehr wieder in die Hände und halte es in die Richtung, aus der die Geräusche kommen.

Bald erkenne ich vier Welpen, die mir von unter einem Busch heraus neugierig entgegen schauen. Ich gehe in die Hocke und lasse meine Stimme ganz weich klingen, als ich sage:

„Ja, wer seid denn ihr? Wartet ihr auf eure Mama? Darf ich euch zu eurer Mama bringen?“

Sie wackeln unsicher auf ihren Beinchen auf mich zu. Ich versuche, noch einmal zu heulen wie ein Wolf. Die Kleinen heben ihre Köpfe in den Himmel und antworten auf mein Heulen. Das Quartett bietet keinen schönen Anblick in meinen Augen. Offensichtlich sind sie in großer Not und brauchen dringend Muttermilch. Anderenfalls hätte ich sie sicher nicht so leicht anlocken können.

Ich ziehe zwei der Baumwolltaschen aus dem vorderen Rucksack, die ich für alle Eventualitäten mitgenommen habe. Nun nehme ich die Welpen vorsichtig auf. Sie kneifen mich zwar, aber ich beruhige sie durch sanftes Sprechen. Ich lasse sie in die Baumwolltaschen hinab, zwei Vierbeiner pro Tasche und trage sie zu ihrer Mutter.

Als ich mich der Wölfin mit den Taschen in den Händen nähere, riecht sie ihre Jungen sofort und ruft nach ihnen. Ich setze die Taschen vorsichtig ab und öffne sie, als ich nur noch wenige Armlängen von ihr entfernt bin. Die Welpen sehen ihre Mutter und dackeln glücklich auf sie zu. Diese leckt ihren Nachwuchs erst einmal sauber. Kurz darauf säugt die verletzte Mutter ihre Jungen.

‚Das war das Wichtigste zuerst,‘ denke ich. ‚Aber wie soll es nun weitergehen? Irgendwie muss ich nach der Familienzusammenführung auch die Mutter befreien!‘

Allerdings habe ich es hier mit einem Raubtier zu tun! Irgendwie muss es mir gelingen, ihr Vertrauen zu gewinnen. Nur so kann ich sicher sein, dass sie mich nahe genug an sich heranlässt, damit ich die Falle öffnen kann. Anderenfalls bringe ich mich selbst in eine lebensbedrohliche Lage!
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BeitragThema: Re: Wilderness Trail   Wilderness Trail Icon_minitime1So Okt 23, 2022 11:11 am

Auch die Mutter braucht Nahrung. Liebe geht durch den Magen, heißt es. Ich überlege also:
‚Vielleicht kann ich das Vertrauen der Wölfin gewinnen, wenn ich ihr Fleisch bringe?‘

Nicht weit entfernt habe ich am Wegesrand ein totes Reh gesehen. Das könnte mein Problem lösen helfen! Ich verlasse die Wolfsfamilie und gehe zu dem Kadaver zurück. Dort angekommen, ziehe ich meine Handschuhe an, fasse die Läufe des Rehs und ziehe es zu der gefangenen Wölfin. Dort angekommen schneide ich mit meinem Messer einen der Hinterschinken vom Reh ab. Die Wölfin beobachtet mich dabei. Sie hat ihren Kopf zwischen ihren Vorderläufen abgelegt.

Nun bringe ich ihr das Fleisch. Aus sicherer Entfernung werfe ich es ihr zu. Sie schnappt zu und verschlingt das Wildbret regelrecht. Sie muss regelrecht ausgehungert sein. Daher gehe ich zu dem toten Reh zurück und schneide weitere Fleischstücke aus dem Kadaver heraus, die ich in ihre Nähe bringe und aus sicherer Entfernung vorwerfe.

Ich bleibe den ganzen Tag in der Nähe der Wolfsfamilie und füttere sie mit immer neuen Happen, wobei ich aus Respekt vor ihren Zähnen tunlichst auf Abstand bleibe. Zwischen den Fütterungen setze ich mich auf den Boden und rede in ruhigem Ton auf sie ein. Während ich spreche, blickt sie immer wieder zu mir herüber.

