Gedankenparadies
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BeitragThema: Türkischer Honig   Türkischer Honig Icon_minitime1Sa Nov 07, 2015 11:45 am

Draußen ist ein heller, heißer Sommertag. Gerade richtig, um ins Freibad zu gehen. Thomas sitzt vor seinem Schreibtisch am Fenster und brütet über einer komplexen Differenzialgleichung. Sein Ingenieurstudium rückt in die entscheidende Phase.

Gedankenverloren schaut er auf und blickt den Vögeln im Garten hinterher.

"Für deren Flugkunststücke im Wind brauchen sie keine höhere Mathematik," denkt er wehmütig.

Statt über dem mathematischen Problem zu brüten, wäre er jetzt lieber im Schwimmbad. Vielleicht käme er dort mit einem Mädchen ins Gespräch. Seine Freunde haben alle eine Freundin, aber er muss hier am Schreibtisch sitzen. Während der Vorlesungen hatte er schön öfter mal Blickkontakt zu Kommilitoninnen. Ab und zu fing er dabei ein Lächeln ein. In den Übungsstunden fragten sie ihn um Hilfe bei Problemen mit dem Stoff. Er war auch schon einmal auf der Geburtstagsparty bei Gaby und verbrachte einen Abend in der Stadt mit Leonie. Beides ging in die Hose. So fühlte sich Thomas auf dem letzten Bowlingabend der Fachschaft Konstruktionstechnik wie das fünfte Rad am Wagen.

"Irgendetwas mache ich falsch," überlegt er. "Die Leonie letztens war ein interessantes Mädchen, die auch an mir interessiert schien. Dann hat sie sich in der Stadt sang- und klanglos von mir abgesetzt und ich stand da wie ein dummer Junge."

Einem Impuls folgend, steht er auf und schaltet den Fernseher ein. Er verfolgt seit ein paar Tagen unregelmäßig den SMS-Chat im Videotext. Die dummen Sprüche dort lassen das Interesse nicht recht wachsen.

Einer der Chatter scheint Spass daran zu haben, sich mit anderen zu streiten. Thomas will gerade umschalten. Dann hält er inne. Er liest auf dem Bildschirm:

Gina3 - Gebrochenes Herz sucht jemand der es heilt #telnr.#

Veedel - Dann werd ich mal meine drei Haare kämmen und einen Scheidel legen

Is_So - Ha, dann wirst du mit deinem Scheidel in den Popoclub aufgenommen *lach*

Mark15 - Hi Gina3, wie alt und woher? Beschreib dich mal

Veedel - Freu, freu, freu, Purzelbäume durchs Zimmer schlag. Kannst du mir Popopolitur ausleihen.
Ich muss doch gut aussehen bei Aufnahme in Popoclub

Gina3 - 23 aus Dresden, südländischer Typ

Maja5 - ist hier ein m aus Raum Ruhrgebiet anwesend, bin 29 aus Duisburg

Mark15 - Hi Maja5, bin 38/188/86 aus Solingen. Bist solo?


Thomas nimmt sein Handy auf und tippt:

GRUMBÄR - Hi Gina3, nur für dich: Freundschaft ist langmütig, sie ist gütig, sie prahlt nicht, sie sucht nicht ihren Vorteil, sie erträgt vieles, glaubt vieles, hofft vieles, hält vielem stand.

Auf dem Bildschirm liest Thomas kurz darauf:

Gina3 - Hi, GRUMBÄR. Danke für die schönen Worde. Aba manchmal sind die Freunde auch die ärgsten Feinde.

Er schreibt in sein Handy:

Hast schlimme Erfahrungen gemacht? Darf ich dir meine Schulter leihen, zum Anlehnen? Ich bin m/183/79, dklblond, blaue Augen.

Wenig später liest er auf dem Bildschirm:

Gina3 - Hi, GRUMBÄR, ich bin 170/66kg, lange lockige Haare. Du bist sehr nett. Ruf mich an

Thomas' Herzschlag scheint auszusetzen. Hektisch sucht er in seinem Schreibtisch nach einem bestimmten Kalenderblatt.

Erleichtert findet er es. Er schreibt ab:

Ich wünsche dir Leichtigkeit, die dich mühelos zu deinen Zielen führt und allen Ärger von dir abprallen lässt, die Leichtigkeit, bei kleinen Katastrophen zu denken: take it easy! - Schreib doch privi,
das ist billiger!


Kurze Zeit später piept sein Handy. Er liest:

GRUMBÄR, bitte ruf mich an. Ich möchte so gern deine Stimme hören.

Thomas neigt den Kopf zur Seite. Natürlich möchte er wissen, wer sich hinter dem Nick "Gina3" verbirgt.

Also holt er die Nummer auf's Display und drückt die Ruftaste.

Die Stimme einer vermutlich schüchtern lächelnden jungen Frau meldet sich:

"Halloo?"

"Hi, wie geht's? Ich heiße Thomas." meldet er sich.

"Hi, Thomas, ich bin Aische. Darf ich fragen, wo du wohnst und wie alt du bist?"

"Aber ja, ich wohne bei Düsseldorf und bin 27. Düsseldorf ist ein gutes Stück weg von dir. Aber wenn du ab und zu jemanden brauchst zum Anlehnen und Aussprechen, kannst du mich immer anrufen - wenn du magst, natürlich."

"Gern, Thomas. Was machst du so?"

"Nun, ich studiere noch. Bin aber bald fertig. Du schriebst, Freunde wurden zu deinen ärgsten Feinden. Das ist eine schlimme Erfahrung! Magst du darüber reden?"