Am Abend rolle ich meinen Schlafsack an meinem Sitzplatz aus und lege mich neben den Tieren schlafen. Mit den Gedanken daran, wie ich die Wölfin befreien könnte, schlafe ich irgendwann ein.
Die Sonne färbt den Horizont in wunderschöne Farben, als ich am nächsten Morgen wach werde. Ich habe meine Augen noch nicht geöffnet, als mir jemand ein feuchtes Tuch durch mein Gesicht zieht. Erstaunt öffne ich die Augen und erkenne, dass einer der Welpen mich mit seiner Zunge geweckt hat. Spielerisch leckt er mein Gesicht. Die anderen drei Welpen schnüffeln an meinem Schlafsack herum und spielen vertrauensvoll in meiner Nähe.

Ich setze mich auf, um mich aus dem Schlafsack zu schälen. Sofort nehmen die Welpen Abstand. Sanft auf sie einsprechend, strecke ich ihnen meine Hände entgegen. Wieder ist es einer der Vier, der sich als Erster nähert und meine Hand leckt. Kurz darauf kommen auch die anderen näher. Die Wölfin verfolgt aufgeregt das Geschehen. Ich erkenne, dass der friedliche und spielerische Umgang mit den Welpen ein großer Schritt auf dem Weg zu sein scheint, das Vertrauen des gefährlichen Muttertieres für mich zu gewinnen.

Das bringt mich auf eine Idee: Vielleicht kann ich das Vertrauen der Wölfin auf ähnliche Weise gewinnen. Zentimeter für Zentimeter nähere ich mich der Wölfin, spreche beständig sanft auf sie ein und füttere sie, bis sie mich schließlich an ihre Seite lässt. Offenbar weiß sie meine Bemühungen zu schätzen. Als ich ihr wieder ein Stück Wildbret vorwerfe, fällt mir auf, dass sie mit dem Schwanz wedelt.

‚Jetzt oder nie!‘ sage ich mir.

Ich wickele mir den Schlafsack um einen Arm, um damit mein Gesicht schützen zu können. Dabei vermeide ich hastige Bewegungen, um das Raubtier neben mir nicht zu erschrecken. Auch spreche ich mit sanften Worten auf das Muttertier ein. Die Welpen sehen neugierig zu.

Meine unterschwellige Angst vor dem zahnbewehrten Fang ist aber unnötig, denn die Wölfin bleibt die ganze Zeit ruhig. Ich ergreife die beiden Hälften der Falle und biege sie langsam auseinander, während ich den mit dem Schlafsack umwickelten Arm vor meinen Kopf halte. Schließlich gelingt es mir, ihre Pfote aus der Falle zu befreien.

Sie knurrt nur kurz, als ihre Pfote frei ist. Ansonsten zeigt sie keinerlei Aggression. Anscheinend ist das nur eine Reaktion auf den Schmerz gewesen. Danach blinzelt sie mich an, erhebt sich und setzt sich humpelnd in Bewegung. Die Welpen folgen ihr. In einiger Entfernung zu mir bleiben sie stehen. Alle fünf schauen zu mir zurück. Ich bin ebenfalls aufgestanden und schaue ihnen hinterher. In Gedanken verabschiede ich mich gerade von den Tieren.
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BeitragThema: Re: Wilderness Trail   Wilderness Trail Icon_minitime1Mo Okt 24, 2022 10:32 am

Mich auf den Rückweg vorbereitend packe ich meine Taschen. Da sehe ich, dass die Wölfin sich mir humpelnd nähert. Die Welpen folgen ihr und nähern sich mir ebenfalls.