"Ich hatte durch meine Freundin einen jungen Mann kennengelernt - von ihm ein Kind bekommen - und vor kurzem meine Freundin mit ihm im Bett erwischt. Ich bin mit meinem Sohn sofort ausgezogen und lebe jetzt im Frauenhaus."

"Du hast einen Sohn? Wie alt ist der Kleine und wie heißt er denn?"

"Maik, 20 Monate. Er ist ein Nervenbündel und hier in kinderpsychologischer Behandlung. Er hat einen Schock weg."

"Er ist doch bei dir, du sorgst für ihn, du kuschelst mit ihm - was hat ihn denn in seinem Alter so geschockt?"

"Mein Ex ist gewalttätig, weißt du. Er hat mich oft geschlagen. Schlimm wurde es in der Schwangerschaft. Da hat er mich blutig geschlagen, hat mir Tabletten in den Mund gestopft und den Mund zugehalten, bis ich sie geschluckt hatte. Meine Freundin fand mich bewusstlos auf dem Bett im Blut und hat den Notarzt gerufen. Es
ist alles nochmal gut gegangen, aber mein Sohn hat jetzt von Zeit zu Zeit epileptische Anfälle.
Ich bin dann später wieder zu meinem Ex zurückgegangen. Aber er hat sich nicht geändert. Jetzt richtete sich seine Wut auch gegen das Kind. Ich bin oft dazwischen gegangen und hab ihm gesagt: Bitte, lass Maik in Ruhe! Schau her, ich wehre mich nicht!
Einmal hat mir fast das Herz ausgesetzt: Der Maik krabbelt auf ihn zu und sagt: Papi. Er steht auf, greift Maik an den Beinen und schleudert ihn durch die Luft, als wollte er ihn an der Wand zerschmettern."

Thomas atmet hörbar ein. Er sagt:

"Dein Ex ist für mich ein Verbrecher und gehört hinter Gitter. Aber jetzt bist du ja weg von ihm. Ins Frauenhaus kann er ja nicht. Aber geh bitte nicht allein auf die Straße. Nicht dass du ihn triffst!"

"Och, ich kann mich ganz gut wehren und ich hab ja mein Handy dabei. Darin ist die Nummer des Polizeikommissars gespeichert, mit dem wir hier zusammenarbeiten. Der kommt sofort!"

"Das beruhigt mich schon etwas, Aische. Sei vorsichtig!"

"Bin ich. Aber erzähle mal was von dir!"

"Na, im Moment schwirren mathematische Probleme in meinem Kopf herum. Es ist nicht einfach. Zum Glück habe ich ein paar Bekannte, die ähnliche Probleme wälzen. Wir helfen uns gegenseitig durchs Studium. Es ist ja bald fertig. -
Hier bei mir zuhause, naja. Ich fühle mich ein wenig einsam. Ich kann mich keinem gegenüber so richtig öffnen. Jeder beurteilt die Welt aus seiner Sicht. Ich hab den Eindruck: Keiner versteht mich!"

"Wieso?"

"Nun, meine Mutter ist gestorben, als ich sechs Jahre alt war. Mein Vater hat wieder geheiratet. Meine Eltern kümmern sich mehr um sich und um Essen und Kleidung - was will man eigentlich mehr? - Aber wenn ich mal zeigen will, wie es in mir aussieht, habe ich das Gefühl, wir reden verschiedene Sprachen. Ich habe zu funktionieren, Gefühle scheinen unwichtig zu sein..."

"Was weißt du noch von damals? Entschuldige, möchtest du überhaupt mit mir darüber reden?"

"Nur, wenn ich dich damit nicht langweile, Aische!"

"Ich höre dir gern zu, Thomas."

"Daaamals - meine Mutter kam mit Bauchschmerzen ins Krankenhaus. Tags drauf besuchten wir sie. Ich schenkte ihr noch eine Kinderkrakelei. Ich glaub, wir waren täglich kurz bei ihr. Nach einer Woche etwa, erhält mein Vater in der Mittagspause einen Anruf. Danach fahren wir zur Oma. Mein Vater setzt sich wortlos
an den Küchentisch und weint. So hab ich bis dahin und seitdem nie wieder einen Mann weinen gesehen.
Ich beobachtete die Szene verständnislos und beunruhigt. Später dann die Trauerfeier: Meine Mutter lag im offenen Sarg. Alles kam mir so unwirklich vor. Meine Fragen an die Erwachsenen wurden nicht zufriedenstellend beantwortet.
Nur die Feststellung: Meine Mutter ist tot. Aber was bedeutet das? Das hab ich mir dann selbst beantwortet:
Meine Mutter ist weg und kommt nie wieder! Das ist für einen kleinen Jungen ein schwerer Schock.
Tröstende Worte der Erwachsenen erreichten mich nicht wirklich. Wenn mich jemand sekundenlang mal in den Arm genommen hat, genoss ich das natürlich. Trost fände ich in der Bibel, hieß es. Aber diese Texte schienen auf meine Situation nicht wirklich zu passen. - Bis auf einen Text. Den fand ich so stark, dass ich mir vornahm, danach zu leben. Aber das funktioniert nur auf Gegenseitigkeit. Da die Welt aber so egoistisch ist, wie sie ist, hab ich es schwer danach zu leben."

"Deine Stimme vibriert, Thomas. Hast du das Erlebnis immer noch nicht richtig verarbeitet?"

"Da magst du recht haben, Aische. Eher verdrängt."