Überrascht richte ich mich auf und schaue der Wölfin entgegen. Nur noch zwei Meter von mir entfernt, reckt sie ihren Kopf zum Himmel und heult laut. Danach schaut sie mich an. Ihre Jungen haben mich erreicht und stellen sich auf ihre Hinterläufe. Sie lehnen sich an meine Beine an und beginnen zu hüpfen. Ich halte ihnen meine Hände entgegen und lasse mich ablecken, oder streiche ihnen sanft über die Köpfe. Will die Wölfin sich nur von mir verabschieden oder will sie, dass ich ihr folge? Will sie mir etwas zeigen? Sie dreht sich wieder um, entfernt sich eine kleine Strecke und schaut wieder zurück.

Da ich neugierig bin, was mich erwartet, folge ich der Familie langsam mit etwas Abstand. Seit ich mich in Bewegung gesetzt habe, haben die Welpen zu ihrer Mutter aufgeschlossen und halten sich bei ihr, nicht ohne immer wieder einen Blick zurück zu machen, ob ich ihnen weiter folge.

Es geht querfeldein. Ohne meine GPS-basierte App würde ich bestimmt nie mehr zurückfinden, denke ich. Dann treten wir aus dem Wald heraus. Die Wölfin führt mich einen Abhang hinab, der mit vereinzelten Büschen und Gras bewachsen ist. Am Fuß des Abhangs gelangen wir zu einer Ebene, in der ein wunderschöner See liegt.

Beeindruckt von diesem wunderschönen Stück Natur lasse ich meinen Blick schweifen. Plötzlich kommen immer mehr Wölfe heran. In dem Moment bereue ich meine Entscheidung, der Wölfin und ihren Welpen gefolgt zu sein. Ich zähle mindestens acht erwachsene Wölfe, dazu noch einige Welpen und Halbwüchsige.

Die Wölfin und ihre Jungen werden freudig begrüßt, durch kurzes Gebalge, Gezüngel und schließlich durch gemeinschaftliches Heulen, in das das Muttertier und die Welpen in ihrer Begleitung einfallen. Das Bild, das sich mir bietet, ist überaus friedlich. Ich unterdrücke trotzdem den Impuls, mich mitten zwischen die Raubtiere zu begeben.

Die Zahl der Wölfe macht mir Angst. So etwas habe ich auf meinen bisherigen Trails noch nie erlebt. Allerdings ist dies auch mein erster Trail in freier Wildbahn. Je länger ich mich in der Nähe des Rudels befinde, desto mehr verfliegt meine Furcht. Ich gehe ganz langsam auf Tuchfühlung zu den Raubtieren.

Als es Abend wird, rolle ich zwischen den Wölfen meinen Schlafsack aus und krieche hinein. Mit den Strahlen der aufgehenden Sonne erwache ich. Ich beschließe, dass es an der Zeit ist, das Wolfsrudel zu verlassen. Ich bin schließlich ein Mensch und gehöre hier nicht hin. Also packe ich unter den Augen der Wölfe meine Sachen zusammen.

Schließlich orientiere ich mich anhand der App, nachdem ich diesen Platz gespeichert habe, und entferne mich von meinen Freunden. Das Rudel folgt mir dabei mit ihren Blicken. Einer der Wölfe und vier Welpen erheben sich ebenfalls und folgen mir ein paar Schritte, als wollten sie sich von mir verabschieden. Sie bleiben zurück und ich habe drei Tage später mein Hostel wieder erreicht. Auf dem Rückweg konnte ich mir mit meinem Gaskocher endlich wieder warme Mahlzeiten und Kaffee nach dem Aufwachen zubereiten. In Gegenwart der Wölfe habe ich mich das nicht getraut.

Statt mir nun anzuschauen, was Houston touristisch zu bieten hat, kaufe ich mir ein Schreibheft mit Karton-Einband. Zwischen den Mahlzeiten setze ich mich in mein Zimmer und schreibe meine Eindrücke von meinem Alaskan Wilderness Trail auf.

Dann ist die Zeit gekommen, dass ich wieder in die Heimat zurückfliegen muss. Ich fahre also mit dem Bus nach Anchorage zurück und checke in mein Flugzeug ein. Eine melancholische Stimmung will mich lange nicht einschlafen lassen. Dadurch bekomme ich dieses Mal mit, wie wir Grönland überfliegen.
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BeitragThema: Re: Wilderness Trail   Wilderness Trail Icon_minitime1Di Okt 25, 2022 10:00 am

'Dieser riesige Eisschild darf nicht schmelzen!' formt sich in meinen Gedanken.

In Frankfurt komme ich daher völlig übernächtigt mit roten Rändern um die Augen an. Ich fahre mit der Bahn zu meinem Heimatort. Beinahe hätte ich verpasst auszusteigen. Als ich endlich zuhause bin, falle ich ins Bett und bin sofort eingeschlafen.

Da Deutschland in einer späteren Zeitzone liegt, hat der Flug von 15 Stunden eine Zeitverschiebung von 25 Stunden zur Folge. Ich bin um 11 Uhr gestartet und lande in Frankfurt zur Ortszeit von 12 Uhr am darauffolgenden Tag. Nun brauche ich erst einmal Erholung.

Nachdem ich meine Arbeit im Backoffice meines Arbeitgebers wieder aufgenommen habe, geistert 'Mein Wolfsrudel' weiterhin in meinen Gedanken. Wenn Leerlauf ist fühle ich mich entrückt und sehe mich an dem See in Alaska zwischen den Wölfen liegen und mit den Welpen spielen.

Ich überlege, ob ich nach Alaska auswandern soll. Die etablierten Firmen werden wohl kaum auf jemand wie mich warten. Also werde ich mit dem klassischen amerikanischen Motto beginnen: Ich werde mich mit irgendetwas selbständig machen müssen und hoffen, dass ich damit genug verdiene, um dort leben zu können.

Ich beantrage eine Green Card. Es dauert Monate bis ich sie in Händen habe und der Weg dorthin ist nervenaufreibend gewesen. In Houston will ich eine Online-Agentur gründen, die interessierten Menschen ermöglicht, zu fliegen, in einem etablierten Haus ein Zimmer zu mieten und an den dort angebotenen touristischen Angeboten teilzuhaben. Meine Leistung ist also die Bündelung einzelner Angebote zu Pauschalreisen.

Als ich mich nun näher mit Houston beschäftige, lese ich, dass 13,3% der Einwohner deutschstämmig sind. Wenn ich Zugang zu dieser Community erhalte, erleichtert das vieles.

Weiter lese ich, dass Houston am Little Susitna River ein beliebtes Angel- und Erholungsziel für die umliegenden Countys hat. Der iFishAlaska Guide Service kümmert sich speziell um die Angeltouristen. Es gibt ausgedehnte Golfplätze der Settlers Bay Golf Course.

Über die Sightseeing-Touren von Happy Trails Kennel habe ich meine Wölfe kennengelernt. Sollte ich solche Touren in mein Programm aufnehmen, muss ich den Leuten vorher eine Unterweisung geben. Sie müssen sich klar darüber sein, dass sie sich in der Wildnis bewegen. Wölfe und Bären sind dort an der Spitze der Nahrungskette.

Oder sie buchen private Touren und Tagesausflüge mit The Alaska Dogstead Mushing Company. Im Winter bestehen Möglichkeiten von geführten Ski- und Schneetouren mit Alskan Husky Adventures.

Wer genug Geld hat, kann auch Hubschraubertouren mit Heli Alaska Inc. buchen. Diese Firma frage ich auch, ob sie auf Anruf Hilfsflüge unternehmen, falls ein Wanderer auf einem Trail um Hilfe ruft. Einen solchen Hilfsflug finanziert eine spezielle Versicherung, die mein Unternehmen tragen muss.

Wieder fahre ich mit der Bahn nach Frankfurt. Diesmal habe ich keine Pauschalreise gebucht, sondern nur den Hinflug. Meine Fluggesellschaft ist diesmal die Lufthansa. Sie startet um 18 Uhr vom Frankfurt International Airport und nimmt den gleichen Kurs. Auch diesmal wird auf dem Weg nach Alaska Grönland überflogen.