"Ich kenne mich in Psychologie etwas aus, weißt du. Welchen Text meinst du?"

"Er stammt aus den Apostelbriefen. Aus dem ersten Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth. 13. Kapitel, wenn du mal nachschauen willst. Meine erste SMS an dich war eine stark gekürzte Fassung davon. Ich hab nur das Wort "Liebe" gegen das Wort "Freundschaft" ausgetauscht. Du bist Türkin, also Muslima?"

"Nicht wirklich, weißt du. Mohammed hat damals seine Religion aus dem Christentum und dem Buddhismus zusammengestrickt und etwas frauenfeindliches geschaffen."

"Das ist nicht ganz richtig, meiner Meinung nach. Sieh mal, ich habe vor kurzem noch einen Text darüber gelesen. Sicher, Mohammed ist als Kaufmann mit vielen Menschen zusammengetroffen. Mag sein, dass ihn das Christentum fasziniert hat. Aber eins hat ihn abgestoßen: Soll man nun an einen Gott glauben oder an drei.
Wie das Christentum das Problem gelöst hat, erschien ihm wohl zu paradox. Also hat er sich etwas anderes überlegt, was ihm einleuchtender erschien und hat die Menschen in seinem Umkreis damit überzeugt. Wenn man so will, war er der erste Reformator. Aber ein Radikaler. Er und seine Nachfolger haben ganz
Vorderasien, Nordafrika und Südeuropa zur "reinen Lehre" bekehrt und sind erst vor Wien gestoppt worden. Sonst wäre wohl ganz Europa heute islamisch.
Und was der Islam und die Frauen angeht: Der Islam ist nicht frauenfeindlich! Nur was die Männerwelt in jahrhundertelanger Tradition daraus machte, ist wohl frauenfeindlich. Auch im Christentum gibt es neben der Lehre so etwas wie eine Tradition. Auch das heutige Christentum ist nicht mehr das, was Jesus lehrte."

"Du bist so verständnisvoll, Thomas. Mit dir kann man über alles reden!"

"Ja?" lächelte er. "Das freut mich. Und was machst du so?"

"Ich arbeite hier im Frauenhaus im Schichtdienst, Du - es klingelt. Ich muß Schluß machen. Wir lesen und hören uns sicher wieder?"

"Ganz sicher! Tschüss, Aische."

Glück ist, wenn dir jemand Blumen auf den Tisch gestellt hat, wenn dein Kind dich anlächelt, wenn dir jemand zuhört und dir Glück wünscht.

Thomas tippt die Nachricht erwartungsvoll in sein Handy. Er hat seit gestern nichts mehr von Aische gehört.

Etwas später piept das Handy. Eine SMS! Er öffnet die Datei und liest:

Hi, GRUMBÄR, wie geht's? Ruf mich an!

Sofort wählt er Aisches Nummer.

"Hi, Aische, wie geht's?"

"Gut - und dir?"

"Wenn ich dich hören kann, geht's mir besser. Das entspannt."

"Oh, das freut mich. Mein Sohn ist heute etwas unleidlich."

Im Hintergrund weint ein Kind ausdauernd.

"Was hat er denn?"

"Er will etwas haben, was ich ihm jetzt nicht geben will. Jetzt ist nicht die Zeit dafür."

"Du machst das schon richtig. Ich habe hier ein Buch im Regal mit dem Titel: Kinder brauchen Grenzen. Sie müssen von klein an wissen, was sie dürfen und was nicht, damit sie später wissen, wie sie sich verhalten sollen!"

"Ja, aber er nervt!"

"Ich nehm dich in den Arm und stütze dich! Fühl dich nicht allein!"

"Das ist lieb von dir. Wenn ich deine Stimme höre bin ich gleich viel ruhiger. - MAIK, NICHT! - Oh, der Junge, jetzt will er die Schere! - NEIN, MAIK!"

"Du mußt wohl alles hochlegen. Weg aus seiner Reichweite."

"Ja - MAIK! Oh, du, ich rufe später nochmal an!"

"Gern, bis dann."

"Tschüss."

Thomas legt das Handy beiseite und kümmert sich wieder um die graue Theorie auf seinem Schreibtisch. Am Abend schreibt er in sein Handy:

Fühl dich nicht so allein, denn das bist du nicht. Schau in dein Herz hinein, hinter dem kleinen Licht versteck' ich mich. Siehst du, ich denk an dich!

Kurz darauf klingelt sein Handy. Er nimmt das Gespräch an.

"Hi, Thomas, vielen Dank. Was machst du gerade?"

"Ooch, ich grübele gerade vor mich hin. - Was hast du heute gemacht?"

"Heute kam die Therapeutin für Maik ins Haus. Sie hat eineinhalb Stunden mit ihm gearbeitet. Jetzt schläft er."

"Wann hat Maik Geburtstag, Aische?"

"Am vierten Oktober, warum?"

"Och, nichts weiter. Vielleicht kann ich ihm später mal eine Freude machen."

"Aber nur eine Kleinigkeit, hörst du!"

"Natürlich! Ein teures Geschenk könnte ich mir gar nicht leisten. Es muss ihm gefallen, ohne damit zu protzen. Womit spielt er denn am liebsten?"

"Wenn du mit etwas Teurem kommst, schlag ich es dir um die Ohren. Echt! Im Augenblick spielt er am liebsten mit Bauklötzen."

"Und du? Wann hast du Geburtstag?"

"Am neunten Mai, und du?"

"Am fünften Januar. Bis dahin vergeht noch etwas Zeit. - Sei mir nicht böse, wenn wir für heute Schluss machen, ich muss morgen früh 'raus. Wir hören uns dann sicher wieder."

"Sicher?"

"Aber ja, wenn ich's doch sage! Gute Nacht, Aische."

"Gute Nacht, Schatz!"

Die Verbindung ist getrennt. Thomas stutzt. War ihr letztes Wort "Schatz"? Hat er sich nicht verhört? Das muss er sofort wissen.

Hab ich richtig verstanden? Dein letztes Wort war "Schatz"?

tippt er in sein Handy und sendet die Nachricht ab. Wenig später liest er:

Ja, sorry

Ein unbeschreibliches Gefühl durchströmt ihn. Er ruft Aische sofort wieder an.

"Aische, weißt du was eben passiert ist?"

"Nnnnein?"

"Du kennst dich in Psychologie etwas aus, sagst du. Weißt du, was eine Freud'sche Fehlleistung ist?"

"Nein, der Begriff ist mir nicht bekannt."

"Ich habe mich in den letzten Jahren um einen kleinen Jungen gekümmert. Ich bin mit zweien seiner Onkel befreundet. Deren Schwester ist vor Jahren gestorben. Der Vater des Jungen arbeitet in Wechselschicht und zieht in seiner Freizeit durch Diskotheken und anderem. Der Junge lebt bei der Oma. Ich helfe ihm bei den
Hausaufgaben, mache Brettspiele mit ihm und fahre mit ihm in Wild- und Freizeitparks.
Letztens wollte er etwas von mir, also spricht er mich an. Aber er nennt mich nicht beim Vornamen, sondern ihm rutscht "Papa" heraus. Oh, war ihm das peinlich! Er sah aus, als wollte er am liebsten im nächsten Mauseloch verschwinden. Aber gleichzeitig hätte ich in dem Moment die ganze Welt umarmen können. So
fühlte ich eben wieder!"

"Als ich deine SMS eben las, bekam ich einen roten Kopf. Du bist mir nicht böse?"

"Im Gegenteil, Liebling, im Gegenteil. Aber jetzt müssen wir wirklich für heute Schluss machen. Träum' was schönes! Bis Morgen!"

"Gute Nacht, mein Schatz."

"- -"

"Du musst auflegen..."

"Na denn. Gute Nacht, Liebling."

Thomas trennt die Verbindung. Er liegt noch lange wach, bevor er in einen traumlosen Schlaf fällt.

Auf dem Weg zur Fachhochschule ist Thomas in der Straßenbahn eingenickt. Plötzlich summt ein Bienenschwarm um seinen Kopf. Benommen öffnet er die Augen. Das Geräusch kommt aus seiner Tasche.

Das Handy! Er nimmt es heraus und schaut aufs Display. Dort liest er: 1 Mitteilung erhalten

Er öffnet die Datei und liest:

Morgen, mein Schatz. Wie war die Nacht? Ich hab was für dich:
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben. Hermann Hesse


Thomas lächelt still. Er tippt eine Antwort:

Morgen, mein Engel. Ich sitze gerade in der Bahn zur FH. Meine Nacht war sehr unruhig, bin total müde. Du, ich muss dir etwas sagen:
Als du geboren wurdest, hat es geregnet, denn der Himmel hat geweint, weil er seinen schönsten Stern verloren hat: Aische, mein Stern, meine Sonne


Gegen Mittag erst erhält er die nächste SMS:

Du bist der Eine, der mir das Lächeln beigebracht hat.
Du bist der Eine, der dafür sorgt, dass mein Herz schneller schlägt.
Du bist der Eine, der mir die Hoffnung wiedergibt.
Du bist der Eine, der mir den Glauben an das Positive im Menschen zurückgibt.
Hab ich dir schon gesagt, wie sehr ich dich liebe?
Du bist das Blut, das in meinen Adern fließt!


Ein nie gekanntes Gefühl durchströmt Thomas. Er wird unruhig, möchte am liebsten aufstehen, weggehen und zu ihr hinfahren - sie in den Arm nehmen. Er zwingt sich zur Ruhe. Schließlich sind bald Semesterferien.

Dann hat er noch das letzte Semester zu bewältigen. Er muss sich bewerben, seine Zukunft sichern. Eine Zukunft mit Aische und Maik? Vielleicht kann er am Wochenende zu ihr fahren.

Am Nachmittag kommt die nächste SMS herein:

Ich habe gelernt, dass 1 Minute 60 Sekunden hat, aber ich wusste nicht, dass 1 Sekunde ohne dich eine Ewigkeit ist. Bitte ruf mich an.

Thomas wählt Aische's Nummer:

"Naaa, wie geht es dir?"

"Ich bin ganz durch den Wind, Thomas. Weißt du, was du heute morgen gemacht hast?"

"Was?"

"Du hast es geschafft, dass mir die Tränen kamen, als ich deine SMS gelesen hatte. Ich speichere alle deine SMS. Ich hebe sie mir alle auf. Bist du ein Dichter, mein Schatz?"

"Nein, Liebes, nicht wirklich. Mehr ein Sammler!"

"Ich liebe dich, Hase. Ich kann den ganzen Tag nur noch an dich denken."

"Aber vergiß darüber bitte nicht deinen Jungen, Maus!"

"Natürlich, mein Schatz. Weißt du: Zuerst kommt Maik, dann du, dann meine Freunde, die mir noch geblieben sind, dann eine ganze Weile nichts und dann erst ich."

"Nun, dann müssen wir schnellstens zusammen ziehen!"

"Warum?"