Wie beim letzten Flug nach Alaska verschlafe ich den Überflug. Wir landen auf dem Ted Stevens Anchorage International Airport 15 Stunden nach dem Start und haben, bedingt durch die Erddrehung am Zielort eine Ortszeit von 23 Uhr. Wieder warte ich auf den Bus, der mich um 6 Uhr nach Houston bringt. Wie damals fahren wir eine Stunde lang rund um die Bucht.
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BeitragThema: Re: Wilderness Trail   Wilderness Trail Icon_minitime1Mi Okt 26, 2022 10:59 am

In Houston, Alaska, angekommen, erkundige ich mich in meinem alten Hostel, ob sie ein Zimmer mit Frühstück frei haben. Man erinnert sich an mich und bestätigt mir, dass ich bei ihnen unterkommen kann. So buche ich das Zimmer erst einmal für einen Monat. Im Zuge der Gespräche mit den ortsansässigen Firmen und der deutschen Community vor Ort, will ich irgendwann ein eigenes Haus bauen.

Nachdem ich von ansässigen Deutsch-Amerikanern in die Gesellschaft von Houston eingeführt worden bin und dafür verschiedenen Einladungen Folge geleistet habe, komme ich mit den ortsansässigen Touristik-Unternehmen in Kontakt.

Mit Fürsprache meiner neuen Bekannten frage ich um Rabatte, wenn ich den genannten Firmen Kunden bringe. Nach einigem Verhandeln sagt man mir 15 Prozent zu, die ich nicht an meine Kunden weitergebe, sondern von dem Geld bestreite ich meine Geschäftskosten und den privaten Verbrauch.

Nachdem ich die Verträge mit den Touristik-Unternehmen in der Tasche habe, kann ich mich um meinen eigenen Internet-Auftritt kümmern, auf dem ich mich vorstelle und Interessenten die Angebote der möglichen Aktivitäten unterbreite mit Beschreibung und Angabe der Preise.

Bevor mein Geschäft aber so richtig startet, will ich ‚meinem Wolfsrudel‘ noch einmal einen Besuch abstatten. Ich rüste mich aus und wandere los, wohl wissend, dass die Tour mindestens eine Woche dauern wird. Die Position des Ziels habe ich immer noch in der App gespeichert. Wieder bin ich drei Tage und die zwei Nächte dazwischen unterwegs, bis ich die Senke mit dem idyllischen See erreiche. Ich will auch eine gewisse Sehnsucht befriedigen, denn ich fühle mich innerlich mit den freundlichen Tieren verbunden.

Dabei mache ich mir bezüglich ihrer Freundlichkeit keine Illusionen. Die Wölfe sind nach wie vor Raubtiere. Allerdings habe ich das Glück gehabt, durch meine Aktion ihr Vertrauen gewonnen zu haben. Aber ich würde das Gleiche immer wieder tun!

Als ich unter den Bäumen hervortrete, beeindruckt mich zum wiederholten Mal die Schönheit dieses Fleckchens Erde. Ich schaue mich um. Natürlich kann ich nicht erwarten, dass sich die Wölfe hier wie auf dem Präsentierteller befinden. Ich überlege, was ich machen könnte. Mir fällt nur das Wolfsgeheul ein, mit dem ich schon beim letzten Mal die Welpen angelockt habe.

Bevor ich jedoch dazu komme, macht sich ein Braunbär bemerkbar, der sich an den Beeren der Büsche gütlich getan hat. Langsam weiche ich zurück. Anfangs verlasse ich rückwärtsgehend das Terrain. Aber der Bär hat mich wohl schon gewittert. Er kommt auf mich zu und wechselt dabei schnell in den Galopp. Nun heißt es für mich, umdrehen, die ‚Beine in die Hand nehmen‘ und verschwinden.

Ich laufe unter die Bäume zurück. Aber der Bär kommt immer näher. Die Äste eines Baumes beginnen ziemlich tief. In höchster Not fasse ich zu und schwinge mich hoch, um danach noch höher zu klettern. Während dieser Aktion verliere ich mein Gewehr. Es landet auf dem Waldboden am Fuß des Stammes.

Der Bär hat den Baum erreicht, auf dem ich sitze. Er richtet sich am Stamm auf und wittert nach oben. Ich weiß nicht, was ich nun tun soll.

‚Hoffentlich klettert er mir nicht hinterher,‘ denke ich verängstigt.

Warten, bis er sich trollt, möchte ich auch nicht. Meine Panik lässt es nicht zu, dass ich geduldig warte. Aber was soll ich sonst tun? Mein Gewehr habe ich beim Aufstieg verloren…

Einer Eingebung folgend, klammere ich mich am Stamm fest und halte meine Hände an meine Mundwinkel. Ich heule wie ein Wolf. Dieses Mal vibriert meine Stimme allerdings aus Angst sehr stark. Ich klinge verzweifelt und weiß nicht, ob ‚meine Wölfe‘ in der Nähe sind, wo doch der Bär gerade das Terrain besetzt.
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BeitragThema: Re: Wilderness Trail   Wilderness Trail Icon_minitime1Do Okt 27, 2022 10:50 am

Den Bären beeindruckt mein Ruf nicht. Sicher hat er aus meiner Stimme auch meine Gemütsverfassung herausgelesen und fühlt sich mir nun überlegen. Plötzlich richtet sich seine Aufmerksamkeit jedoch nicht mehr nach oben, wo ich sitze, sondern in Richtung der nahen Büsche des Unterholzes.

Denn aus diesen Büschen ist jetzt ein gefährliches Knurren zu hören. Der Bär, der sich aufgerichtet hat und bisher mit den vorderen Tatzen den Baum umfasst hält, lässt sich nun neben dem Baum auf alle Viere herab. Er schaut über seine Schultern in die Richtung, aus der das Knurren erschallt.

Vier aggressive Wölfe nähern sich dem Bären, knurren ihn an und fletschen ihre Zähne. Die Drohung wirkt. Der Bär ergreift die Flucht. Nun habe ich ein anderes Problem. Der Bär ist zwar weg, dafür befinden sich unter dem Baum jetzt vier aggressive Wölfe. Wer sagt mir, dass die Wölfe zu 'meinem Rudel gehören' und dass sie mir gegenüber genauso freundlich gesinnt sind, wie bei meinem letzten Besuch hier?

Zu meiner Überraschung ziehen sich drei der Wölfe zurück. Nur einer bleibt unter dem Baum sitzen und schaut zu mir hoch. Er schaut mich lange und intensiv von unten herauf an. Sicher zieht er auch die Luft durch die Nase und wittert meinen Geruch.

Ich fasse mir ein Herz und klettere nun vorsichtig vom Baum herunter. Vom untersten Ast zum Waldboden muss ich springen. Während ich auf dem Boden aufkomme, gehe ich automatisch in die Hocke. Der Wolf hat etwa einen Meter Abstand genommen. Leider habe ich kein Fleisch in meinem Gepäck. Ich bleibe hocken und strecke ihm meine Hand entgegen.

Er macht schnuppernd einen Schritt auf mich zu. Ich lächele und rede beruhigend auf ihn ein. Er erscheint mir noch nicht ausgewachsen zu sein, eher wie ein Jährling. Sollte es einer der vier Welpen sein, die ich beim letzten Besuch ihrer Mutter zugeführt habe?

Schließlich ist er auf Tuchfühlung heran und benimmt sich wie ein verspielter Hund. Kurz darauf bin ich von allen Vieren umringt. Man merkt, sie freuen sich über das Wiedersehen mit mir.

Nach einer Weile stupsen sie mich an, laufen ein paar Schritte, schauen zurück und nähern sich mir wieder. Das machen sie mehrfach, so dass ich denke, sie wollen mich führen. Ich erhebe mich, nehme mein Gewehr auf und hänge es mir über die Schulter. Dann folge ich den Wölfen mit ein paar Metern Abstand.