"Damit ich darauf achten kann, dass du dich nicht vernachlässigst. Du sollst dich nicht so weit hinten anstellen. Dafür bist du mir zu wertvoll."

"Danke. Du - ich vernachlässige mich schon nicht. Seit ich dich kenne, achte ich viel mehr auf mich. Ich schlafe länger, jogge öfter, nehme Entspannungsbäder."

"Du bist eine intelligente und attraktive junge Frau, Aische. Ich bin froh, dich kennen gelernt zu haben."

"Oh, danke. Du machst mich ganz verlegen. Du hast doch noch gar kein Bild von mir. Hoffentlich bist du nicht enttäuscht, wenn wir uns mal treffen."

"Du, das Attribut 'intelligent' leite ich aus unseren Gesprächen ab und das andere: Attraktivität hat für mich nur am Rande etwas mit dem Aussehen zu tun. Natürlich spielt das Aussehen auch eine Rolle. Aber zur Attraktivität gehört für mich auch, geistig auf einer Wellenlänge zu schwingen. Gleiche oder ähnliche Interessen zu haben. Miteinander zu harmonieren. Sich auf den Partner einlassen. Die Lebensziele des Partners zu den Seinen zu machen, also 'an einem Strang ziehen', wie man so sagt."

"Das möchte ich auch. Gemeinsam werden wir alles schaffen, was wir uns vornehmen, womit wir uns alleine so schwer tun. Da bin ich mir sicher!
Magst du mir einmal schreiben? Ich hätte so gern einen richtigen Brief von dir."

"Gern, Liebes. Ich schau' mal, was ich machen kann. Doch jetzt muss ich noch etwas für's Studium tun. Sei mir nicht böse. Ich tue das ja für unsere Zukunft."

"Das verstehe ich. Ich bin dir nicht böse. Wir hören uns doch morgen schon wieder?"

"Ganz sicher! Bis dann, Liebling."

"Ich hab dich lieb."

"Ich hab dich auch lieb, mein Engel."

Vor dem Schlafengehen setzt sich Thomas noch einmal an seinen Schreibtisch und beginnt einen Brief an Aische.

Liebste Aische,
ich sitze hier an meinem Schreibtisch und versuche mit Herzklopfen Dir in einem kleinen Brief meine Gefühle zu schildern. Ich bin so froh, Dich gefunden zu haben. Eine junge Frau, die sich so für mich interessiert, hat es verdient, dass ich mich ganz auf sie einstelle. -
Du lächelst! Dir geht es genauso? Siehst Du, es scheint, dass wir für einander bestimmt sind. Wir sollten uns in Kürze einmal irgendwo treffen. Du magst bestimmen, wann und wo das sein wird. Lass' es mich bitte bald wissen.
Dein dich liebender Schatz, Thomas


Er legt ein aktuelles Bewerbungsfoto dazu, verschließt ihn und bringt ihn am nächsten Morgen auf dem Weg zur Fachhochschule zur Post.

Ein Tag später erhält Thomas eine SMS.

Du hast eine Frau ab jetzt, die dir immer zuhört, dich immer liebt und immer zu dir halten wird, denn du bist der Mensch mit dem ich glücklich werden will! Tausend Küsse für dich

Sofort wählt Thomas Aisches Nummer.

"Hi, Aische. Wie geht es dir jetzt?"

"Hi, Thomas. Mir geht's gut. Ich liebe dich. Wenn wir miteinander sprechen habe ich das Gefühl, dass wir uns schon lange kennen. Als ob wir miteinander telefonieren, weil du weit weg arbeiten musst und bald wieder heim zu uns kommst. Ich möchte dich morgens bevor du zur Arbeit gehst, mit einem Frühstück verwöhnen und dir jeden Wunsch von den Augen ablesen."

"Ich möchte dich auch so bald wie möglich treffen, meinen Arm um deine Schulter legen - meinst du, dass Maik auf meinem anderen Arm sitzen möchte?"

"Später vielleicht. Zuerst wird er noch fremdeln."

"Das ist in seinem Alter und mit seinen Erfahrungen normal. Ich werde versuchen, sein Vertrauen zu gewinnen. Sollte ich dich mal besuchen, wohin müsste ich dann kommen?"

"Du weißt, ich wohne im Moment hier im Frauenhaus. Wir sollten unser erstes Treffen in die Stadt verlegen.
Oder ich komme zu dir! Was hältst du davon? Sagen wir Samstag auf Sonntag?"

Drei Tage später erhält er die ersehnte SMS.

Mein Zug kommt um 14:12 in Düsseldorf an. Du bist doch da, mein Schatz?

Thomas antwortet auf dem gleichen Weg:

Du kannst dich auf mich verlassen, Liebes. Ich stehe zu meinem Wort. Ich stehe zu dir, was immer passiert!

Du bist das Blut, das in meinen Adern fließt.
Du bist die Luft, die ich atme.
Du bist mein Herz, was schlägt:
Ich liebe dich.
Ich freue mich so sehr, dich zu sehen!

Ich mich auch, Liebes. Bis nachher!


Er fährt zum Hauptbahnhof, parkt seinen alten Kleinwagen und betritt die Halle. Er schaut zur großen Uhr.

Eine habe Stunde noch bis zu ihrer Ankunft. Thomas schlendert durch das Gewühl der Passanten den Zugang zu den Bahnsteigen entlang und wieder zurück zur Halle. Immer noch eine Viertelstunde bis zur Ankunft. Er ist innerlich aufgewühlt. Langsam geht er zurück Richtung Bahnsteige und erklimmt die Stufen zum
angegebenen Bahnsteig. Oben geht er am Gleis entlang. Er findet keine Ruhe. Seine Gedanken fliegen.

Da fährt der Zug ein. Die Bremsen quietschen. Der Zug hält und lässt die ersten Fahrgäste aussteigen. Sein Blick sucht die offenen Abteiltüren ab. Da sieht er eine junge Frau, die sich mit einem Kinderwagen abmüht.

Er eilt dazu, jedoch haben andere Fahrgäste der jungen Frau inzwischen auf den Bahnsteig geholfen.

Er fragt: "Aische?"

"Ja, bist du Thomas?"

Ein warmes Lächeln auf dem Gesicht, wendet sich die junge Frau ihm zu.

"Bin ich! Ich bin froh, dass ihr gut angekommen seid! Komm, ich helfe dir den Kinderwagen die Treppe hinunter zu bringen."

Er lächelt zurück und gibt ihr die Hand zur Begrüßung. Es ist schon etwas anderes, wenn man textet oder telefoniert oder wenn man sich das erste Mal Aug in Aug gegenübersteht. Sie verlassen den Bahnhof. Maik sitzt rittlings auf einer Reisetasche, die den ganzen Raum des Kinderwagens einnimmt.

Aische sucht während des Spaziergangs seine Nähe. Kurz entschlossen legt er den Arm um ihre Schultern.

"Weißt du, Thomas, was mich besonders freut? Maik hat heute morgen sein erstes Wort seit langem gesprochen!"

Interessiert schaut er von Maik zu Aische und fragt:

"Was war es denn, Aische?"

"Sein Wort war: Ja, bitte? Weil es an der Tür klingelte."

"Er wird bald vergessen haben, was sein Vater ihm antat, Liebes. Ich helfe dir dabei!"

Sie überqueren die Rheinkniebrücke in Sichtweite des Hafens. Möwen kreischen über ihren Köpfen. Thomas führt sie vereinbarungsgemäß zur Jugendherberge. Dort müssen sie ein Papier ausfüllen. Aische erhält daraufhin den Jugendherbergsausweis und den Zimmerschlüssel. Nach dem Zahlen besichtigen sie Aisches Zimmer für die kommende Nacht. Es ist ein Einbettzimmer mit zusätzlichem Gitterbettchen. Thomas wundert sich. Aische sagt, dass Schlafsäle der Vergangenheit angehören. Dies sei heute Standard.

Sie gehen zurück Richtung Innenstadt. Aische schiebt den leeren Kinderwagen für den Fall, dass Maik müde wird. Der Kleine geht diszipliniert neben dem Kinderwagen her, worüber sich Thomas wundert. Kein ungestümer Entdeckerdrang!

Dann sind sie am Zoo angekommen. Obwohl schon Nachmittag ist stehen noch eine Menge Leute vor den Kassen. Thomas beobachtet Maik während sie anstehen. Plötzlich verdecken ein paar Passanten die Sicht. Er geht um die Leute herum.

Maik dreht sich im Kreis. Er sucht offensichtlich seine Mama. Thomas geht auf ihn zu, nimmt ihn hoch und läßt ihn über die Leute schauen:

"Schau, Maik, dahinten steht deine Mama!"

Der Kleine läuft auf Aische zu. Thomas ist wieder an ihrer Seite.
Hinter den Kassen werden sie als erstes von Fotografen angesprochen für Erinnerungsfotos. Während einer ungefragt knipst, drückt eine Frau Thomas einen Zettel mit einer Nummer in die Hand. Dann gehen sie zu den Gehegen. Durch das Gedränge der Leute kann Maik nur wenig sehen. Auch drängelt er sich nicht nach vorne, wie andere Kinder. Thomas fragt ihn, ob er gerne auf seinen Schultern sitzen möchte, um mehr zu sehen. Der Kleine bejaht strahlend. Also durchwandern sie den Zoo mit Maik auf einem "Hochsitz".

Am Imbissstand machen sie eine Pause bei Fritten mit Currywurst. Auf dem Spielplatz daneben darf sich Maik austoben. Aber Aische soll mit auf die Wippe. Also schaukelt Thomas ebenfalls zusammen mit Maik und hebt ihn ans Reck.

Es wird schon dunkel, als Thomas die beiden zur Jugendherberge bringt. Zum Abschied umarmt Aische ihn spontan und küsst ihn auf die Wange. Auf dem Rückweg zum Auto fühlt sich Thomas leicht und beschwingt.

Beginnt nun eine neue Zeit für ihn?

Am nächsten Morgen ist er pünktlich zurück in der Jugendherberge um mit den Beiden dort zu frühstücken.

Dann gehen sie zurück zum Hauptbahnhof, wo er die Beiden am Zug verabschiedet.

"Wie hat dir das Wochenende gefallen, Aische?"

"Es ist eine interessante Stadt, Thomas. Was mir wichtiger war: Zu sehen, wie du mit Maik klarkommst und wie er auf dich reagiert. - Du bist so geduldig und einfühlsam! Ich möchte dich bald für länger - sagen wir eine Woche? - besuchen kommen, wenn du magst."

Thomas nimmt Aische in den Arm und drückt sie sanft. In dem Augenblick fährt der Zug ein. Er hilft ihr mit dem Kinderwagen in den Zug. Zum Abschied umarmt ihn Aische noch einmal und drückt ihm einen schüchternen Kuss auf die Lippen.

Nachdenklich macht sich Thomas auf den Rückweg zum Auto. Abschiede sind nie schön.