Diesmal führen sie mich tiefer in den Wald. Mehrmals muss ich über umgestürzte Baumriesen klettern, die 'meine Wölfe' ganz einfach überspringen. Das Gelände ist auch nicht eben. Schließlich erreichen wir einen umgestürzten Baumriesen, der im Sturz gespalten wurde. Denn die Wurzel mit einem Stumpf haben sich gelockert, sind aber nicht aus dem Erdreich freigekommen.

Dort hat sich der Waldboden gelockert und die Wölfe haben einen Unterschlupf freigegraben. 'Meine Wölfe' kriechen unter die mächtige Wurzel. Ich lasse mich vor dem Wolfsbau nieder und speichere schnell die GPS-Daten. Da wird es vor mir lebendig.

Fünf kleine Welpen dackeln aus der Höhle, kleiner noch als 'meine Wölfe' damals gewesen sind. Aber ihnen geht es sehr gut, im Gegensatz zu den Welpen, die ich vor einem Jahr gefunden habe. Als nächstes streckt ein älterer Wolf mit silberner Schnauze seinen Kopf ins Freie.

Die fünf Jungtiere haben mich inzwischen erreicht und schnuppern an mir. Wenn einer der Welpen umfällt, strecke ich meine Hand aus, streichele ihn und stelle ihn wieder auf seine Füße. Dabei sehe ich, dass die Mutter in diesem Wurf drei weibliche und zwei männliche Welpen geboren hat.
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BeitragThema: Re: Wilderness Trail   Wilderness Trail Icon_minitime1Fr Okt 28, 2022 10:58 am

Kurz darauf bin ich von der Wölfin, den fünf Welpen und den vier Jährlingen umringt. Ich habe vielleicht fünf schöne Minuten vor der Höhle, als ein weiterer Wolf mit silberner Schnauze hinzukommt. Er steht auf der teilweise umgestürzten Wurzel über dem Höhleneingang und knurrt leise. Ich verstehe das als Aufforderung mich zurückzuziehen, und erhebe mich.

Ich gehe ein paar Schritte und schaue zurück. Der Wolf ist von seinem erhöhten Platz heruntergesprungen und würgt gerade Fleischstücke von seiner Jagd hervor, umringt von seiner Familie.

Mich an meiner App orientierend, mache ich mich nun auf den dreitägigen Rückweg nach Houston. In den beiden Nächten dazwischen liege ich in meinem Schlafsack lange wach und denke über meine Begegnungen mit den Wölfen und Bären Alaskas nach. Ich denke, manchen Leuten, die aus der Zivilisation kommen, muss ich Verhaltensregeln an die Hand geben. Ich durchforste mit Hilfe der Suchmaschine das Internet nach Publikationen von Leuten, die schon entsprechende Erfahrungen gemacht haben.

Nun ist mein Kontakt zu Wölfen etwas einzigartiges. Hätte ich die Wölfin voriges Jahr nicht aus ihrer misslichen Lage befreien können und hätte sich dieses außergewöhnliche Vertrauensverhältnis nicht aufgebaut, wäre alles ganz anders verlaufen.

Wölfe halten sich von Menschen fern. Unsereins sollte das respektieren und wir sollten uns von Wolfsspuren auch nicht zu Hetzjagden auf diese Tiere verleiten lassen.

Bären, lese ich in den Publikationen, sind selten aggressiv. Kommt es zum Treffen mit einem Bären, sollte man nicht wegrennen. Dadurch wird man vom Bären als Jagdwild interpretiert. Stattdessen sollte man stehenbleiben und in seiner Bewegung regelrecht einfrieren. Nun wird der Bär Scheinangriffe durchführen, um mich zu testen, und nach einer Weile das Interesse verlieren.

Hm, soll ich diese Verhaltensregeln wirklich so übernehmen, wenn ich meine Kunden briefe, bevor sie auf den Trail gehen?

Nichts desto trotz bewahre ich die wunderbare Erinnerung an die Begegnungen mit den Wölfen in meinem Herzen. Zuerst habe ich die Wölfin aus ihrer misslichen Lage gerettet. Dafür haben ihre Welpen, nun schon Jährlinge, mich aus einer ähnlichen Lage befreit.
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