Sein Handy piept. Er schaut sich die empfangene SMS an.

Hallo, mein Schatz. Wie gefiel DIR unser erstes Treffen? Bist du enttäuscht, dass nicht MEHR passiert ist?

Er schreibt zurück:

Liebes, für ein erstes Treffen ist doch eine Menge mit uns passiert! Die drei wichtigen Worte blieben zwar unausgesprochen, aber dein Kuss war dem gleichwertig! Dich liebe ich, mein Engel!

Blumenduft vom Nachbarfenster weht der Wind zu mir herein,
und es scheint ein Gruß der Liebe aus der Ferne mir zu sein. THEODOR STORM.
Wie geht es dir, Liebes?


Thomas sendet wenige Tage nach dem Wochende eine SMS an Aische. Sie hatte sich nicht mehr gemeldet.

Kurz darauf kommt die Antwort-SMS herein.

Sorry, mein Schatz. Mir geht es gar nicht gut. Ich bin im Krankenhaus. Eine Lungenentzündung, heißt es. Maik ist solange bei meiner Freundin. Wie geht es dir?

Sehnsucht, mein Engel

Du, ich bin bald wieder gesund. Eine Woche vielleicht noch, sagen die Ärzte.

Das Dasein, ich sage Dir's ehrlich,
ist allzeit ziemlich gefährlich.
Oft hilft die größte Vorsicht nicht -
plötzlich hat Dich die Krankheit erwischt,
Dich hinterlistig beim Schopf gepackt.
Doch sei Dir trotzdem hier gesagt:
Nur halb so schlimm ist das Malheur,
als wenn's doppelt so arg gewesen wär'!
Zur Heilung wünsche ich Dir Glück.
Kehr' aus der Klinik bald zurück!
Ich wünsche, dass Maik und ich Dich bald gesund wiederhaben und danke deiner Freundin für die große Hilfe in dieser Situation!

Seitdem ich dich kenne, fühle ich mich wie ein Schmetterling, der gerade aus dem Kokon geschlüpft ist und du bist der Wind, der mich trägt. Du bist die Sonne, die mich in jeder Farbe leuchten läßt. Dafür möchte ich dir sagen, dass ich dich liebe! Tausend Küsse, mein Schatz!

Ich umarme dich zärtlich! Schlaf traumhaft in der Nacht und werd schnell gesund, Liebes!


Die Tage vergehen. Thomas und Aische wechseln liebevolle Guten-Morgen- und Gute-Nacht-SMS. Im Studium erhält Thomas das Thema für seine Ingenieursarbeit. Er soll eine eine Eisenbahnbrücke über einen kleinen Fluss auf dem Papier konstruieren, zeichnen und kalkulieren, wichtige Details hervorheben.

Arbeitsreiche Wochen stehen ihm bevor. Aber die Wochenenden hält er sich für Aische frei.

An einem der Abende erreicht ihn Aische's SMS:

Wenn du in den Sternenhimmel schaust, wie ich es jetzt tue, dann treffen sich unsere Blicke in der Unendlichkeit und wir sind uns nahe.

Er schreibt zurück:

Warte kurz - so, ich sehe einen Stern und ich weiß jetzt, warum der Stern so hell und warm leuchtet.

Aische's Antwort läßt nicht lange auf sich warten:

Wenn du einmal stirbst, zerfällt dein Körper in tausend Sterne und jeder, der in den Himmel schaut, wird sich in die Nacht verlieben.

Thomas antwortet ihr:

Wer liebend sich ans Nächste hält
und will nur das gewinnen,
umfasst darin die ganze Welt
und Gott ist mitten drinnen.
Eine wunderbare Nacht wünsche ich Dir!


Wenige Tage darauf sendet er am Vormittag aus der Fachhochschule eine SMS aus einem plötzlichen Impuls heraus:

Zwischendurch - ich muss mich sehr beeilen,
denn die Arbeit hetzt und fordert mich -
fällt mir ein, Dir in fünf knappen Zeilen
etwas wesentliches mitzuteilen,
was Dich interessiert: Dich liebe ich!


Aische antwortet eine halbe Stunde später:

Ich kann die Klinik heute verlassen *freu* ich hab gerade gepackt.
Weißt du, was mein Traum wäre? Wenn du für mich ein Essen mit Kerzenlicht organisierst, während eine Babysitterin für Maik da ist und danach mit dir den Sternenhimmel beobachten.

Das stelle ich mir auch wunderschön vor, Liebes! Schade, dass ich dich jetzt nicht nachhause bringen kann. Wir müssen noch etwas Geduld mit uns haben...

Du, ich halte mich an meine Worte. Und je langsamer wir es angehen, desto besser, denn in der Geduld liegt die Kraft! Es wird uns aneinander binden! Oder?

Fortuna lächelt, doch sie mag
nur ungern voll beglücken.
Schenkt sie uns einen Sommertag,
so schenkt sie uns auch Mücken.
WILHELM BUSCH. Du hast ja Recht, Liebes. Trotzdem würd' ich dich jetzt gern spüren, riechen, sehen...

Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
in andere, neue Bindungen zu geben.
HERMANN HESSE. In wenigen Wochen ist Ostern, mein Schatz! Dann sehen wir uns wieder.
Versprochen! Und dann bleib ich mit Maik eine ganze Woche!

Ich freue mich auf euch, Liebes. Ich mache Pläne für jeden Tag! Komm jetzt erstmal gut nachhause!

Ich umarme und küsse dich, mein Schatz. Bis später!


Eine gute Woche danach schreibt Thomas Aische wieder einmal einen Morgengruß:

Ich steh am Fenster und denk an dich.
Siehst du den selben Morgenhimmel wie ich?
Wo jetzt noch Zweifel sind,
weh' sie weg, Morgenwind! Guten Morgen, Liebes. Wie war deine Nacht?

Guten Morgen, Schatz! Ich kann immer öfter durchschlafen. Maik wird immer seltener nachts wach.
Ich denke, ich kann zum Monatsersten mit Maik in eine eigene kleine Wohnung ziehen, hier in der Nähe des Frauenhauses.

Das ist ja prima, Liebes! Aber das Streichen, das Möbeltragen... Wer hilft dir da, wo ich jetzt an der Konstruktion arbeiten muss?

Keine Sorge, mein Schatz. Meine Freundin und ihr Mann sind ja hier. Und ich hab doch drei Wochen Zeit zum Renovieren.

Na gut, Liebes. Ich weiß, ich muss geduldiger sein. Ich drück dich zärtlich!

Du weißt es, doch ich wiederhol es ehrlich
und ich nehme nie etwas zurück:
Du bist mir lieb, du bist mir unentbehrlich;
Du bist mein Leben, meine Welt, mein Glück!


Die Zeit vergeht. Ostern ist nicht mehr weit. Thomas schickt Aische wie üblich einen Guten-Morgen-Gruss.

Jeder Tag ohne ein Lächeln ist ein verlorener Tag. CHARLY CHAPLIN. Guten Morgen, Liebes! Wie weit bist du mit der neuen Wohnung?

Guten Morgen, mein Schatz. Bitte ruf mich an


Thomas holt ihre Nummer aufs Display und drückt die Ruftaste.

"Hallo, Liebes, wie geht es Maik und dir?"

"Hi, mein Schatz. Maik musste ich gestern gründlich abschrubben. Er wollte unbedingt streichen helfen. Dabei hat er mehr Farbe abbekommen als die Wand *lächel* Er schläft noch. Mir geht es soweit gut. Ich bin zwar etwas gestresst, aber ich freue mich auf die neue Wohnung. Ich hab soweit alles in der Ausgabestelle für
Gebrauchtmöbel gefunden, nur ein Gitterbettchen haben die dort nicht! Das muss ich mir wohl im Möbelhandel besorgen. Könntest du..."

"... hier mal schauen? Oder was meinst du, Liebes?"

"Ich hab da eins in einem Prospekt entdeckt. Könntest du mir das Geld überweisen, mein Schatz?"

"Wieviel soll es denn kosten, Liebes?"

"110,- wollen die dafür haben..."

"In Ordnung. Sag mir deine Kontonummer, zum Wochenende kannst du Maik's Bett kaufen, Liebes!"

"Oh, ich danke dir, mein Schatz!"

Thomas überweist ihr am selben Tag den Betrag und hört am Wochenende voller Dankbarkeit vom erfolgreichen Kauf des Gitterbettchens.

Wenn die Schokolade keimt,
wenn nach langem Druck bei Dichterlingen
"Glockenklingen" sich auf "Lenzesschwingen"
endlich reimt
und der Osterhase hinten auch schon presst,
dann kommt das Osterfest. JOACHIM RINGELNATZ. Ich freue mich schon so auf das Wiedersehen nächste Woche, Liebes!

Ich mich auch, mein Schatz. Ich will dich so wie du bist, denn einen Besseren als dich gibt es nicht, denn du bist einmalig. Kuss

Wie dem auch sei - die SMS soll mit sich tragen,
wie mir, denk ich an dich, zumute ist;
sie soll dir schlicht und wirklich herzlich sagen,
wie lieb, wie unentbehrlich du mir bist!


Wenige Tage darauf erreicht ihn eine SMS

Bitte ruf mich an!

"Hallo, Liebes, wie geht es dir? Wie fühlst du dich heute?"

"Nicht gut, mein Schatz! Ich war Anfang der Woche wieder Blut spenden. Jetzt kam ein Brief vom Roten Kreuz, dass sie mein Blut vernichten mussten. Ich habe AIDS!"

"Wie denn das auf einmal?"

"Meine Freundin hatte sich während der Renovierung verletzt. Ich hab sie verbunden. Dabei muss ich mit ihrem Blut in Berührung gekommen sein."

"Lehn' dich in Gedanken bei mir an, fühl dich bei mir geborgen, Liebling! Mach dir keine allzu großen Sorgen! Die Medizin kommt heute mit der Krankheit klar. Du kannst noch sehr alt damit werden und erleben, wie Maik älter wird! Und was uns beide betrifft: Ich verhüte einfach und schon bin ich geschützt... Ich hab
dich lieb und möchte dich nicht verlieren!"

"Ich hab dich auch lieb. Ein solches Gefühl der Vertrautheit, der Geborgenheit, hatte ich noch nie. Auch ich könnte mir vorstellen, mit dir alt zu werden. Du wärst auch der Vater, den Maik so dringend bräuchte - aber die Verantwortung drückt mich zu stark! Ich muss mich wohl von dir verabschieden, Thomas. Tut mir leid!"

"Und was wird aus Maik, wenn du mal nicht mehr bist?"

"Der geht dann zu Oma und Opa, Schatz. Leb wohl..."

Die SIM-Karte wurde entfernt, das Postfach gekündigt. Die Verbindung war mit einem Mal tot und Thomas wusste nicht, wohin mit seinen Gefühlen. Unverständnis, Trauer, wie früher beim Tod seiner Mutter...
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Türkischer Honig
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